Gerberei-Handwerk im Kreis Daun

Thea Merkelbach, Pelm

„Daun, den 18ten Februar 1840 An die

Königliche Hochlöbliche Regierung zu Trier Der Lederfabrikant Nicolaus von Landenberg hat die Con-cession zur Anlegung einer Gerberei daselbst nachgesucht. Die vorschriftsmäßige Publikation des Vorhabens hat - da polizeiliche Rücksichten der Anlage nicht entgegentreten - statt gehabt -und sind innerhalb der gesetzlichen Frist keine Einsprüche irgendeiner Art erhoben worden. Ich bringe demnach der Verleihung der erbetenen Conces-sion unter den in dem angegebenen Berichte des Bürgermeisters erwähnten Vorbehalte gehorsamst in Antrag. Das Gesuch des von Landenberg sowie der betreffende Situationsplan ist ebenmäßig angeschlossen. Das Königliche Landratsamt -Selasinsky” So lesen wir in der Acta betreffend die Anlegung von Gerbereien im Kreis Daun (LHA Koblenz, Abt. 442, Nr. 4232). Dieser Antrag galt für die Gemarkung Lissingen. Am 22. Januar 1848 stellte von Landenberg einen weiteren Antrag zur Errichtung einer Gerberei in Gerolstein. Dieser wurde schon am 4. April vom Landrat nach Trier weitergeleitet, und am 11 . April erteilte die Königliche Regierung zu Trier die „Concession“.

Die Anträge wurden also sehr zügig bearbeitet und vom Landrat Selasinsky weitergeleitet. Der Landrat war sehr interessiert daran, die wirtschaftliche Situation für die Bevölkerung des Kreises zu verbessern. Im Kreis Daun beantragten zu dieser Zeit folgende Bürger die Konzession für eine Gerberei: Josef Man-derfelt zu Lissendorf, Johann Bernardy zu Auel, G. Bauer zu Auel (Bernardy und Bauer wollten ihre bestehenden Anlagen von außerhalb ins Dorf verlegen), Josef Bernardy zu Dockweiler (zwei Anlagen), Rotgerber Sebastian Crump zu Birgel, Anton Gottlieb zu Üxheim (Antrag 6.10.1843), Rotgerber August Weber zu Daun (Antrag 18. Juli 1846), Edmund Schmitz zu Mehren (vier Anlagen), Rotgerber Jakob Stephany zu Daun (Antrag 27. Nov. 1846 , Weiterleitung nach Trier 27. Jan. 1847).

Ehe der Landrat einen Antrag nach Trier weiterleiten konnte, musste die polizeiliche Genehmigung eingeholt werden. Dann erfolgte eine ortsübliche Verkündigung durch einen Aushang oder durch die Schelle. Bei Erteilung der Gewerbeerlaubnis verpflichtete sich der Gerber, alle Auflagen zu erfüllen. So erhielt z.B. der Rotgerber August Weber zu Daun am 17. Sept. 1846 die Genehmigung zur Anlage einer Gerberei „auf seinem unterhalb Daun am Lieserbache Flur 5 Nr. 158, 159 und 160 gelegenen Eigentum; nachdem auf die vorschriftsmäßige Bekanntmachung kein Einspruch gegen das Vorhaben erhoben worden“ und auch aus polizeilicher Hinsicht nichts dagegen einzuwenden war. Der Rotgerber musste sich verpflichten, „alle für dergleichen Anlagen bereits bestehende und etwa noch namentlich sanitätspolizeiliche Vorschriften und Anordnung bei Vermeidung der Zurücknahme der Concession genau zu beachten“. So erhielten eine GerbereiGenehmigung: Die Geschwister Engels zu Hillesheim, am 3. März 1854 (Flur 10 Nr. 247/248), Rotgerber Jakob Stephany zu Daun (Anfang 1847), Edmund Schmitz zu Mehren, am 31. Aug. 1847, Clemens Manstein zu Kerpen am 12. Okt. 1848 (zwei Anlagen), Witwe Louise Chaineux (Witwe des Joseph Ch.) 1869 im Kellerraum ihres Hauses, Josef Manderfelt zu Lissen-dorf am 6.10 1841, Gerber Schlags zu Hillesheim am 15. Aug. 1864, Lederfabrikant Carl Orth zu Gerolstein am 10. April 1872 (Flur VII Nr. 1047/618 und 1046/617). Die Anträge und Genehmigungen sind nicht vollständig erhalten und stimmen deshalb nicht immer überein. Hier sind nur die vorgefundenen Urkunden ausgewertet. Nicht immer blieben die Anträge ohne Einspruch. So erhob z.B. Jacob von Landenberg Einspruch gegen den Antrag der Witwe Chaineux wegen des Wasserverbrauches. Gegen den Antrag des Gerbers Josef Manderfeld (Schreibweise mal mit ‘t’, mal mit ‘d’) aus Lissendorf legte der Nachbar Johann Schmitz Beschwerde ein. Im Jahr 1841 erlaubte der Oberpräsident der Rheinprovinz in Koblenz, von Scheinitz, die Anlage unter folgenden Bedingungen: „...eine Anlage darf nur gestattet werden, wenn die Gewißheit erlangt ist, daß der Betrieb desselben den benachbarten Grundbesitzer weder unangenehm noch schädlich werden kann. Zu diesem Zwecke ist die in Art.

