Die hohe Kunst des Backofenbaus

Backofensteinbrüche im Kreis Daun

Thea Merkelbach, Pelm

An der Bundesstraße 410 von Pelm nach Essingen befindet sich auf der linken Seite am Fuße des Gyppenberges ein Steinbruch, in dem die Firma Invertit aus Düsseldorf vor, während und kurz nach dem Krieg Tuffe abbaute, um aus dem gemahlenen Stein Wasserfilter herzustellen. (Heimatjahrbuch, Daun 2006, S. 227) Dieser Tuff mit dem Fachnamen Palagonit, nach dem Fundort Palagonia auf Sizilien, wurde in kleinen Seen abgelagert. “Dabei hat das basaltische Glas Wasser aufgenommen und bildete sich dabei zu einer hydrati-sierten Glassubstanz um, die als Palagonit bezeichnet wird.“ (F. Hörter: Backofensteine aus der Eifel). Dieser Stein „besitzt in hohem Grade die Bereitschaft zu Ionenaustausch und wird deshalb zur Herstellung von Wasserfiltern verwendet“ (W. Meyer: Geologie der Eifel)
Auf der anderen Straßenseite führt eine kleine Brücke über den Hangelsbach zu einem kleineren Steinbruch. Hier wurde der Palagonittuff für Backöfen abgebaut. „Die Nutzung auch kleinerer Vorkommen von feuerfesten Tuffsteinen darf nicht wundern, denn nur wenige Natursteine widerstehen wiederholten Hitzeeinwirkungen ohne ihre Festigkeit zu verlieren….. Backofensteine sind leicht zu bearbeiten, können große Hitze ertragen, speichern diese Hitze und geben sie als schlechte Wärmeleiter langsam an das Backgut ab“ (F. Hörter: s. o.). Die Gebrüder Josef, Nikolaus und Johann Meyer aus Essingen besaßen diesen Bruch und bauten dort den Palago-nittuff für Backofensteine ab. Schon ihr Vater, Peter Josef Meyer, der gelernter Steinmetz war, hatte dort mit seinem Bruder bereits vor 1900 Backofensteine gebrochen. In den Archivunterlagen der Handwerkskammer Trier finden sich folgende Einträge: Peter, Josef, geb. 1.11.63, Backofenbauer, selbständig seit 1884, gelernt von 1878 bis 1881, in die Handwerksrolle eingetragen am 8.7.1933, Abmeldung des Betriebes 1936.“
Johann Meyer war ebenfalls Steinmetz mit Meisterbrief und sein Bruder gelernter Schmied. Für das Familienunternehmen waren diese beiden Berufe gute Voraussetzungen für ihre vielseitige Arbeit. Über Johann Meyer gibt das Archiv folgende Auskünfte: „ Geburtsdatum: 11.1.98, Backofenbauer, selbständig seit 28.2.46, in die Handwerksrolle eingetragen am 11.6.46, gelöscht am 30.6.50“.
Alfred Meyer, der Sohn von Nikolaus, hat als Kind und Jugendlicher die Arbeit des Vaters und dessen Brüder beobachtet. Er weiß, dass die Blöcke aus der Wand herausgesprengt wurden. Alles

