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Der untergegangene Hof Waltersburg bei Winkel

Pest, Krieg, Hexenwahn und Scheiterhaufen

Friedbert Wißkirchen, Daun

Die Geschichte des Hofes Waltersburg, die der Dauner Heimatforscher Willi Steffens unter Eifeler Sagen und Geschichten einordnete, hat einen realen Hintergrund. Den Hof Waltersburg bei Winkel gab es tatsächlich. Nördlich des Ortsteils Oberwinkel, vom Wald eingeschlossen, liegt auf einer Hochebene die sogenannte „Heide“. Dort war im 13. Jahrhundert ein Hof entstanden. Der Hofname könnte vom Erbauer mit Vornamen „Walter“ abgeleitet worden sein. Das weitere Wort „burg“ deutet darauf hin, dass der Besitz des Walters befestigt, mit einer Schutzmauer oder einem Schutzzaun umgeben war. Eine Burg im heutigen Sinne war es nicht, sondern eine befestigte und gegen Feinde gesicherte Hofanlage.

Mehrere Hofhäuser und Wirtschaftsgebäude zeugten von der Größe und Bedeutung des Hofes. 1563 sind 4 Feuerstellen (Wohnhäuser) auf Waltersburg nachgewiesen. Im Feuerbuch werden die Haushaltsvorstände mit ihren Vornamen „Frantz, Bernhart, Jo-hannet“ aufgeführt und ferner „der Hoebmann“ (Hofmann), der namentlich nicht erwähnt ist. Vor 1600 war Matthias Loge aus Daun der zeitliche Pächter; Eigentümer des Hofes war der jeweilige Grundherr der Herrschaft Wollmerath. Matthias Loge war ein angesehener und ehrbarer Mann, von 1590 bis 1608 Schöffe des Hochgerichts Wollmerath. Das Schöffenamt wurde nur unbescholtenen, gottesfürchtigen und im Gerichtsbezirk anerkannten Männern übertragen. Zusammen mit seinem Sohn und der Schwiegertochter führte er den Hof, der hohe Erträge erbrachte.

Wahrscheinlich waren es Neid und Missgunst, die zu den Vorwürfen und Anschuldigungen führten. Es kamen böse Gerüchte über den Hofmann und seine Schwiegertochter auf, von Zauberei war die Rede, aber auch von Blutschande. Matthias Loge wurde als Hexenmeister denunziert, der das Vieh anderer Leute verhexte und bei seinen nächtlichen Untaten bis auf den Hunsrück flog. In einer Zeit, als die Hexenprozesse auch in der Eifel eine grausame Spur von Folter und Tod zogen, endeten derlei Anschuldigungen fast immer mit dem Tod. „Selbst die unsinnigste Klage reichte oft aus, um jemand auf die Folter oder den Scheiterhaufen zu bringen.“ Ja, gerade Frauen und Männer, die erfolgreich waren oder besondere Fähigkeiten besaßen, wurden übernatürliche Kräfte zugesprochen oder mussten mit dem Teufel im Bunde stehen. Loge und seine Schwiegertochter wurden im April 1612 verhaftet und in das Gefängnis der „Weiherburg“ nach Wollmerath gebracht. Bald darauf wurde den Beschuldigten der Prozess wegen Hexerei und Blutschande gemacht. Das Hochgericht Wollmerath tagte unter dem Vorsitz des Lehnsund Gerichtsherrn Ludwig Zandt von Merl, in Anwesenheit des Schultheißen, des Gerichtsschreibers und 7 Schöffen; vermutlich fand der Prozess in der Burg statt. Mehr als eine Woche tagte das Hochgericht, denn nicht nur die Angeklagten, sondern auch eine Reihe von Zeugen mussten vernommen werden.

