Flachsanbau anno dazumal Matthias Thömmes, Philippsheim Wenn man heute von der etwas weiter
zurückliegenden Vergangenheit spricht, fällt immer wieder der Ausdruck
von der „guten alten Zeit“. Ob diese Zeit allerdings so gut war, muss
angezweifelt werden. Wer möchte z. B. heute ohne Strom, elektrisches
Licht, Waschmaschine, Heizung und all die modernen Errungenschaften
leben, auf die kein Mensch mehr verzichten will. Wie mühselig und
schwer war doch damals die Arbeit im Haus und auf den Fluren. Alles
musste mit der Hände Arbeit bzw. mit Hilfe von Kühen und Pferden
bewältigt werden. Die Bezeichnung „gut“ könnte allenfalls insofern
zutreffen, dass die damaligen Menschen keine andere Lebensweise kannten
und in der Regel zufriedener waren als heute. Zu den vielfältigen
Arbeiten in der Landwirtschaft gehörte bis in die erste
Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein im Kreis Daun auch die Arbeit um den
Flachs. Die etwa 60 cm hohe anspruchslose Getreideart mit blauen Blüten
und faserhalti-gen Stängeln wurde jahrhundertelang angebaut und zur
Leinenherstellung genutzt. Daneben waren die ölhaltigen Samen zur
Herstellung des Leinöls sehr willkommen, das für vielfältige Zwecke
Verwendung fand. Für den Flachsanbau wurde ein besonders gutes Stück
Land ausgewählt, in das man nach sorgfältiger Düngung und mühseliger
Bearbeitung Anfang Mai den Leinsamen säte. War der Flachs handhoch,
musste das Feld mitunter gejätet werden, damit es bei der Ernte keine
Verunreinigungen durch Unkraut gab. Im Heumonat blühte der Flachs herrlich blau und diente auch als
Bienenweide. Nach 100 Tagen kam die Zeit der Ernte. Der Flachs wurde
nicht wie das Getreide gemäht, sondern von den Frauen bündelweise aus
der Erde gezogen, um die volle Länge der Fasern zu erhalten. Die Bündel
wurden in der Mitte mit ein paar Flachshalmen zusammengebunden und zu
Kasten zusammengestellt. Nach etwa 1 bis 2 Wochen konnte der Flachs
eingefahren werden. Im September/ Oktober wurden die Samenkapseln
abgestreift, gedroschen und der Leinsamen für die nächste Aussaat
aufbewahrt. Die gedroschenen Flachshalme wurden dann auf der Wiese
ausgebreitet, wo unter Einwirkung von Tau, Regen und Sonne die holzigen
Flachsstängel verrotteten und sich danach gut von den Fasern lösen ließen. Nun ging es ums
Brechen und Schwingen, wobei mit der Bresche und der Schwinge die
hölzernen Stän-gelteile von den Fasern getrennt wurden. Nach weiterer
Bearbeitung erfolgte das Hecheln, das ebenfalls zur weiteren Säuberung
der Fäden diente, indem diese durch ein Nagelbrett (Riffel) gezogen
wurden. Flachs auf Kasten Riffel Nun konnte mit dem Spinnen begonnen werden. Das geschah an den langen Winterabenden durch die Frauen und Mädchen am Spinnrad, wobei sich oft die Dorfjugend in den Häusern versammelte und gesungen und gescherzt wurde. Heute noch schwärmt man von dieser sogenannten „Spinnstubenromantik“. War die letzte Flachsfaser versponnen, wurde das Garn aufgehaspelt und danach zur Verarbeitung auf dem Webstuhl auf kleinere Spulen gewickelt. Nun begann die Arbeit am Webstuhl, einem großen Balkengestell, das fast die halbe Stube ausfüllte und zum Inventar vieler Haushalte gehörte. Das Weben erforderte viel Sachverstand und eine Menge Vorarbeiten. So mussten unter anderem die Kettfäden gespannt und die Spulen für das Schiffchen vorbereitet werden. Waren alle Vorbereitungen getroffen, konnte das Weben beginnen. Mit einem sogenannten Schiffchen wurden die Querfäden zwischen die Kettfäden geschossen, ein langwieriges Unterfangen. Hin und her flog das Schiffchen in stundenlanger Arbeit, bis endlich das Tuch fertig war. Dieses war zunächst noch grau und musste als erstes weiß gebleicht werden. Hierzu tränkte man es in einer heißen Lauge von Schmierseife und Buchenasche und breitete es anschließend auf einer Wiese aus. Unter regelmäßigem Gießen mit Wasser und der Sonneneinstrahlung erhielt man nach ca. acht Tagen das begehrte weiße Leinen. Heute noch hat in Wallenborn die Tuchwiese daher ihren Namen. Man verstand es auch schon, die gebleichten Tücher mit Naturfarben einzufärben und vielfältig zu verarbeiten. Die aus Leinen gefertigten Textilien wie Betttücher und Kleidungsstücke waren überaus strapazierfähig und nahezu unverwüstlich. Heute noch liegen in mancher Truhe Leinensachen in einem tadellosen Zustand, die vor 80 - 90 Jahren hergestellt wurden. Noch in den 30er Jahren wurde in der Eifel der Flachsanbau unterstützt und gefördert. So steigerte sich hier die Anbaufläche von 65 Hektar 1933 bis zum Jahre 1935 auf 750 Hektar. Wenn heute in den Kaufhäusern die fertigen Kleider und Tücher gekauft werden, denkt kaum noch jemand an die mühselige Arbeit, mit der diese Sachen vor langer Zeit selbst hergestellt wurden. |