Die Alte bleibt

Marianne Schönberg, Jünkerath

Da ist sie nun, die längst fällige Laudatio an meine alte Kamera, dazu dies Gelöbnis ... die Alte bleibt! Sie war mir in mehr als fünf Jahrzehnten treuer Begleiter, ist’s bis heute, ließ mich nie im Stich - sie hat bei mir lebenslänglich. Schon oft erreichte mich ein Angebot von Liebhabern alter Geräte, von Sammlern - sie erlebten mich bei der Arbeit mit der Alten, die war oft mühsam ... für mich gewohnt und - ich wollte keine neue. Weshalb? Mit so viel Mühe wurde sie mein; hier ihre Geschichte. Rolleicord heißt sie, Nachkriegsmodell, Baujahr 1949 aus dem Hause Franke & Heidecke. Zu ihrer Zeit war sie die Allerschönste auf dem Markt technischer Geräte, eine zweiäugige Spiegelreflexkamera mit Schneideroptik ausgestattet, robust gebaut, fest in der Hand liegend ... wie hab ich sie bewundert; ein Traum! Und das blieb sie auch für mich. Damals verdiente ich als Gehilfe in einem Foto-Fachgeschäft so viel (oder so wenig), dass ich drei Monatsgehälter für die neue Rollei auf den Tisch legen musste - unmöglich. Die Neue stand im Regal, nicht lange, ein Apotheker aus unserem Kundenkreis kaufte sie, mit nagelneuer Ledertasche, Sonnenblende ...; was sie technisch konnte, erfuhr ich bald, das Filmmaterial ging letztlich über meinen Tisch im Labor. Welche Bildschärfe, präzise die Ausschnitte! Was war das gegen die Kameras aus meiner Lehrzeit auf Stativ und mit Glasplatten als Filmträger - so eine Rollei, das wärs! Monate vergingen, Ingenieure dachten sich weiter Neues aus, hier noch ein Knöpfchen, dort die Belichtungssperre, ein lichtstärkeres Objektiv. Wieder einmal kam ein besonderes Gerät in den Handel, und spontan bot unser Kunde seine fast neue Rollei zur Verrechnung an -er wollte die Allerneueste, konnte sich’s leisten. Nun stand das Objekt meiner Begierde zum Verkauf, Modell aus zweiter Hand, wenig gebraucht, aber immer noch unerschwinglich für mein karges Einkommen. Unser Chef bot mir einen Handel an ... „nimm die Rollei, zahl monatlich zehn Mark ab und irgendwann ist sie dein Eigentum“. Wer kann da nein sagen? Die Schöne nahm ich mit nach Hause, wir machten uns bekannt, loteten viele Möglichkeiten aus, zu guten Fotos zu kommen - es gab kein Hilfsmittel, kein Blitzgerät und für die Brennweite von 3,5 war der übliche 19° DIN Film oft eine Aufgabe. Aber es ging. Es ging sogar so gut, dass ichs wagte, mit dieser Kamera kleine Aufträge für heimische Gazetten anzunehmen. Später bot mir ein freundlicher Zeitgenosse seinen damals alten Blitz als Leihgabe an (er kaufte sich einen neuen) und der machte mich unabhängig von Wetter, von düsteren Räumen. Meine Rollei zündete das Zusatzgerät problemlos, lieferte rundum gute Negative.

Es gab Zwischenfälle - nie wurden sie zum Problem. Als Bundespräsident kam Gustav Heinemann nach Daun, Empfang im Landratsamt und erst dort erfuhren wir Presseleute, dass der Gast ein Augenleiden hatte, kein Blitz gezündet werden durfte. Und wer hat so schnell einen hochempfindlichen Film in der Tasche? Da war ich bei den Verlierern, die Kollegen hatten keine Reserven (das musste ich glauben), also Blende ganz auf und so nah wie möglich herangehen. Das ist peinlich, sich so dicht vor dem höchsten Repräsentanten aufstellen zu müssen. Heinemann nahm es gelassen und ... die Fotos waren gut. Jahre später - Richard von Weizsäcker machte als Bundespräsident in Hillesheim Station, ein Pulk Presseleute begleitete ihn und einer fragte, ob ich wahrhaftig willens sei, mit dieser Kamera zu arbeiten? Die gehöre ins Museum, keinesfalls an solchen Tatort. Da kann Mensch nur lächeln. Es kam noch ärger, der Kollege fragte, ob er das Stück vielleicht kaufen könne, zu einem guten Preis? Ein klares Nein. So gut kann mir noch so viel Geld nicht sein, dass ich mich von meiner Rollei trenne! Nun arbeiten wir weniger miteinander, sind fürs Offizielle in Rente, doch Themen am Tag verlocken ab und an. Das Blitzgerät ist aufs Altenteil geschickt, es geht wie zu Beginn unserer Freundschaft ohne - der Blick durch den Lichtschacht muss genügen, um Blende und Belichtungszeit richtig einzustellen. Wie sagte mein Lehrherr ..., „wenn Du auf der Mattscheibe nicht siehst, was nötig ist, dann pack ein, such Dir einen anderen Beruf“. Recht hatte er. Ab und an lockt mich ein Motiv, mal spontan, mal ausgesucht und ich nehme es mit der Rollei ins Visier, sie sagt mir darin schon mal im Aufsichtsbild „Das wird nichts, lass es...!“ Ich sehe es nicht immer ein. Dann straft sie mich mit Negativen, die sofort im Abfalleimer verschwinden und ich gesteh ihr reumütig mangelnde Einsicht. Trotzdem (oder gerade deshalb), die Alte bleibt …; aber das sagte ich ja schon.