Die Beklagten wurden nach der 1532 von Kaiser Karl V. erlassenen „Peinlichen Ge-richtsordnung“, die die Landesherrn anwendeten, zunächst gütlich befragt, später unter Vorzeigung der Folterinstrumente verhört und wenn dies zu keiner Aussage führte, „peinlich befragt“, also der Folter unterzogen. Durch die Folter war die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie die ihnen zur Last gelegten Taten gestanden. Der Prozess fand nicht - wie bei Zivilprozessen und anderen Strafverfahren üblich - mündlich und öffentlich, sondern schriftlich und geheim statt und war damit auch der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen. Niemand durfte ohne Geständnis verurteilt werden. Matthias Loge und seine Schwiegertochter Helene gestanden wohl unter Folterqualen die erhobenen Vorwürfe, das Gericht hielt sie für schuldig. Auf Verbrechen wie Hexerei und Blutschande stand die Strafe des Feuertodes, also der Scheiterhaufen. Nach dem der Grund- und Gerichtsherr Ludwig Zandt von Merl das Todesurteil unterzeichnet hatte, wurde es vollstreckt. Bald loderte das Feuer des Scheiterhaufens, die Verurteilten wurden vor den Augen der zahlreich erschienen Kinder, Männer und Frauen aus Wollmerath und den umliegenden Dörfern auf dem Gerichtsplatz, nahe der Burg, verbrannt. Die Anwesenheit des Scharfrichters deutet darauf hin, dass die „Schuldigen“ vor dem Verbrennen getötet wurden. Diese Vergünstigung wurde den Verurteilten erwiesen, die ihre Taten gestanden. Die am Prozess Beteiligten verzehrten im Gasthaus in Wollmerath während des Prozesses und der Hinrichtung Wein und Essen für 45 Florin und 15 Al-bus. Ludwig Zandt von Merl wurde mit dem Gerichtsschreiber und seinem Diener während der Gerichtsverhandlung und der Exekution im Pfarrhaus mit Essen und Trinken versorgt; Pastor Wilhelm stellte 17 Florin und 22 Albus in Rechnung. Der Scharfrichter erhielt als „Be-lohnung“ für sein tödliches Handwerk 19 Florin. Die Kosten des Prozesses summierten sich auf insgesamt 128 Florin 12 Albus und waren von den Verurteilten zu tragen. Eine unvorstellbare hohe Summe, wenn man bedenkt, dass 1601 bei einem Verkauf eines kleinen Hauses in Wollmerath ein Erlös von 21 Florin erzielt wurde. Wenn die Hinterbliebenen nicht zahlen konnten, wurde das Vieh aus dem Stall geholt oder Haus und Hof verkauft, um die Kosten zu decken.

