Kornelkirschen

Christa Feltgen, Erftstadt

Unsere Vorfahren, besonders die Eifeler, haben sich in Wald und Feld wohl doch noch besser ausgekannt, als wir es heute tun. Und sie wussten auch, dass sich da draußen etliches ernten ließ, was zur Ernährung in den langen, obst- und gemüsearmen Wintermonaten beitragen konnte. Da wuchs der Holunder, dessen Blüten man zu einem leckeren Getränk nutzte und dessen Beeren sich zu Gelees und Säften verarbeiten ließen. Wobei der Saft noch Heilkräfte, besonders gegen Kinderkrankheiten, entwickelte. Blaubeeren, Himbeeren, Brombeeren und sogar Schlehen waren und sind auch heute noch beliebte Marmeladen- und Saftlieferanten. Sogar die Hagebutten und die Ebereschen-Früchte konnte man verwenden, wenn man nur die richtigen Rezepte hatte. Zu den Früchten, die man früher auch noch in der freien Natur ernten konnte, gehörten die Kornelkirschen, deren wilde Sträucher und Bäumchen man dort aber immer seltener findet. Die Kornelkirsche auch „Echter Hartriegel“ oder „Herlitze“ genannt, ist eine alte Wildpflanze, die früher meist in Mittel- und Süddeutschland, vor allem aber an der Mosel häufig vorkam. Sie gehört in die Familie der Hartriegelgewächse, zu der unter anderem auch der „Gemeine Hartriegel“ gehört, der die Menschen im Sommer mit seinen weißen Blütenbüscheln und im Winter mit den rotglänzenden Zweigen in manchem Garten erfreut. Auch die Kornelkirsche gehört zu den Pflanzen, die man gern in seinem Garten sieht. Im Frühjahr überrascht sie uns schon ganz früh mit ihren gelben Blütenbüscheln, die genau wie beim Hamamelis-Strauch, der „Zaubernuss“, schon im Februar blühen, noch ehe die Pflanze Blätter treibt. Es sieht ganz entzückend aus, wie die hellen Blütenkugeln jeden Sonnenstrahl zu nutzen scheinen, während am Grund meist noch der letzte Schnee liegt. Sieht man die spätere Entwicklung im Sommer an, weiß man, wozu diese Frühblüte gut ist. Aus den goldgelben, in einfachen Kugeldolden stehenden Blüten entwickeln sich nämlich jeweils ein oder zwei Früchte, die zunächst wie winzige grüne Pflaumen aussehen. Man muss aber genau hinsehen, sonst findet man sie unter den großen Blättern nicht. Hätten die Blätter schon im Frühjahr die Blüten so versteckt, wäre es wohl nie zur Befruchtung gekommen. Man kann froh sein, wenn in der Nachbarschaft noch ein paar Sträucher dieser Art stehen, ganz offensichtlich befruchten sie sich durch den Wind gegenseitig. Normalerweise werden sie allerdings von zahlreichen Insekten bestäubt.

Die grünen Früchte wechseln im Lauf des Jahres allmählich ins Gelbliche und dann in ein dunkles Rot. Jetzt erinnern sie an Kirschen, sicher hat die Pflanze deshalb den Namen Kornelkirsche. Sie bleiben aber nur halb so groß wie die Namensvettern, und auch der Stein innen ist im Vergleich zur echten Kirsche größer. Wenn sie reif sind, fallen sie oft von alleine ab. Das Aufsammeln ist allemal leichter als das Pflücken. Weil es nachts schon ziemlich kühl sein kann, wenn sie im Herbst reifen, verderben die Früchte nicht, wenn sie einmal ein paar Tage unter dem Strauch liegen bleiben. Weil sich die Kirschen so verstecken und der Strauch, der ziemlich groß werden kann, gegenständige Zweige hat, so dass alle Stängel mehr oder weniger wie verhakt ineinander scheinen und auch ohne Stacheln oder Dornen sehr wehrhaft auftreten können, ist das Pflücken nämlich gar nicht so einfach. Trotz aller Arbeit lohnt es sich, die kleinen Früchte aufzulesen, denn sie ergeben eine köstliche Marmelade, die nach allen Beerenfrüchten zugleich schmeckt, mit einer unvergleichlich abgerundeten Säure. Ein wenig mühsam ist die Herstellung schon, denn man muss die gut gar gekochten Früchte, am besten mit Hilfe eines Durchschlags, von den Steinen befreien. Da der Geschmack kräftig ist, kann man bei den kleinen Mengen, die man meist nur ernten kann, ruhig andere Früchte, wie Himbeeren, Erdbeeren oder auch Apfelsaft hinzufügen, damit sich der Aufwand der Marmeladenherstellung auch lohnt.

Ich habe noch nie erlebt, dass die skeptischen Mienen von Besuchern, die ich aufgefordert habe, die Köstlichkeit zu probieren, - „Kornelkirschen? - Was ist das denn? - Du willst uns wohl vergiften?“ - beim Versuchen nicht verschwanden. Schade, früher war die wilde Kornelkirsche überall zu finden, fast genau so häufig wie der Holunder, und unsere Vorfahren wussten um ihren guten Geschmack und darum, dass ihr Genuss im Winter im Verein mit anderem Eingemachten die Menschen vor Mangelkrankheiten schützen konnte. Aber auch ihr Holz, -als Bäume können sie bis zu 6m hoch und bis zu 100 Jahren alt werden -, war früher geschätzt. Es ist ein beliebtes Material für Drechslerarbeiten. In Thüringen, wo die Kornelkirsche schon immer häufig vorkam, gibt es einen Ort, der durch die aus diesem Holz hergestellten Knotenstöcke, die echten „Ziegenhainer“, berühmt geworden ist.