7 vorgeschriebene informatio de commode et incommodo das geeignetste Mittel.“ In den Archivakten findet sich ein weiteres Streitobjekt. Die Mühlenbesitzer Jacob Posten und Martin Scholtzen zu Müllenborn legten 1832 Einspruch ein gegen den Antrag des Hüttenbesitzers Johann Wilhelm Schruff. Noch im gleichen Jahr gab das Ministerium für Handwerk, Gewerbe und öffentliche Arbeiten in Berlin die Anweisung, Schruffs Antrag zu genehmigen. Wegen des Wasserrechts, damals sprach man von Wassergerechtigkeit, gaben jedoch die unteren Behörden kein grünes Licht für die Anlage. Die Streitereien zogen sich über viele Jahre hin. Am 24. Mai 1852 schreibt der Wegebaumeister Müller, dass keine Einigung zwischen der Mühle und dem Hüttenbesitzer zu erreichen sei, weil Schruff keinen finanziellen Ausgleich zahlen wolle. In einem dreiseitigen Schreiben heißt es: „...um beurtheilen zu können, ob die beabsichtigte Ableitung des Wassers aus dem Mühlengraben ohne Beeinträchtigung der Mühle zulässig ist, muss zuvörderst näher festgestellt werden, wie groß die vom Unternehmer in Anspruch genommene Menge des Wassers ist..“ Nun geht der Streit über die Wassermenge und das Wassermaß weiter. Damals wurde mit mehrerlei Maß gemessen. „Es scheint hier eine Wassermenge gemeint zu sein“, heißt es, „welche man in Frankreich und im südlichen Deutschland einen Wasserzoll nennt, Das ist in der Minute etwa 1/3 Kubikfuß. Der vom Wegebaumeister gebrauchte Ausdruck ‘Cubikzoll’ ist ganz unverständlich. Die Ergiebigkeit der ein Zoll weiten Röhre kann bei starkem Gefalle viel größer sein, ist indessen möglicherweise auch bedeutend geringer, als jener normale Wasserzoll. ....“ Es folgen weitere technische Erklärungen und Kompromissvorschläge, zum Beispiel zum Bau eines Brunnens. Wilhelm Schruff muss sich wohl öfter nach Berlin gewandt haben. Es liegen nämlich mehrere Schreiben vom Ministerium vor, dass der Anordnung Folge zu leisten sei, möglicherweise mit einem Kompromiss. Im letzten Schreiben in dieser Angelegenheit, leider ohne Datum, schreibt Herr Schruff an den Bürgermeister von Ge-rolstein, Herrn Klein, „.... habe ich mich verpflichtet, daß kurz oberhalb der gewölbten Fahrbrücke über den Oosbach in Müllenborn gelegene Mühlen und Hüttenstauwehr auf meine Kosten umzubauen resp. neu zu erbauen. Unter dieser Bedingung wurde mir die Concession zur Anlage meiner Gerberei von Königlicher Regierung erteilt.“ Er legt dem Schreiben einen „Si-tuations und Nivellements Plan in Duplo“ für das Stauwehr bei. Gleichzeitig versichert er, dass die Nachbarn Matthias Cremer, Nikolaus Leuschen und Hilger Cremer sowie die Mühlenbesitzer einverstanden seien. So wurden die Gerbereien ein wichtiger Erwerbszweig in der Eifel. Sauberes Wasser war genug vorhanden, auch die notwendigen Tierhäute aus den Bauernbetrieben. Um 1870 waren im Handelsbezirk Trier 300 Gerbereien gemeldet („Die Eifel“ von Schramm, 1964). Im Jahr 1905 waren es noch 43. In Hillesheim allein gab es zeitweise sieben Gerbereien. Der preußische Staat war an der Anlage von Gerbereien sehr interessiert. Das Leder aus der Eifel war begehrt, zum Beispiel für die Riemen der Pferdegeschirre und die Stiefel der Soldaten. In der preußischen Armee durfte nur lohegegerbtes Leder verwandt werden, so berichtet der pensionierte Förster Leo Gödert aus Neustraßburg.

