Maler mit Herz und Gemüt

Peter Otten zum Gedächtnis

Franz Josef Ferber, Daun

„Der ist in tiefster Seele treu, der die Heimat liebt wie Du.“ (Theodor Fontane) Bei einem meiner letzten Besuche im Haus des 95jährigen Peter Otten meinte dieser: „Esch meene, et jett bahl Zäit, datt esch häi von der Welt verschwinde.“ Das sagte er ohne Verbitterung und ohne erkennbare Todessehnsucht, im Gegenteil, er schmunzelte dabei, und seine stets wachen Augen schauten mich durchdringend an. Nicht lange davor hatte er sich ähnlich geäußert. Kein Zweifel, auch diesmal war es ernst gemeint. Er sah eben seine irdische Mission als erfüllt an. Am 15. Mai 2005 (Pfingstsonntag) ist sein Wunsch, sterben zu wollen, in Erfüllung gegangen. So friedlich, wie er gelebt hat, ist er auch gestorben. Die Leidenszeit seiner letzten Lebensjahre hat damit ihr Ende gefunden. Noch am Abend des Sterbetages habe ich von seiner Frau Leni die Todesnachricht bekommen. Ich war darüber sehr erschrocken und arg traurig. In diesen Tagen fühlte ich mich der Witwe, ihren Kindern und allen anderen trauernden Angehörigen besonders verbunden. Über zwanzig Jahre sind es nun schon her, dass ich Peter Otten kennenlernte, dessen Persönlichkeit und Kunst mich tief beeindruckten. Damals, im März 1982, hatte er gerade in der Schalterhalle der Kreissparkasse Daun eine Gemäldeausstellung präsentiert. Und kurz zuvor hatte Landrat Orth mich mit Kunst-und Kulturaufgaben betraut. Kaum dass die Ausstellung eröffnet war und bevor die Presse hierüber berichtete, sagte mein landrätlicher Vorgesetzter zu mir, ich solle für die Kreisverwaltung ein passendes Bild kaufen. Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen. Obwohl die Auswahl mir zu schaffen machte - man denke an die Qual der Wahl -, habe ich mich für ein Ölgemälde entschieden, dessen Motiv in Schalkenmehren, im Udler Weg, zu suchen ist. Wertvolle alte Bausubstanz, teils sorgfältig denkmalgerecht restauriert, wie beispielsweise Alwins ortsbild-prägende Fachwerkscheune, säumt dieses idyllische Straßenstück. Das Gemälde, das bis zum Ende meiner Dienstzeit mein Büro zierte, war mein erster Kunsterwerb im Dienste des Landkreises Daun, dem im Laufe der Jahre noch viele folgten. Seitdem hat Peter Otten mich nicht mehr losgelassen. Das hat nicht allein mit meiner Begeisterung für seine Kunstfertigkeit zu tun, sondern auch mit seinen positiven Charaktereigenschaften. Man nannte ihn respektvoll einen der Stillen im Lande, ein Prädikat, das ihm zweifellos gebührte. Ja, still war er, von seiner künstlerischen Arbeit machte er nie viel Aufhebens, geschweige denn von seiner Person. Bescheidenheit war eines seiner prägenden Persönlichkeitsmerkmale, weitere ließen sich aufzählen, zum Beispiel Großzügigkeit, Toleranz und Gönnerhaftigkeit. Nach und nach ist Peter Otten mir zum väterlichen Freund geworden. Gewiss, mein Vater hätte er, der 1909 in Mehren zur Welt kam, vom Alter her wirklich sein können, sein Sohn ist schließlich im selben Jahr geboren wie ich.

