Das Eifeldorf im Wandel

Gisela Bender, Deudesfeld

Nach langer Zeit entschlossen wir uns an einem Samstagabend zur Einkehr in die Dorfgaststätte. In erster Linie, weil vor der Gaststätte einige bekannte Autos standen, und wir so sicher sein konnten, Gesprächspartner dort anzutreffen. Ansonsten gehört die Gastwirtschaft an den Wochenenden der Jugend, nicht nur aus unserem Dorf, sondern auch von den Nachbardörfern.
Uns, den Müttern und Vätern dieser Jugend, sind die Kommunikationsmöglichkeiten im Dorf fast alle abhanden gekommen. In die Kirche, wo man sich früher nach dem Gottesdienst traf, gehen nur noch wenige, und meistens sind es auch immer dieselben. Die Schusterwerkstatt oder die Dorfschmiede sind als Begegnungsstätte verschwunden. In der Schmiede verbrachten die Männer im Winter viele Stunden. Unzählige Pfeifen wurden mit einem Glutstückchen am Schmiedefeuer angezündet. Es wurde erzählt und erzählt und so manche Begebenheiten aus der Vergangenheit wach gehalten. Was aber noch viel wichtiger war, man konnte jeden Tag sehen, dass es den anderen Familien nicht anders erging, als einem selbst. Alles ist anders geworden. Die Poststelle wird heute nicht mehr von Maria oder Hanni versehen, sondern rationell von irgendwo zentral mit erledigt. Vieles ist aus dem Dorfbild verschwunden. Kein Hahn kräht, kein Huhn gackert mehr auf einem Misthaufen im Dorf. Weder Kuh noch Kalb sind noch im Dorf zu finden. Das traditionelle Eifelbäuerlein ist gänzlich aus dem dörflichen Lebenszyklus verschwunden. Mit ihm endete auch die Zeit der Selbstversorgung.
Jedenfalls fanden wir an jenem Samstagabend die gewünschten Gesprächspartner. Es tat uns gut, unbegrenzt über Gott und die Welt zu reden. Während unseren Gesprächen konnten wir noch nebenbei die Geschehensabläufe in dem Gastraum verfolgen. Mir fiel dabei auf, dass einige der anwesenden jungen Männer mit den beiden Serviererinnen flirteten. Beide waren Osteuropäerinnen und keineswegs schüchtern. Ganz offensichtlich wurden hier zarte Bande geknüpft. Das erstaunlichste daran war, dass dies funktionierte, ohne dass die eigene Muttersprache ausgeschaltet werden musste. Wie einfach Völkerverständigung doch machbar ist, dachte ich an jenem Abend. Während zu Hause in den Heimatländern dieser jungen Frauen sich gerade Expertenkommissionen und Sachverständigenräte um das gleiche Ergebnis bemühen, ist unsere alte bäuerliche Kultur im Begriff auszusterben. Es entsteht eine neue multikulturelle Welt. Friedliche, ja freundschaftliche Co-Existenz zwischen den Menschen hier und dort. Dass dies ohne Aufhebens möglich ist, haben wir an jenem Abend sehen können. Eine zukunftsbestimmende Entwicklung auch für den ländlichen Raum, da bin ich mir sicher.