Werkzeug der Backofenbauer, im Besitz von Alfred Meyer, Essingen

Weitere war reine Handarbeit. Die für die Bodenplatte vorgesehenen Steine lagerte man vor Ort in flache Gruben, die mit Wasser gefüllt waren, denn feuchte Steine ließen sich besser bearbeiten. Die Steine für die Wände und das Gewölbe schnitt man ebenfalls noch im Bruch auf die richtigen Maße zu. Dann wurden sie mit Stroh abgesichert, auf Kuh- oder Ochsenkarren zum Pelmer Bahnhof gebracht und dort in einen Waggon umgeladen. Die Meyers hatten Kunden in einem Umkreis von 100 Kilometern. Die Ofenbauer selbst fuhren mit dem Fahrrad zum Auftraggeber, wo sie während der Bauzeit des Ofens von vier bis sechs Wochen bei freier Kost und Logis beim Kunden wohnten. Zuerst errichteten sie den Sockel von etwa drei Meter Durchmesser und setzten dann die zugeschnittenen Steine aufeinander. Sie hatten ein Auge dafür, an welchen Platz jeder Stein hingehörte. Mit der Schmiege (altes Winkelmaß mit verstellbaren Schenkeln) prüften sie die richtige Schrägung der Gewölbesteine und den Anschlag der Türen. Für die Wölbung setzte man eine Lehre aus Holzstäben, die solange nötig war, bis der an beiden Seiten sich verjüngende Mittelstein eingesetzt wurde, der dann alleine das Gewölbe hielt. Zum Dank, dass alles gut verlaufen war, schnitzte der Steinmetz ein Kreuz in diesen Stein, daher der Name Kreuzstein oder Schlussstein. Diese Bauweise kennt man schon von römschen Torgewölben. Wenn der Kreuzstein eingeschlagen wurde, tranken alle Beteiligten so viele Schnäpse wie man Schläge dazu brauchte. Wahrscheinlich war man mit der Anzahl der Schläge großzügig.
So ein Ofen kostete damals, berichtet Alfred Meyer, für die Steine, die Arbeitszeit und den Transport 280 Goldmark, zusätzlich der Kosten für Essen und Unterkunft. Er schätzt die Zahl der von seinen Vorfahren errichteten Öfen auf insgesamt 380 in der Umgebung. Die Größe des Ofens war meist auf 20 Brote und 15 Fladen eingerichtet. Mit der Nachwärme backte man flache Kuchen, z.B. den ‚Birrebunnes’, oder dörrte Rindfleisch.
Im Winter, wenn keine Aufträge ausgeführt werden konnten, flocht die Familie aus langem Kornstroh und Weiden Brotkörbchen, die man den Ofenkunden gleich mitverkaufen konnte. Alfred Meyer durfte als Kind dazu auch seinen Beitrag leisten und die Weiden spleißen. Nach dem Krieg brach man aus dem Palagonitbruch nur noch Steine für Ausbesserungsarbeiten. Steinbacköfen brauchte niemand mehr. Deshalb erlernte Alfred Meyer nicht das Steinmetzhandwerk, sondern arbeitete in der Gerolsteiner Drahtfabrik. Nebenbei half er den Eltern in der Landwirtschaft. Er belieferte viele Gerolsteiner Familien zweimal in der Woche mit frischen Eiern, Butter und Kartoffeln. Allein in den Eisenbahnerhäusern hatte er 40 Kunden. Ein Zentner Kartoffeln brachte damals 16 Mark. Alfred Meyer hat nicht nur die Erinnerung an das Handwerk seiner Vorfahren aufbewahrt, sondern auch das Handwerkszeug der Backofenbauer, z. B. den Zweispitz, die Flecht und weitere Spezialwerkzeuge. Er kann nun mal nichts wegwerfen und hat daher in seiner Scheune alte landwirtschaftliche Kleingeräte aufbewahrt wie: Kartoffelquetsche, Rübenmühle, Garbensichel, Dengelgeschirr und vieles mehr. Der Bruch gehört heute dem Filterwerk Invertit in Düsseldorf. Im Ort Essingen ist bei Familie W. Witsch noch ein Meyer-Backofen in der Scheune erhalten, in dem bis 1971 noch gebacken wurde. Auch bei Wolfgang Bohr in Bewingen befindet sich im Keller ein Original-MeyerBackofen. Er ist noch voll funktionsfähig erhalten. Weitere Palagonitbrüche im Kreis Daun befinden sich in Steffeln, am Burlich bei Be-wingen und am Heldberg bei Neunkirchen. Die Steffelner Kirche steht auf einem Pala-gonitwall. Schon die Römer bauten hier für den Bau ihrer Villen den Tuff ab. Alle genannten Vorkommen werden in der Fachliteratur von W. C. Nose (1790), von Steininger (1819) und von H. von Dechen (1886) bereits beschrieben. Dabei wird die Bedeutung des Tuffsteins als Werkstein für Fenster und Türen und besonders für Backöfen hervorgehoben. Zusätzlich findet sich bei Wilhelm Meyer „Geologie der Eifel“ auf Seite 344 ein Hinweis auf Palagonit im Pelmer Bann:
„Die Tuffe der Baarley überlagern im N Palagonittuffe unbekannter Herkunft.“ Im Distrikt 18 der Pelmer Karte befindet sich der Gemarkungsname ‚Auf der Ofenkaule’. Fragt man ältere Pelmer, dann erinnern sie sich: „Na klar, dat es de Owwekaul“. Aber niemand kann sich erinnern, dass in Pelm jemals Backofensteine abgebaut wurden. Die Karte führt den Spurensucher an die Nordseite der Baarley an den Hang zum Henkersbach. Tatsächlich sind hier mehrere fünf bis sechs Meter hohe Tuffsteinwände. Man erkennt, dass Sie von Menschenhand bearbeitet sind. Erich Marschall weiß von seinem Großvater, dass hier Gewändesteine gebrochen wurden. Dazu schlug man im gewünschten Abstand Löcher von oben in die Wand und füllte diese mit Wasser. Nun musste man nur den Winter abwarten, denn der Frost löste die Steine und sie ließen sich dann leicht von der Wand abtrennen. Im Kriegswinter 1944 diente die ‚Ow-wekaul’ kurzzeitig als Unterstand gegen Tiefflieger und Bomben. Da sie aber dem Dorfe zu nahe lag, zog man weiter nach Reisroth. Im Kreis Daun waren die Tuffsteinvorkommen verhältnismäßig klein im Vergleich zur Mayener Gegend. Das Dorf Bell am Laacher See ist das bekannteste Backofendorf der Eifel. Hier lebten, nicht wie in Essingen drei Familien, sondern fast 50 Familien vom Backofenbau. 80 % der
männlichen Einwohner waren direkt oder indirekt davon abhängig.
Der dort zu findende „Ettringer“ oder „Beller“ Tuff ist ein Selbergittuff, der eine noch höhere Festigkeit als der Palagonit aufweist. Der Selbergit, benannt nach dem Selberg in der Nähe von Rieden, besteht aus einer gelblich-grauen Grundmasse mit sehr vielen feinkörnigen Einschlüssen. „Da der „Ettringer“ Tuff sich in bergfeuchtem Zustand leicht in Platten schneiden lässt, andererseits aber hochgradig feuerfest ist, wurde er früher zum Bau von Backöfen verwendet (Beller Backofenstein)“ (W. Meyer: Geologie der Eifel ). Mit dem riesigen Vorkommen, der Qualität und Schnittfestigkeit konnte der Palagonit nicht konkurrieren.

