War das eine Zeit

Wilma Schmitz, Jünkerath

Wir lebten in einer Werkswohnung, meine Eltern und vier Kinder. Die Wohnung lag in einem Vierfamilienhaus, unsere Wohnung in der zweiten "Etage". Vom Flur kam man gleich in die Küche. Rechts ging die Türe in zwei durchgehende Schlafzimmer. Links war das kleine „Wohnzimmer“, aber das war zeitweise untervermietet; Mutter verdiente damit noch etwas dazu. Vater war bei der „Jünkerather Gewerkschaft“ als Kranführer in der Eisengießerei beschäftigt. Die Küche war gleichzeitig Baderaum; es gab weder ein Badezimmer noch eine Toilette. Das „Klo“ war das „Herz-häuschen“, wie man es damals nannte. Dafür mussten wir 26 Treppenstufen und dann noch etwa fünfzehn Meter über den Hof gehen -und das bei Wind und Wetter. Jede der vier Familien des Hauses hatte einen eigenen Keller, einen Stall und einen Heustall. In unserem Stall standen zwei Ziegen; das Schwein hatte nur wenig Platz zur Verfügung. Auch einige Hühner konnten noch im Stall übernachten. Der zur Wohnung gehörende Keller war Vorratsraum für alles. In der einen Ecke lagen die aufgestapelten Briketts, daneben stand die Kiste, in der die Möhren überwinterten, und in der anderen Ecke der Vorrats-schrank mit dem „Einge-machten“. Einen großen Platz nahmen die im Herbst eingelagerten Kartoffeln ein. Einmal im Jahr, meist im Herbst, wurde das Schwein geschlachtet. Dann war die Küche auch noch bis zu drei Tagen Wurstküche. In einem „Büttchen“ wurden Blut- und Leberwurst gemischt, dafür war der Hausmetzger zuständig. Ein Teil des Fleisches wurde in einer „Holzbütte“ stark gesalzen etwa sechs Wochen lang eingelegt, also gepökelt, mit dem Ziel Schinken und Speck zu erhalten.

Anschließend wurde das Fleisch geräuchert. Hierfür stand auf dem Hof oder auf dem Speicher ein Räucherhäuschen. Die meiste Arbeit verursachte die Versorgung der anderen Fleischstücke. Die musste Mutter zuerst auf dem mit Holz und Brikett geheizten Herd in mehreren Töpfen anbraten. Danach kamen sie in Einmachgläser und wurden sterilisiert. Einige Tage standen die Gläser noch auf dem Küchenschrank zur Kontrolle: denn nicht jedes Glas war „zu“, weil nicht die richtigen Gummiringe oder Deckel verwendet wurden. Alles musste genau aufeinander passen, sonst schlossen die Gläser nicht. Wenn alles in Ordnung war, wurden die Gläser in den Keller gebracht. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, welche Arbeit damit verbunden war. Im Keller standen auch noch zwei große Steintöpfe; in dem einen waren die Stangenbohnen als Sauerbohnen, in dem anderen der geschabte Weißkohl als Sauerkraut eingelegt. Dies war ein wesentlicher Teil des Gemüsevorrats für den langen Winter. 1958 wurde meine erste Tochter geboren und 19 Monate später kamen Zwillinge zur Welt. Es gab noch keine Pampers, so mussten an jedem Tage etwa 42 Windeln gewaschen werden. Dafür stand mir ein großer Einkochapparat zur Verfügung. Und all die Arbeit geschah in der Küche auf dem Herd. Es gab auch keine Schleuder und keinen Trockner; alles wurde mit der Hand ausgewrungen. Heute weiß ich kaum mehr, wie dies damals funktionierte. Aber meine Kinder bekamen keine Windeln an, die nicht vorher gekocht worden waren. Aber ein „Gutes“ gab es zu jener Zeit. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Haustüre abgeschlossen wurde. Auch die Küchentüre war nie verschlossen. Es traute Jeder noch Jedem.