Wie der Strom nach Saxler kam…

Thomas Klassmann, Daun

Mit meinen Großeltern Franziska und Leo Schildgen, Sax-ler, habe ich mich über ihre Jugendzeit unterhalten. Für mich war besonders interessant, wie früher die Lebensmittel haltbar gemacht wurden. Unsere Generation kann sich kaum noch vorstellen, unter welchen Bedingungen das Leben vor 70 bis 80 Jahren stattgefunden hat.

Wann kam denn der Strom nach Saxler?

Leo Schildgen: Meines Wissens dürfte dies im Jahre 1927 gewesen sein - allerdings anfangs eigentlich nur als Beleuchtungsmöglichkeit. Da Strom ja teuer war und man auch nur wenig Geld hatte, sparte man dort, wenn möglich. So kam es z.B., dass man in die Wand zwischen zwei Zimmern einen kleinen Durchbruch schlug und dort die Lampe anbrachte, so dass dann mit einer Lampe beide Räume beleuchtet werden konnten. Außerdem benutzte man höchstens 25-Watt-Glühbirnen und drehte zum Sparen auch schon mal eine Birne raus. Im Keller und auf dem Speicher gab es selbstverständlich kein Licht! Als nächstes gab es dann Tauchsieder, die ähnlich den heute noch gebräuchlichen aussahen.

Eines der Hauptnahrungsmittel war doch das Brot - wie wurde das denn ohne Strom zubereitet?

Leo Schildgen: Abends wurde ein Sauerteig zubereitet. Dazu wurde der Teig in der „Mol“, einer Mulde im Küchentisch, geknetet und dann über Nacht gehen gelassen. Da er nach Möglichkeit warm stehen sollte, haben wir manchmal das Kohlebügeleisen, welches mit heißen Kohlen gefüllt wurde und sehr schwer war, unter den Tisch gestellt. Am nächsten Morgen wurde der Teig dann mit Hefe weiter verarbeitet und aufgehen gelassen. Danach wurden dann die Brotlaibe in den so genannten „Kurwel“, das Brotkörbchen, gelegt. Das Backhaus gehörte der Gemeinde und deshalb wurde an Backtagen immer ausgelost, in welcher Reihenfolge man das Backhaus nutzen durfte. Je später desto besser hieß es da immer. Zum Heizen brauchte man ja schließlich Holz und die ersten mussten ja erst mal viel mehr Holz nutzen, um die richtige Temperatur zu bekommen. Dazu wurde das Holz, das in Form von Reisigbündeln von ca. einem Meter Länge, den so genannten „Schanzen“ (Durchmesser ca. 30 cm), mitgebracht wurde, in den Ofen gestapelt und dann angezündet. Mein Vater war da immer sehr akkurat - die Äste in den Schanzen mussten alle exakt gleich lang sein. Dann wurde gewartet, bis die Innenwände ganz weiß waren. Normalerweise brauchte man 4-5 Schanzen, wenn man im Winter als Erster dran war, hat man dann schon mal 1 bis 2 Schanzen mehr gebraucht. Die Glut wurde mit dem „Ovekessel“ entnommen und die Steine mit dem „Wisch“ abgewischt. Das war ein Stiel mit einem Sack drum, der nass gemacht wurde und dann zum Säubern von der Glut genutzt wurde. Anschließend wurde das Brot dann auf den „Brot-schees“ gelegt und in den Ofen geschossen, wenn die Temperatur stimmte. Thermometer gab es ja keine, also hat man einen Strohhalm in den Ofen gehalten - wenn der verbrannt war, war es für das Brot noch zu warm. Nach dem Backen, was ca. eine Stunde dauerte, wurde das Brot mit klarem Wasser und der Brotbürste abgewaschen, damit es glänzte. Sowohl beim ersten Brot, das in den Ofen kam, als auch beim Anschneiden wurde dann immer mit dem Finger ein Kreuzzeichen auf das Brot gemacht um es zu segnen. Da das Backen immer mit viel Aufwand verbunden war, wurde nur alle 12-14 Tage gebacken, je nach Familiengröße wurden dann schon mal zehn Brote auf einmal gebacken und dann im kühlen Keller gelagert. Arme Leute - und das waren früher in der Eifel ja viele - haben den Kindern das Brot erst dann gegeben, wenn es schon härter war, weshalb dann nicht so viel gegessen wurde, als wenn es ganz frisch war.