Maria Pinn aus Steffeln berichtet, dass ihr Vater den aus Steffelner Tuff gebauten Backofen wegen großer Mängel abreißen ließ, um ihn aus Mayener Tuff wieder aufbauen zu lassen.
Die Beller Backofenbauer waren in ganz Europa tätig. Wenn sie wochenlang von daheim weg waren, unterhielten sie sich untereinander in einer Geheimsprache. Sie trennten und sprachen Dialekt von hinten nach vorn. Sie waren die Kabnefochamer (Backofenmacher) aus der Lefei (Eifel). Ähnlich wie die Beller hatten auch die Nerother Mausefallenhändler ihre Geheimsprache, indem sie in der Fremde jenisch redeten. Von den vielen Backofenbauern sind drei Betriebe übrig geblieben, zwei davon bauen Industrieöfen und nur einer stellt noch Steinbacköfen auf traditionelle Weise her. Der Unternehmer Gerd Zepp führt den Traditionsbetrieb in der vierten Generation. Er ist besonders gefragt, wenn im Freilichtmuseum ein Backofen erstellt werden oder wenn in einem restaurierten Bauernhof der alte Backofen wieder zu Ehren kommen soll, d.h. wenn man wieder wie zu Großmutters Zeit mit Holzfeuer leckeres Brot backen will. Mit Schamottsteinen und Selbergittuff werden Öfen ganz nach Wunsch und Geldbeutel mit ebenfalls im Betrieb hergestellten Eisentüren beim Kunden aufgemauert. Das Angebot reicht vom kleinen Pizzaofen über den fahrbaren Steinbackofen und Bausatz für den Eigenbau bis zum ein- und zweitürigen feststehenden Ofen. Der Juniorchef hat die Kunst des Steinofenbauens vom Vater

Gerd Zepp aus Bell, dem Backofendorf

gelernt, der auch im Betrieb noch mitarbeitet. Der Senior erklärt dem Laien, dass die Steine in der Art eines halben Kreuzgewölbes gesetzt werden müssen, um das natürliche Dehnen und Schrumpfen der Steine bei Hitze und Abkühlung auszugleichen. Bei einem Auftrag in größerer Entfernung quartieren sich die Ofenbauer entweder im Hotel oder auf Wunsch, wie in alter Zeit, beim Kunden ein. Dieser Traditionsbetrieb ist der einzige seiner Art in Rheinland-Pfalz. Auch im Kreis Daun wurden von dieser Beller Backofenfirma einige alte Öfen wieder in Stand gesetzt, z.B. in der Burg Lissingen, wo auch heute wieder vom Pächter für seinen Restaurantbetrieb und für alle Interessierten echtes SteinofenBrot gebacken wird. Auf dem Lehrsteinpfad von Maria Laach, zwei Kilometer von Bell entfernt, kann man einen von Zepp Senior im Querschnitt aufgemauerten Steinbackofen bewundern.
Hier bekommt der Laie Einblick in den Ofenbau und dieses Modell lässt ihn erahnen, mit welchem Können und Wissen dieses alte Handwerk ausgeführt wurde.

Quellen:
Wilhelm Meyer: „Geologie der Eifel“, 1986
Fridolin Hörter: „Backofensteine aus der Eifel“, Eifeljahrbuch 1993
Fridolin Hörter: Steffelner Tuffe - schon die Römer haben sie verwen-det“,
Heimatjahrbuch des Kreises Daun

Archivunterlagen der Handwerkskammer Trier, ‚aufgestöbert’ von Gerhard Hilsamer, stellv. Geschäftsführer