Der Sohn des Matthias Loge blieb bis 1617 auf dem Hof, dann bewirtschaftete ein Schwiegersohn des Hingerichteten den Hof Waltersburg. Aber auch er verließ nach der Sage bald die Waltersburg, denn kein Knecht und keine Magd wollte auf dem Hof bleiben, weil in der Nacht immer wieder die Geister der Hingerichteten erschienen. Um 1625 ist ein Hofmann namens Paulus auf Waltersburg, der vom Hochgericht mit 3 Goldgulden bestraft wurde, weil er sich trotz Verbots nach Gillenfeld „in die böse (sterbende) Luft be-geben“ hatte; die Pest wütete in der Eifel. Wo waren die übrigen Bewohner geblieben, denn 50 Jahre vorher waren noch drei weitere Familien auf Waltersburg? Wahrscheinlich ist, dass nicht die Geister von Matthias und Helene Loge die Bewohner vertrieben hatten, sondern natürliche Gründe für das Aussterben des Hofes ursächlich waren. Hatte die damals wütende Pest oder eine andere Epidemie die Bewohner dahingerafft? Waren sie aus ihren Behausungen während des 30jährigen Krieges vor den plündernden, schändenden und mordenden Soldaten geflüchtet? Hatten sie Haus und Hof verlassen, weil ihr Hab und Gut angezündet und das Vieh geraubt worden war? Es spricht vieles dafür, denn sowohl die Winkeler Mühle als auch der nahe Robeshof fielen in dieser Zeit Brandschatzungen zum Opfer. Welche Spuren Pest und Dreißigjähriger Krieg hinterlassen hatte, geht aus einem Bericht von 1630 des Lehnsherrn Ludwig Zandt von Merl an den Trierer Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern hervor, um die Einquartierung von Soldaten in der Herrschaft Wollmerath abzuwenden: „Die Dörfer in der Herrschaft Wollmerath waren beinahe ausgestorben, die Mühlen bleiben stehen. Ein Dorf (vermutlich Filz) war 1630 abgebrannt. Saat und Ernte bleiben aus, das Land war mit Kriegsleuten gefüllt.“ 1650 waren die Gebäude des Waltersburger Hofes bereits verfallen, 1838 noch die Grundmauern sichtbar. Heute erinnert nur noch die „Sage“ mit realem Hintergrund an den Hof Waltersburg und seine Bewohner, aber auch an eine grausame Zeit mit Pest und Krieg, in der ein Menschenleben wenig wert und der Aberglaube groß war. Die Hexenverfolgung war nicht nur von der Obrigkeit, vor allem der Kirche, sondern auch auf Drängen der Bevölkerung gewollt und immer wieder angefacht worden. Dass bei der Hexenverfolgung keine Rücksicht auf Greise und Kinder, angesehene Persönlichkeiten der Kirche und des Adels gemacht wurden, beweist die Liste der Hexenverbrennungen zwischen 1627 - 1629 in Würzburg: „Der Baunach, ein Rats-Herr“, „Des Herrn Domprobst Vogt“, „im dreyzehnten Brandt vier Personen: Der alte HofSchmidt, Ein alt Weib, Ein klein Mägdlein von 9 oder 10 Jahren, Ein geringeres, ihr klein Schwesterlein“. Auch die Mutter der Kinder fand auf dem vierzehnten Scheiterhaufen den Tod. In der „Gesta Treverorum“ (der Geschichte Triers) schrieb 1640 der Domherr Johann Linden: „Durch die Städte und Dörfer des ganzen Bistums jagten von Gericht zu Gericht spezielle Ankläger, Inquisitoren, Notare, Beisitzer, Richter, Häscher, schleppten Menschen auf die Folter und verbrannten sie in großer Zahl.“ Zwischen 1587 und 1793 wurden allein im Trierer Land 368 Personen als Hexen hingerichtet.

Ein Lichtblick in dieser Zeit der Pest und des Hexenwahns war der Trierer Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld, der als Beichtvater vieler Hingerichteter die Wahrheit kannte und wusste, dass sie schuldlos starben. In seinem, anonym verfassten, berühmten Buch „Cautio criminalis, seu De processibus contra sa-gas“ („Rechtliches Bedenken“ oder „Über die Hexenprozesse“) wandte er sich leidenschaftlich gegen die Folter und die Hexenprozesse, versuchte das Geflecht aus Aberglaube, Hexenwahn, Lügen und Boshaftigkeit unter Einsatz seines Lebens zu zerreißen und das himmelschreiende Unrecht öffentlich zu machen. Er schrieb: „Persönlich kann ich unter Eid bezeugen, dass ich jedenfalls bis jetzt noch keine verurteilte Hexe zum Scheiterhaufen geleitet habe, von der ich unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte aus Überzeugung hätte sagen können, sie sei wirklich schuldig gewesen.“

Der Hexenwahn war 1660 noch nicht überwunden, aber am Abklingen. Bei einer Anschuldigung wegen Hexerei im nahen Hochgericht Im-merath hatte die Anklage keinen Erfolg, die Angeklagte wurde freigesprochen.

Quellen:

Eiflia illustrata - Der Kreis Daun - Osnabrück 1982

Peter Brommer - Die Ämter Kurtriers - Edition des Feuerbuchs von 1563 - Mainz 2003

Franz Roman Janssen - Kurtrier in seinen Ämtern vornehmlich im 16. Jahrhundert - Bonn 1985 Soldan-Heppe - Geschichte der Hexenprozesse - Lübeck/Leipzig 1938 Dr. August Cnyrim - Plaudereien aus Oberwinkel - um 1930 Chronik Wollmerath - Handschriftliche Aufzeichnungen von Lehrer Schäfgen

Friedbert Wißkirchen - Recht zu Hängen und zu Ertränken - Heimatjahrbuch Daun 1993