Die Heuernte

Maria Ferdinand, Neroth

Die Hauptnahrung der Tiere war Heu. Dies wurde meist im Juli, damals Heumonat genannt, gemacht und in der Scheune gelagert. Jedoch war man vom Wetter abhängig und begann erst mit dem Schnitt des Grases, wenn ein Hoch in Aussicht war. Denn das Heu bzw. Gras verlor nach jeder Regenschauer an Farbe, Duft und auch an Kraft. Zudem musste es jedes Mal neu verarbeitet werden, was ebenfalls mit großer Mühe verbunden war. Zur Heuernte mussten etliche Vorbereitungen getroffen werden. Die Holzrechen wurden repariert und für einige Tage ins Wasser gestellt, der Kastenwagen zu einem Leiterwagen ummontiert und die Sensen scharf gemacht. Hierzu benötigte man einen Eisenpfahl und einen Hammer. Im Volksmund hieß es damals Klopfgeschirr. Das Eisen wurde in der Erde befestigt und der Bauer klopfte so lange auf den Schnitt der Sense, bis sie ganz dünn war. Dies war damals ein vertrauter Ton im ganzen Ort. Jetzt konnte die Arbeit beginnen. Morgens in aller Frühe zogen die Männer los, denn so lange das Gras nass war, mähte es sich am besten. Auf der Schulter trugen sie ihre Sense und um die Taille, an einem Gürtel befestigt, ein Gefäß mit Wasser gefüllt und einem Schleifstein, das man „Schloterfass“ nannte. Dieses wurde benutzt, um die Sense zwischendurch zu wetzen. Unermüdlich wurde gearbeitet. Währenddessen wurde zu Hause Frühstück vorbereitet. Verpackt in einem Korb und mit einer großen Kanne Kaffee in den Händen zog die Bäuerin dann los ins Feld. Ab und zu gab es Waffeln, was damals etwas Besonderes war. Zeit zum Ruhen hatte die Frau nicht, denn das Gras lag auf Reihen und musste gleichmäßig über die ganze Wiese zerstreut werden. Nun wartete man auf die Sonne. Meinte die es gut, so war die obere Seite an einem Tag trocken.

Den anderen Tag musste das Heu dann gewendet werden. Mit dem Rechen wurde es Schritt für Schritt auf die andere Seite gedreht. Dies war schon eine mühselige Arbeit, zumal es auf den Mittag zu ging und man der prallen Sonne ausgesetzt war. Große Kopftücher verhüllten dann das Gesicht der Frauen, denn damals wurde die Bräune nicht als schön empfunden. Die Männer trugen Strohhüte. Am späten Nachmittag wurde das Heu „ge-haust“. Hierbei wurde es zunächst mit dem Rechen auf Reihen zusammen geschlagen und dann mit der Heugabel auf Hausten getan. Um die Hausten wurde noch sauber gekämmt und nun verspürte man auch schon den schönen Duft des Heus. Am anderen Morgen wurde das Futter wieder auseinander gerüttelt und über die ganze Wiese ausgestreut. Je nach dem wie das Wetter war, musste es allerdings noch einmal gewendet werden. Endlich war es trocken und die Heimfahrt konnte beginnen. Dabei musste die ganze Familie mit anfassen, denn jede Hand wurde gebraucht. Auf der Hinfahrt zur Wiese durften wir uns alle auf den Heuwagen setzen. Besorgt schauten wir oftmals nach oben, ob sich Wolken bildeten, denn oft gab es um diese Zeit heftige Gewitter, das Heu wurde nass und die Arbeit ging von vorne los. Waren wir auf der Arbeitsstätte, wusste jeder was er zu tun hatte. Die Kinder bekamen einen grünen Zweig in die Hände gedrückt und mussten dem Gespann die Fliegen, Bremsen und Mücken vertreiben. Zunächst wurde das Heu wieder auf Reihen gemacht. Der Stärkste tat es bündelweise mit der Heugabel auf den Wagen. Dort wurden sorgfältig je drei Packen aneinander gelegt. Dies wiederholte sich mehrmals, da drei bis vier Schichten übereinander gestapelt wurden. Das Laden war schon eine komplizierte Sache. Denn lud man schief, so kam es vor, dass er auf dem Heimweg umschlug. Hatte man einen Wagen hoch mit Heu geladen, wurde dieses mit einem Wiesenbaum zusammen gehalten. Dieser wurde befestigt, indem man ihn vorne an einem leiterähnlichen Gestell und hinten mit einer Leine zusammen band. Zum Schluss wurde das lose Heu noch abgekämmt und mit Stolz fuhr man dann nach Hause. Das Abladen in der warmen Scheune war eine der schwierigsten Arbeiten. Wer sich davor drücken konnte, der tat es. Die Kinder wurden auch nicht davor verschont, denn die mussten auf dem Boden hin und her laufen, damit das Futter festgetreten wurde. Wollten sie sich mal etwas ruhen, stellten sie sich in eine Ecke. Jedoch kam sofort eine Gabel Heu geflogen und sie liefen schon von alleine weiter. So verlief die Ernte und man freute sich auf die letzte Fuhre. Hier sah man zu, dass man einen besonders schönen Wagen geladen hatte, denn der wurde mit einem großen, grünen Zweig geziert. So konnte jeder im Dorf sehen, dass der Landwirt sein Heu unter Dach und Fach hatte.

Leiterwagen, Neroth 1934

v.l.n.r.: Maria Ferdinand geb. Gehendges, Johann Gehendges, Katharina Jaquemod geb. Gehendges, Matthias Gehendges und Jakob Würtz