Heiratsbrauchtum im Wandel

Peter Weber, Mayen

Bei allen Völkern spielt die Heirat für das Leben von Braut und Bräutigam und deren Verwandtschaft eine große Rolle. Während die Heirat früher einen wirtschaftlich begründeten Rechtsvertrag darstellte, hat sich dies im Laufe der Zeit geändert. Damals hat man nach der Brautwerbung und der Einigung über die Bedingungen, den Preis und den Hochzeitstermin die Vermählung im Kreise beider Sippen vorgenommen. Aus dem 13. Jahrhundert wird berichtet, dass nach der Vermählungszeremonie der Bräutigam der Braut auf den Fuß getreten hat. Das deutet auf Besitzergreifung einer Sache hin und macht den Rechtscharakter der Handlung sichtbar. In dieser Epoche handelte es sich weniger um Neigungsehen, sondern um nüchterne Wirtschaftsverträge zwischen zwei Sippen.

In der agrarischen Gesellschaft heiratete man meistens im Dorf. Dabei ging es darum, innerhalb dieses Raumes besitzgleiche Heiratskandidaten zu finden. Wenn dieses Besitzprestige im Heimatdorf nicht zu befriedigen war, haben reiche Bauern in Nachbardörfern nach einem passenden Ehegatten gesucht. Das galt aber als Ausnahme und die Überschreitung der Norm musste mit Geldstrafen gebüßt werden. Dieses kam im Brauch der Wegsperre zum Ausdruck. Der Freier aus dem Nachbardorf wurde angehalten und man nahm ihm den Hut vom Kopf. Mit einer meistens nicht geringen Geldspende konnte er sich freikaufen. Von den Einheimischen wurde diese dann in Bier oder Branntwein umgesetzt. Im Allgemeinen sagte man: „Heirate nicht über den Mist, dann weißt du, was du kriegst - Wer weiter geht wie Glockenklang, der wird es bereuen ein Leben lang“.

Brautpaar, 1912

Wirtschaftliche Aspekte

In den Städten bestimmten im späten Mittelalter und später die Zünfte das wirtschaftliche Leben. In diesen Produktionsund Verkaufsunternehmen hatten auch die Frauen ihren festen Platz, und die Kinder wuchsen nach und nach lernend in ihre Aufgaben hinein, im bäuerlichen Bereich war die Familie besonders als Produktionsgemeinschaft ausgeprägt. Das Haus war nicht nur Wohnung, es bot auch Schutz denen, die darin wohnten. Bis heute hat sich in diesem Zusammenhang der Rechtsbegriff “Hausfriedensbruch” erhalten. Die Größe des Familienbesitzes bestimmte den Rang im Dorfleben. Von ihm war es abhängig, welchen Umgang man pflegte, wen man heiraten durfte oder sollte. Wie sagte Theodor Storni: „Wo zum Weib du nicht die Tochter wagen würdest zu begehren, halte die zu wert, um gastlich in dem Hause zu verkehren”. Die Kinder lernten durch Zuschauen und Mittun diese Verhaltensweisen und wuchsen so in ihre spätere Rolle im Dorf hinein. Reste solcher Verhaltensweisen haben sich bis in die heutige Zeit erhalten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auf dem Lande die Entwicklung regional sehr unterschiedlich verlief, und zwar entsprechend den Formen, zu denen sich die Landbewirtschaftung entwickelte. Es entstanden Anerbenrecht und Realteilung, wodurch die Familienverhältnisse entscheidend beeinflusst wurden. Wenn nur ein Sohn heiraten durfte, hatten seine Geschwister das Nachsehen. Sie konnten ins Kloster gehen oder als Onkel beziehungsweise Tante auf dem Hof bleiben. Der Hoferbe verpflichtete sich gegenüber den Erblassern zur Bereitstellung des sogenannten Altenteils oder Aushalts. Die Altenteiler hatten freie Wohnung und erhielten den Ertrag von bestimmten Betriebsflächen. Das führte in manchen Fällen zu Schwierigkeiten und Reibereien. Deshalb sagt ein altes Sprichwort: “Man soll sich nicht eher ausziehen (vererben), bis man sich schlafen legt (stirbt)”. Ein Altenteiler, der Probleme mit seiner Schwiegertochter hatte, erhielt von einem Advokaten einen guten Rat, der ihm den Rest seines Lebens zugute kam. Er erhielt einen Zettel, den er auftragsgemäß in seiner Anzugtasche stecken ließ. Und siehe da, nachdem der Anzug von der Schwiegertochter ausgebürstet war und die Schwiegertochter dabei den Zettel entdeckt und gelesen hatte, wurde er vorzüglich behandelt. Es fehlte ihm an nichts mehr. Erst nach dem Tode des Alten erkannte die Schwiegertochter, dass sie ihm auf den Leim gegangen war. Das auf dem Zettel angegebene Guthaben auf der Bank existierte gar nicht. Es gab also nichts zu erben.