Langer Arbeitsprozess

Der Gerbereivorgang war sehr arbeitsintensiv und dauerte lange. Zuerst mussten die Fellhaare entfernt werden. Dazu bestrich man die Fellseite mit Kalk und Arsenik und legte sie in Wassergruben. Danach wurden sie geschwenkt und gestampft, um Haare, Kalk und Arsenik zu entfernen. Jetzt erst begann mit der Einlagerung in Gruben samt der gemahlenen Lohe und Wasser der eigentliche Gerbungsprozess. „Der Gerbstoff Tannin ließ die Eiweißstoffe der Haut gerinnen, und die Haut wurde zu Leder.“ (‘Die Geschichte des Handwerks’.) Während sechs Wochen hob man die Felle immer wieder an, damit der Gerbstoff besser in die Poren eindringen konnte. Dann schichtete man die Felle in weitere Gruben mit Wasser und Lohe und deckte sie ab. Der Gerbvorgang dauerte etwa zwei Jahre, wobei die Lohbrühe mehrmals erneuert werden musste. Sollte der Vorgang beschleunigt werden, richtete man mehrere Gruben ein mit steigender Lohekonzentration. Eine Gerbung in Fässern, die bis zu 70 Grad erwärmt wurden, brachte auch schnellere Ergebnisse. Zum Schluss musste das Leder durch Hämmern und Walken von der Lohe befreit werden. Das war wiederum eine sehr harte Arbeit. „Zum Walken griffen viele Gerber gerne auf die von den Textilhandwerkern genutzten Walkmühlen zurück oder betrieben als Zunft eigene Ledermühlen...“ (Die Technik des Färbens und Gerbens, Propyl. Technikgeschichte). Bei den „Läderern“, so die alte Bezeichnung der Gerber, unterschied man die Rotgerber, Weißgerber und Gerber von Sämischleder. Die ersteren stellten das normal gebräuchliche Leder her für Stiefel, Schuhe, Taschen, Sättel und Schläuche. Sie konnten das Leder durch Pflanzenzusätze in vielen Tönen braun, rötlich oder gelblich färben. Die Weißgerber fertigten Leder für die Lederriemen der Pferdegeschirre, Schuhfutter, Lederstickerei und Tapeten. Sie fügten dem Gerbprozess Alaun oder Kochsalzlösung hinzu. Die Häute mussten sehr oft gezogen, gefaltet, getrocknet, gerieben und geknetet werden. So erzeugten die Weißgerber weiches Leder. Man kannte noch eine andere Methode zur Weißgerbung. Dazu spannte man das Fell auf ein 60 cm hohes Gestell mit kantiger, konvexer Oberfläche. Das Leder wurde darüber hin und her gezogen, es wurde „gestollt“. Die Herstellung von sehr weichem Sämischleder war noch komplizierter. Die Häute wurden mit der Hand im Tranfass gewalkt, das heißt: geknetet, bis sie kein Fett mehr aufnahmen. Auf Rahmen aufgespannt brachte man die Felle in 40 Grad warme Kammern. Nach dem Gerbprozess wurde das überflüssige Fett mit Soda ausgewaschen. Anschließend walkte man das Leder mit hölzernen Keulen, feuchtete es an und „stollte“ es. So entstand sehr weiches Leder für Kleidung, Hosen und Schürzen. Die Gerber des Mittelalters verfügten über manche Geheimrezepte für die Lederherstellung. „Zur Eichenrinde mischten sie Urin, Tiergalle, Lauge und verschiedene unappetitliche Chemikalien“ (‘Die Geschichte des Handwerks’). Mit den verschiedenen Zutaten stieg auch die Geruchsbelästigung erheblich. So soll die Stadt Grasse in Südfrankreich, heute berühmt für ihre Parfümherstellung, wegen der vielen Gerbereien entsetzlich gestunken haben. Man gewann notgedrungen aus dem überall wachsenden Lavendel einen gut duftenden Stoff, mit dem das Leder eingerieben wurde. Dieses Duftleder war sehr beliebt. Dazu passt der nachfolgende alte Gerberspruch:

„In des Leders Werdegang Ist die Hauptsach’ der Gestank.
Kalk, Alaun, Mehl und Arsen machen’s gar recht weiß und schön.
Eigelb, Pinkel, Hundeschiete Geben ihm besond’re Güte.
Drum bleibt stets ein Hochgenuss
Auf den Handschuh zart ein Kuss.

Quellen und Literatur:

Landesarchiv Koblenz, Abteilung 442,
Nr. 4232
Propyläen Technikgeschichte
Dr. Peter Albrecht/ Horst Wolniak:
Die Geschichte des Handwerks