Prosit Königsbacher

oder der Hase und der Flori

Florian Schulten, Gerolstein-Lissingen

In den Jahren 1926/27 baute mein Großvater, der aus Oos stammende Hilarius Hoffmann, in Berndorf ein großes Haus, in dem er eine Gaststätte mit vier Fremdenzimmern, ein Kolonialwarengeschäft und später noch die örtliche Poststelle eröffnete. Dieses Familienunternehmen wurde geführt von meinen Großeltern, dann von meiner Mutter und zuletzt von meinem Bruder Paul und seiner Frau Martha. In der Gastwirtschaft wurde hauptsächlich Königsbacher Bier verkauft. Lieferant war Witwe Nikolaus Schreiner aus Daun. Die Blütezeit unserer Gaststätte war zweifelsohne die zu Ende gehenden 1950-er und 60-er Jahre. 1960 erreichte die 1. Fußballmannschaft des im Jahre 1949 gegründeten TuS Berndorf den Aufstieg in die A-Klasse des Kreises Daun. In dieser Klasse stellte Berndorf eine starke Truppe und war ständig auf einem vorderen Tabellenplatz zu finden. Mein Bruder Paul war damals Torwart in dieser Mannschaft. Doch dann wurde Paul zu einer Panzereinheit der Bundeswehr in Koblenz eingezogen. Jetzt war guter Rat teuer, da wir Paul unbedingt benötigten, er aber am Sonntag Koblenz über die Stadtgrenze hinaus nicht verlassen durfte. Hier hatten wir uns eine List einfallen lassen. Nach dem sonntäglichen Hochamt fuhr ich mit unserem ersten VW nach Koblenz, holte den am Bahnhof wartenden Paul ab und wir düsten nach Berndorf zurück, gegebenenfalls auch direkt zu dem auswärtigen Sportplatz, wenn die Zeit knapp wurde, wo er dann im Tor stand.
Nach dem Spiel wurde meistens gut gefeiert. Besonders nach Heimspielen war unsere Wirtschaft übervoll und das Bier wurde oft nur noch kistenweise bestellt. Paul musste aber um 22 Uhr wieder in der Kaserne sein, also wurde die Koblenztour am Abend noch einmal gemacht. Nun war ich mal wieder am Sonntagabend mit Paul und meiner Verlobten und heutigen Frau Hanna unterwegs nach Koblenz. Damals fuhr ich die Strecke über Kelberg-Mayen-Ochtendung, da es die Autobahn nach Koblenz noch nicht gab. Plötzlich, o Schreck, ein Selbstmordkandidat in Form eines Hasens auf der Fahrbahn. Er hat es nicht überlebt, schade! Als ich ausstieg und mir den Hasen besah, war mein erster Gedanke: „Einen Hasenbraten, den nimmst du mit.“ Ich war der Meinung, der muss ja erst noch ausbluten und dazu musste ich ihm den Hals aufschneiden. Aber womit? Hanna hatte in ihrer Handtasche eine Nagelschere und damit machte ich mich ans Werk, was aber recht aussichtslos war. Dass ein Hase nicht bluten muss, wusste ich damals noch nicht, dieses hat man mir erst später gesagt. Als ich mich nun mit dem Scherchen abmühte, fuhren in der Dunkelheit mehrere Autos vorbei. Einige boten ihre Hilfe
an.
Da dachte ich: „Den Hasen kannst du nicht mitnehmen, das haben zu viele Leute gesehen und irgendjemand zeigt dich an.“ Hanna bestätigte mich sofort in dieser Meinung, da sie von meinem Vorhaben überhaupt nicht angetan war. Also die Leiche unter die Haube und weiter, für Paul drängte die Zeit. Nachdem mein Bruder das Kasernentor passiert hatte, fuhr ich mit Hanna wieder Richtung Eifel. Ausgangs Koblenz war eine motorisierte Polizeiwache stationiert. Dort habe ich den Hasen abgegeben und erklärt, ich hätte ihn in der Gegend Ochtendung-Rübenach überfahren und die Herren möchten ihn bitte dem zuständigen Jagdpächter aushändigen. Die Beamten fanden mein Verhalten sehr edel und waidgerecht, jawohl! Nachdem ich meine Personalien hinterlassen hatte, konnten wir jetzt endgültig die Heimfahrt antreten. Am Montag früh wurde ich
von eben dieser Polizeistation auf meiner Arbeitsstelle in Walsdorf angerufen. Man sagte mir, dass es ein Hase aus dem Jagdrevier des Direktors Knötgen-Simonis von der Königsbacher Brauerei in Koblenz sei. Etwa eine Stunde später rief besagter Direktor selbst an, bedankte sich und war des Lobes voll über mein Verhalten. Nun sprang der Funke über ,Königsbacher’? Dieses Bier verkauften wir doch schon seit Ende der Zwanziger und das nicht wenig. Das musste ich unbedingt dem Direktor erzählen. Der war ganz begeistert, und versprach mir eine Belohnung zukommen zu lassen. Woche um Woche verging, nichts geschah. Es war zu der Zeit üblich, dass der Inhaber unseres Bierlieferanten, Hans Schreiner aus Daun, sporadisch seine Kunden aufsuchte um eine Schnapsbestellung zu erhalten. Er spendierte dann ein paar Schnäpse, nippte selbst kurz an einem „Wacholder“

und erhielt dann einen Lieferauftrag. Bei dieser Gelegenheit habe ich Hans das Erlebnis mit Knötgen-Simonis erzählt. „Jo, wors dou dat?“ sagte Hans. Er wusste von dieser Begebenheit, aber der Direktor konnte sich nicht an meinen Namen erinnern, wohl aber, dass es jemand aus Schreiners Kundschaft war. Das Bierauto lieferte immer mittwochs und dann waren für mich zwei Kisten Königsbacher dabei, die ich meinem Opa verkauft habe. Nun hatte ich zwanzig Mark und konnte mit meiner Hanna zum Kirmestanz gehen. Als wir 1962 heirateten spendierte die Königsbacher Brauerei ein 50-Liter-Fass Bier für uns und unsere Gäste. Nobel, nobel Herr Direktor Knötgen-Simonis. Danke, danke!
Im Laufe der Jahre kam dann in unserer Gegend als Konkurrenz zu Königsbacher das Bitburger Bier mächtig auf, das sich nach und nach durchsetzte.
Im letzten Sommer sah ich in Birresborn beim Trödler fünf neue Königsbacher Biergläser. Wieder sprang der Funke über. „Das ist etwas für meinen Bruder Paul, der seinerzeit sehr viel von diesem köstlichen Nass verzapft hat. Die Gläser schenke ich ihm zum Geburtstag. Aber was macht man mit fünf leeren Gläsern?
Ja, da schenke ich ihm noch eine Kiste Königsbacher Pils dazu.“ Gesagt - getan! In zwei Getränkemärkten wurde ich nicht fündig, aber im Dritten wurde tatsächlich Königsbacher angeboten. Dieses gehört dort, trotz Bitburger, zum ständigen Sortiment, wie man mir bestätigte. Paul hat sich sehr gefreut, und wir haben zu seinem 65. Geburtstag einige Flaschen davon auf sein Wohl geleert. Lecker war’s. Seitdem habe ich auch wieder eine Kiste Königsbacher im Keller. Prosit Königsbacher!