Brautpaar, 1906

Hochzeitskleidung

Vor und nach der Jahrhundertwende heiratete die Braut in einem schwarzen Kleid. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde nach und nach das weiße Brautkleid Mode. Sein Vorbild war die höfische Hochzeitskleidung. Zudem galt das weiße Hochzeitskleid als Zeichen der Reinheit und der Jungfräulichkeit der Braut und entsprach damit den Vorschriften der kirchlichen Moral. Der Schleier, seit dem 4. Jahrhundert als Symbol der Reinheit geltend, ist kulturgeschichtlich älter. Verschleierung übernahm die Kirche für Gottesbräute, die jungen Nonnen. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich die Mode, bei der Trau-

ung einen Schleier zu tragen durch und fand bald allgemeine Verbreitung. In den einzelnen Landschaften entwickelten sich eigene Hochzeitstrachten, die verschiedene Zeitstile und spezifische Eigentümlichkeiten vereinigten. Seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts werden auch Hochzeitskleider aus farbigen Stoffen getragen. Der Kopfputz ist ein erst seit 1900 aufkommender Schleierersatz. Er ist die Restform einer alten Brautkrone, wie sie seit dem 6. Jahrhundert belegt ist. Krone und Kranz fanden später Eingang in die Modekleidung der Damen im Mittelalter. Der grüne Myrtenkranz schmückte einst

die Hochzeiter. Später wurde der Rosmarin bei uns zum Liebes- und Hochzeitssymbol. In Kinderreimen und Volksliedern wurde auf diese Bedeutung hingewiesen. Dann wurde der Rosmarin durch die Myrte abgelöst. Das Hemd, das der Bräutigam am Hochzeitstage anzog, wurde von der Braut angefertigt und geschenkt. Es wurde Brauthemd genannt. Besondere Bedeutung hat der Trauring, der erst spät mit dem Christentum und der christlichen Ehe zu uns kam. Man nimmt an, dass er aus römischer Überlieferung stammt und Treuering war. Schließlich wurden der Treuering zum Trauring und ein Zeichen des durch den Priester gesegneten Ehebundes.

Quellen und Literatur

Bringemeier, Martha: Wandel der Mode im Zeitalter der Aufklärung Kulturgeschichtliche Probleme der Kostümkunde. In: Rhein.- westf. Zeitschrift f.Volkskunde 13(1966)8.5-60.
Schmitz, J.H.: Sitten und Sagen des Eifler Volkes. Trier 1856.
Völger, Gisela/Welk, Karin von(Hrsg.) Die Braut. Geliebt, verkauft, getauscht, geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich (Ausstellungskatalog). 2 Bde. Köln 1975.
Weber, Peter: Aus meiner Heimat. Aus der Geschichte eines Eifeldorfes. Wershofen/Eifel 1949 Ders.: Der Strukturwandel des Dorfes im Spiegel des Brauchtums. Antweiler/Ahr 1957.
Weber-Kellermann, Ingeborg: Die deutsche Familie. Versuch einer Sozialgeschichte. 7. Aufl. Frankfurt 1982.
Dies.: Saure Wochen - frohe Feste. Fest und Alltag in der Sprache der Bräuche. München und Luzern 1985.