Wie war das Backhaus aufgebaut?

Franziska Schildgen: An den Wänden hingen Regale für die Brote, die man „Stalagen“ nannte. Außerdem gab es eine gemauerte Grube für das benötigte Wasser, zum Reinigen des Wisch. Die Kinder haben im „Backes“ oft gespielt, schließlich war es da ja meistens warm und es gab keinen festen Boden, was sich zum „Klicker spielen“ bestens eignete.

Was habt ihr eigentlich mit dem Fleisch gemacht, bevor es Gefriertruhen gab?

Franziska Schildgen: Wir haben selbst geschlachtet und dann wurde das Fleisch gepökelt und geräuchert. Zum Pökeln wurde das Fleisch in einen großen Topf, der etwa 150 Liter fasst, gelegt. Zuerst kam unten der Schinken in den Topf, weil er am längsten liegen musste. Darauf kam dann der Schweinebauch und zuletzt das Eisbein. Anschließend gab man viel Salz und Salpeter dazu, dass das Fleisch eine schöne rote Farbe bekam. Zum Schluss wurde der Topf mit Wasser gefüllt. Nach etwa vier Tagen konnte man das Eisbein und den Schweinebauch entnehmen. Der Schinken blieb vier Wochen in der Lauge.

Das Fleisch wurde nach dem Entnehmen unter klarem Wasser abgespült und anschließend geräuchert. Hierzu wurde die Räucherkammer mit Sägemehl aus Buchenholz (das schmeckt besonders gut) und einem kleinen Stück Brikett angeheizt. Dabei gab es keine Flamme, sondern nur viel Rauch. In der Woche wurde 1- bis 2-mal Feuer gemacht und das Fleisch so etwa 2 Wochen, je nach Fleischsorte, geräuchert. Das fertige Fleisch haben wir dann, Sommer wie Winter, im Räucherschrank auf dem Speicher gelagert. Dabei war es sehr wichtig, dass das Fleisch durch ein Fliegengitter geschützt wurde.

Was gab es denn noch an besonderen Zubereitungsformen bei Lebensmitteln?

Franziska Schildgen: Da fällt mir noch die Zubereitung des „Kappes“ ein, also des Weißkohls. Im Juni wurde der Kappes gesät und wurde dann als letztes Gemüse Ende Oktober geerntet. Nach der Ernte wurde der Knoten mit dem so genannten „Kappesmesser“ rausgedreht. Am „kaalen Mittwoch“, also dem Buß-und Bettag, wurde der Kappes dann eingeschnitten. Mit einer Art Hobel wurde er dabei in kleine Streifen geschnitten. Anschließend wurde er im „Kappes-Sorg“ eingestampft, indem immer ein Korb voll in den Sorg geschüttet wurde und dann solange darauf eingestampft wurde, bis es so fest war, dass oben Flüssigkeit rauskam. Dann kam eine Salzschicht drüber und wurde mit einem Weißen Tuch bedeckt. In passender Größe kamen dann als Abdeckung Bretter darüber, die das ganze luftdicht abschließen sollten. Damit auch wirklich keine Luft an den Kappes kam, wurden dann auf die Bretter noch schwere Steine geschichtet und Wasser darauf gegossen. Nach rund vier Wochen wurde dann die Abdeckung entfernt und die gebildete Brühe abgeschöpft. Nachdem man sich genommen hatte, was man zum Kochen brauchte, wurde wieder alles luftdicht abgeschlossen. Somit konnte vor Weihnachten der erste Kappes gegessen werden. Bei uns wurde dann fast ein Jahr lang davon gegessen.

Leo Schildgen: Interessant ist noch der eigentliche Sorg. Hierbei handelte es sich bei uns um eine rechteckige Bütte aus rotem Sandstein, die an allen Seiten rund 80 cm lang bzw. hoch war. Weil die Bütte so schwer war, wurde sie direkt nach der Bodenplatte im Haus eingebaut. Nachträglich hätte man den Sorg ja gar nicht ins Haus tragen können.