Auch sonst hatten wir, Peter und ich, einiges gemeinsam, beispielsweise die Schwierigkeiten bei der Berufswahl nach unseren Schulentlassungen. Beide meinten wir, für den Bauernstand nicht besonders geeignet zu sein. So kam Peter glücklicherweise in die Malerlehre, wurde Malergeselle und letzten Endes Meister der Malkunst. Danach gründete er eine Familie, musste in den Krieg ziehen und geriet in Gefangenschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam er Kontakte zu Künstlern und Künstlergruppen, besonders zu Pitt Kreuzberg im Nachbardorf Schalkenmehren. Ihm blieb er zwanzig Jahre lang freundschaftlich verbunden, in ihm fand er, der schon als Kind mit Malen und Zeichnen angefangen hatte, einen tüchtigen Lehrmeister. Sieht man vom Kriegsdienst und von ein paar Wanderjahren ab, so ist Peter Otten immer in Mehren gewesen. Sein Heimatdorf, seinen Heimatraum, weite Teile der Eifel und viele andere Landschaften hat er zeitlebens in allen Variationen, zu allen Jahreszeiten gemalt und gezeichnet. Seiner tiefen Liebe und Treue zur Heimat, seinem Können und Fleiß ist es zu verdanken, dass ein kaum noch zu überschauendes Gesamtwerk entstand. Zudem hat der Herrgott - das darf man nicht verschweigen - es stets gut gemeint mit seinem malenden Diener. Er bescherte ihm, bei passabler Gesundheit, ungewöhnlich viele Lebensjahre an der Seite seiner treusorgenden Frau Leni, mit der er im Jahre 2004 das seltene Fest der Gnadenhochzeit (70 Ehejahre) feiern konnte. Peter wusste diese Gottesgaben immer zu schätzen. Er sagte gelegentlich, wenn er sein Leben überdenke, müsse er wohl einräumen, auf der Sonnenseite gestanden zu haben. Einmal danach befragt, was er mit seinen Bildern ausdrücken wolle, antwortete er spontan: „Die heile Welt fest-halten“. Damit befand er sich in guter Gesellschaft mit anderen Malern, so etwa mit dem französischen Impressionisten Auguste Renoir, der nach seiner Aufgabe als Maler befragt, gesagt hat: „Für mich muss ein Bild immer etwas Liebenswertes, Hübsches und Erfreuliches sein. Es gibt genug ärgerliche Dinge im Leben, man muss nicht noch neue in die Welt setzen.“ Peter Otten, ein Maler mit Herz und Gemüt, könnte es ebenso gut gesagt haben. Naturgemäß gab es etliche herausragende Ereignisse im Künstlerleben des Malers. Beispielsweise bekam er den Hanns-Sprung-Preis der Arbeitsgemeinschaft Bildender Künstler am Mittelrhein. Seine Heimatgemeinde verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde. Und zum 90. Geburtstag am 11. Dezember 1999 hat die Gemeinde ihm zu Ehren eine Kunstausstellung ausgerichtet, in ihrer guten Stube, dem alten Schulhaus, in das auch P. Otten einst acht Jahre lang zur Schule gegangen ist. Einer der Höhepunkte in seinem Kunstschaffen war 1993 auch seine Ausstellung, zusammen mit Walter Wilde, „Bilder aus Eifel und Sibirien“ im Kurfürstlichen Palais (Bezirksregierung) in Trier. Regierungspräsident Blankenburg hatte hierzu eingeladen, die Kulturabteilung der Kreisverwaltung Daun die Künstler ausgesucht und schließlich die Ausstellung arrangiert. Ich durfte von Amts wegen dabei sein. Peter muss dieses Ereignis als besondere Ehre empfunden haben. Bei der Vernis-sage konnte ich beobachten, wie seine Trierer Malerkollegen ihn hierum beneideten, sogar von Glück sprachen, das ihnen selbst zeitlebens versagt geblieben sei. Der Glückliche wurde ganz still, ein paar Tränen ließen seine Augen glänzen. Nach einem feierlichen Gottesdienst in der Mehrener Pfarrkirche am 20. Mai 2005 wurde der allseits bekannte und beliebte Heimatmaler auf dem Friedhof in Mehren beerdigt. Eine große Trauergemeinde hat ihn auf seinem letzten Gang begleitet. Ich bin glücklich darüber und dankbar dafür, dass ich diesem redlichen Menschen Peter Ot-ten begegnet bin und dass er mir Jahre hindurch freundschaftlich verbunden war. In meinem Herzen wird mein älterer Freund stets lebendig sein.