Grube vor Lohscheid Christian Himmes, Kalenborn-Scheuern Sommer 1996, ein warmer aber verregneter Tag in der Eifel. Waschküchenklima würde meine Frau das nennen. Ich mag das Wetter. Die Sonne brennt nicht ins Gesicht und nach kleineren Schauern duftet es immer herrlich nach Regen. Die Wärme macht den Geruch noch intensiver. Der übliche Tagesablauf stand an. Rundruf an die Jungs: Treffen bei mir. Jeder gab Seins zum Besten und dann Abfahrt ins Grüne. Wir waren alle im Schnitt 15-16 Jahre alt. Mal fuhren wir mit einem viel zu kleinen Schlauchboot über die Kyll von Gerolstein nach Kyllburg, mal zelteten wir mitten in der Pampa und grillten selbst gefangenen Fisch. In diesem Alter fanden wir immer eine Beschäftigung. Wenn wir uns den Tag über genug ausgetobt hatten, trafen wir uns abends alle noch mal bei mir und setzten uns in die Küche. Wir lauschten dann meist den Geschichten meines Vaters, die inhaltlich den besten Stoff zum Nachmachen und Ausbauen boten. An einem dieser Abende erzählte er uns von einem verschütteten Erzbergwerk in Lissingen. Am Hang gegenüber der Kyll würde es liegen, doch wo genau konnte er uns nicht sagen. Er habe als Kind in unserem Alter mit seinen Freunden schon danach gesucht. Er wusste von seinem Opa, dass es dort sein müsse. Der Opa hatte ihm erzählt, als die US-Armee kurz vor Lis-singen stand, habe man alles, was hätte auf die Hitlerzeit hinweisen können, wie z.B. Waffen, Uniformen etc. in diesen Stollen verbracht und ihn letztendlich zugeschüttet. Am Tag darauf trafen wir uns und machten uns auf den Weg, das Bergwerk zu finden. An der beschriebenen Stelle packte uns zunächst der Unmut. Eine nackte Felswand ragte vor uns in die Höhe. Oberhalb der Felswand verlief ein Waldweg mit einem kleinen Wendeplatz. Von dort aus hatte man jahrelang Bauschutt und Aushub in die Tiefe geschüttet. So erstreckte sich am Fußende der Felswand ein völlig überwucherter Hügel. Der Eingang in das Stollensystem sollte genau darunter liegen. Das bedeutete, dass wir in wochenlanger Arbeit etwa zehn bis zwölf Kubikmeter Erde bzw. Bauschutt mit Schaufeln und Eimern bewegen mussten. Wir schafften uns ein paar Zelte an und fingen immer in der Frühe an zu graben und arbeiteten bis gegen Mittag, weil es am Nachmittag zu heiß war. Abends saßen wir am Lagerfeuer und aßen Bratwürstchen oder auch Kartoffelsuppe aus der Dose. Die Arbeit selbst war nicht das Problem. Aber im Alter von 15-16 Jahren verliert man gerne mal den Glauben an etwas, das nicht gleich nach drei Spatenstichen auf der Hand liegt. Und so kam es hier und da auch zu Streitigkeiten. Manchmal glaubten wir, dass alles nur eine Erfindung sei, um uns einen Sommer lang zu beschäftigen. Dennoch machten alle weiter, gepackt von dem Gedanken, dass auch nur ein kleiner Funken Wahrheit daran sei. Wir hatten uns eine Metallstange besorgt, um festsitzende Steine aus dem Dreck zu hebeln. ![]()
Der Ofen stand im linken Gang, vor ihm ein
verkommenes Häufchen Asche und Ruß. Er war etwas verrostet, aber in
einem sonst einwandfreien Zustand. Es war kein Ofenrohr angebracht und
seine Position direkt am Eingang machte mich etwas stutzig, besonders,
weil es hinter dem Ofen weiter ging. Der Stollen erstreckte sich noch
etwa drei Meter und stieg danach steil und sehr eng an. Mühselig musste
man nach oben klettern und erreichte eine Art Raum, der eine Deckenhöhe
von etwa einem Meter und eine Fläche von etwa vier Quadratmetern hatte.
Das Ganze machte jedoch den Eindruck, als sei der Gang
zusammengestürzt, und so bildete der Anstieg den aufgehäuften Schutt
der ehemaligen Decke. Ohne Zweifel musste es so gewesen sein, denn in
diesem „Raum" war ein starker Luftzug, und an seinem Ende war ein
orangengroßes Loch, das nach einer genaueren Ausleuchtung darauf
schließen ließ, dass der Gang sich dort weiter erstrecken musste. Die
Planung, das Loch zu vergrößern, ließen wir nach einigen Überlegungen
aus Sicherheitsgründen fallen. Wir befanden uns zu tief im Berg. Auch
machte uns unser selbst gegrabener Eingang zum Stollen Sorge, da die
Erde an der Grubenwand immer weiter austrocknete und somit nicht mehr Stand hielt. Es rieselte unaufhörlich
Erde in den Eingang. Wir fassten den Ent-schluss, den Ofen als einzigen
Beweis zu bergen und das Loch zuzuschütten. Der Ofen ließ sich in drei
Teile zerlegen und mehr schlecht als recht aus der Tiefe heben. Wir
schafften es letztendlich und setzten uns an den Grubenrand. Wehmütig
starrten wir in die dunkle Öffnung, ungewiss dessen, was sich noch
alles darin verborgen hätte. Dennis stand auf und nahm sich einen Spaten. Wir würden eines Tages noch
mal hierher kommen, beschlossen wir, und dann auch die letzten
Geheimnisse der Grube vor Lohscheid zu lüften. Spatenstich für
Spatenstich schaufelten wir das Loch wieder zu... |