Alte und neue Fallen

Order zum Sichfügen und Begnügen in Spruch und Lied

Wilma Herzog, Gerolstein

Werbespots und Songs mit einprägsamer Message, um einmal bei der modernen Formulierung zu bleiben, sind keineswegs neu. Mit Nix wie weg fordern sie heute auf zu Südseeinseln zu fliegen und den Urlaub all in-clusive unter Palmen zu genießen. Früher ging es mit einprägsamen geschriebenen Botschaften, knappen Sprüchen oder schönen eingängigen Melodien um das Gegenteil von Konsum und Genuss. Sie begleiteten unsere Vorfahren ihr ganzes Leben. Sie mahnten sie ständig, auf ihrem Platz zu bleiben und da zufrieden zu sein. Wer in der Küche das Überhandtuch wegschob, um ein Geschirrtuch vom Haken zu nehmen, hatte den Spruch längst verinnerlicht: Ohne Fleiß - kein Preis. Unsere Großmutter hatte es in das selbstgewebte Leinen hineingestickt. Über dem Stangenherd prangte:Eigner Herd ist Goldes wert. Immer wieder tauchten in Alltagsgesprächen Sätze auf, wie: Schuster bleib bei deinem Leisten. Klein aber mein. Unrecht Gut gedeihet nicht. Unrecht Gut geht nicht an den dritten Erben. Hochmut kommt oft vor dem Fall. Ich war das älteste ihrer 19 Enkelkinder und lernte früh all diese Sprüche und auch die Lieder von der Großmutter, die sie mit allen Strophen sang:

„Freund, ich bin zufrieden, geh es wie es will;
unter meinem Dache leb ich froh und still.
Mancher Tor hat alles, was sein Herz begehrt,
doch ich bin zufrieden und das ist Goldes wert.

Leuchten keine Kerzen, mir beim Abendmahl,
blinken keine Weine mir im Goldpokal,
hab ich was ich brauche nur zur Zeit der Not:
Süßer schmeckt im Schweiße mir ein Stückchen Brot.“

Sogar auf einer Postkarte, die ich heute noch habe, schrieb sie die Anfangsstrophe eines anderen von Johann Martin Miller 1776 gedichteten Liedes, das wir beide oft zweistimmig sangen:

„Was frag ich viel nach Geld und Gut,
wenn ich zufrieden bin.
Gibt Gott mir nur gesundes Blut,
so hab ich frohen Sinn,
und sing mit dankbarem Gemüt,
mein Morgen- und mein Abendlied.

So mancher schwimmt im Überfluss,
hat Haus und Hof und Geld,
und ist doch immer voll Verdruss,
und freut sich nicht der Welt.
je mehr er hat, je mehr er will,
nie schweigen seine Klagen still.

Da heißt die Welt ein Jammertal
und deucht mir doch so schön,
hat Freuden ohne Maß und Zahl,
lässt keinen leer ausgehn.
Das Käferlein, das Vögelein
darf sich ja auch des Maien erfreun.

Und uns zu Liebe schmücken ja
sich Wiese, Berg und Wald,
und Vögel singen fern und nah,
dass alles widerhallt.
Bei Arbeit singt die Lerch uns zu,
die Nachtigall bei süßer Ruh.

Und wenn die goldne Sonn aufgeht
und golden wird die Welt,
und alles in der Blüte steht
und Ähren trägt das Feld,
dann denk ich: alle diese Pracht
hat Gott zu meiner Lust gemacht.

Drum preis ich laut und lobe Gott
und schweb in hohem Mut
und denk: Es ist ein lieber Gott
und meint’s mit Menschen gut!
Drum will ich immer dankbar sein
und mich der Güte Gottes freu’n.“

Zufriedenheit bleibt auch heute eine äußerst hilfreiche Tugend. Freude und Dankbarkeit beim Anblick der Schöpfung zu empfinden, ist eine andere empfehlenswerte geblieben. Das eigene Los anzunehmen, ein unabwendbares Schicksal zu ertragen, erfordert menschliche Größe und Reife. Diese Eigenschaften halfen unseren Vorfahren ihr oft karges Leben zu ertragen. Sie nahmen ihren Platz in der Welt einfach als gottgegeben an und rüttelten in keiner Weise daran, so wie wir es heute tun. Wir stellen Ansprüche, denken selbst nach, stellen infrage, zweifeln an, pochen auf Rechte, wagen uns heraus, riskieren dabei auf die Nase zu fallen. Gelegentlich gerät unsere Welt schon mal aus den Fugen. Unsere Urgroßeltern, als Säuglinge mit anliegenden Armen, bis zu den Füßen stramm gewickelt, erhielten an Regeln ein genau so enges Korsett mit für ihr späteres Leben, auch von der Kirche her. Es ließ keinerlei Spielraum zu. Die Dorfgemeinschaft achtete sehr genau darauf, dass sich keiner über die geläufige Norm hinauswagte. Unsere Kinder dagegen durften schon frei strampeln, wir tun es in gewissem Sinne auch. Wir tun recht dran, unsere Talente zu entfalten, Dinge zu hinterfragen, uns von allen Seiten über eine Sache zu informieren. Wir müssen uns aber unbedingt auf die wahren bleibenden Werte zurückbesinnen. Wir dürfen nicht auf die spots und messages für Konsum und Lifestyle hereinfallen. Wir dürfen uns vor allem ab einem bestimmten Alter nicht einfach aufs Altenteil zurückziehen. Das Leben bleibt jederzeit einmalig, und jeder Tag ist unwiederholbar. Wir haben so viel Bodenständiges von unseren Eifeler Ahnen mitbekommen.

Gemischt mit der richtigen Portion Modernität können wir das Beste für uns und andere daraus gewinnen.