Ein Hundegespann

Fuhrpark des alten Gerolsteiner Krankenhauses

Peter Schend, Gerolstein

Als am Fest der Namenspatronin das neue St. ElisabethKrankenhaus am 18. November 1912 eingeweiht wurde, betrugen die Gesamtbaukosten der Anlage mit Ökonomiegebäuden 100.000 Mark. Gemäß dem Vertrag zwischen Stadt und Genossenschaft der Franziskanerinnen zu Waldbreitbach wurde an diesem Tag das Gebäude den Schwestern in betriebsfertigem Zustand zur freien Benutzung und Bewirtschaftung übergeben. Die Gemeinde hatte noch die Operationsräume eingerichtet und stellte fortan Wasser, Licht sowie Brennmaterial. Die Franziskanerinnen sollten dagegen die Krankenpflege und Bewirtschaftung komplett übernehmen und dafür mindestens fünf Schwestern zur Verfügung stellen. Ein wichtiger Vertragspunkt war die Einhaltung eines mittleren Pflegesatzes für das neue Krankenhaus mit 25 Betten in zehn Krankenzimmern. Die Nonnen waren es gewohnt, schwer zu arbeiten und dabei in großer Armut zu leben. Darum akzeptierten die wenigen Frauen diese hohe Bürde an Bedingungen. Denn als im Oktober 1914 das Krankenhaus ein Genesungsheim für Reservisten wurde, betrug der Pflegesatz pro Soldat und Tag 1,40 Mark. Im ersten Weltkrieg wurden die Lebensmittel knapp und unerschwinglich teuer. Um ihren niedrigen Pflegesatz zu halten, ihre Patienten und sich mit frischem Gemüse, Salat, Kräutern und Tee zu versorgen, pflanzten die Nonnen schon von Anfang einen großen Garten an, sie hielten nebenher auch Hühner. Dann zwang schiere Not sie eine Kuh zu kaufen, bald standen drei im Stall. Überdies wurde eine Anzahl Schweine gehalten, die jeden Essensrest verwerteten. Damit die Schwestern winters genügend Heu für ihre Kühe hatten, kauften sie eine Wiese. Sie lag dort, wo heute das Schwimmbad steht. Die meisten der bäuerlichen Arbeiten erledigten sie neben der Krankenpflege selbst. Ein heute kaum vorstellbarer Einsatz. Doch hatten sie für die schwersten Arbeiten einen guten Helfer zur Seite, der ihnen bereits, wie ich mich erinnere, schon vor dem zweiten Weltkrieg half. Es war ein älterer Mann, Daniel Schneider vom Marktplatz. Auch mein Vetter Heinrich Schend, ein damals junger Bursche, half den KrankenhausSchwestern. Seine Aufgabe war es, mit dem Hundegespann zu fahren. Mehrmals die Woche holte er Kraftfutter von den Landesprodukten-händlern Vogt oder Flamm ab. Dann waren es Touren zur Post oder Bahn, um Pakete abzuliefern oder abzuholen. Die Hunde waren stets mit heller Begeisterung dabei. Wenn es mit großer Last bergauf zum Krankenhaus ging, musste mein Vetter auch schon mal schieben. Die Tiere waren kaum zu bändigen, wenn er sie von der Kette losband und an den Karren spannte. 1946 übernahm Heinz Regnery, damals elf Jahre, mit großer Freude die Arbeit mit diesem Hundegespann. Sein Tag begann als Messdiener in der Krankenhauskapelle, danach erhielt er sein Frühstück, ging zur Schule und freute sich schon nach dem Mittagessen und den Hausaufgaben, mit Cäsar und Prinz die Milch von Burg Lissingen abzuholen, oder Brot abwechselnd von den Gerolsteiner Bäckereien Böff-gen, Körperich oder Wollwert. Auch weitere Touren zu den umliegenden Dörfern standen bis 1949 auf seinem Programm. Er schaffte die von den Bauern zu leistenden Eier- und Butterabgaben, für den Betrieb des Krankenhauses aus den Dörfern herbei. Es begleitete Heinz Regnery zu den Fahrten nach Hinterhausen und Michelbach immer eine Schwester, die, sobald das letzte Gerolsteiner Haus passiert war, den ersten der vielen unterwegs gebeteten Rosenkränze anstimmte.

Heinrich Schend mit den Zugtieren Cäsar und Prinz

 

Krankenhaus, im Vordergrund „Dä iwije Wäsch“, im Volksmund so genannt, weil in mühseliger Handarbeit von Arbeitern erstellt. Heute ist dort die geteerte „Raderstraße“.