Der Panne-Bender

Thea Merkelbach, Pelm

Nach dem Krieg wohnte in der Kirchweiler Straße Nr. 17 in Pelm Herr Karl Bender, genannt Panne-Bender, mit seiner Frau. Sein Büro lag am Anfang der Kirchweiler Straße Nr.6 im Hause Stump. Bender kam aus der Mayener Gegend, wo seine Eltern einen Steinbruch besaßen. Nach dem zweiten Weltkrieg benötigte man viele Dachpfannen, um beschädigte oder zerstörte Wohnhäuser und Scheunen neu zu decken. Auf manche Art und Weise wurden in der Not Dachpfannen hergestellt.
Mit vier Männern aus Pelm und einem Vorarbeiter aus Rockeskyll gründete PanneBender eine kleine Dachpfannenfabrik am Rockeskyller Kopf. Dort standen große Silos mit Material, das man vorher für den Westwall und auch für Bahnschotter gebrochen hatte. Oswald Willars erinnert sich noch genau an den Betrieb. Von 1947 bis 1949 arbeitete er mit Germann Pint, Willi Sonntag und de la Motte beim Pannebender. Zu Fuß ging es morgens aus dem Dorf raus, über die Bahn, den Wald hoch zum Rockeskyller Kopf. Ein junger Pelmer arbeitete dort zeitweise ohne Lohn. Dafür erhielt er Dachpfannen, damit sein Vater das vom Krieg zerstörte Dach wieder decken konnte. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, Holz von bestimmter Länge zu sägen, damit Knötgen mit seinem Holzvergaser Ladungen fahren konnte. Die Pfannen wurden folgendermaßen hergestellt: Feingemahlener Basaltsplit und Basaltstaub wurden gesiebt und mit Zement aus den vier Zementmaschinen gemischt. Mit der Kelle schmissen die Männer die Zement-Basaltmischung in die Formen, die vorher gut eingeölt waren. Mit einem Schieber zog man die Masse schön glatt. Dann kam schwarze Farbe darüber, und es wurde noch einmal geglättet. Mit dem Fußhebel hob man die Form mit je zwei Pfannen heraus. Wenn alles gut geölt war, ließen sich die Pfannen nach einer kurzen Trockenzeit lösen und wurden anschließend in Holzregale geschichtet, wo sie fünf bis sechs Wochen nachtrockneten. Mehrere 100 Pfannen schafften die Arbeiter pro Tag. Zum Arbeitslohn durften sie sich pro Stunde eine Pfanne für den eigenen Gebrauch zurücklegen. Jeder sammelte seine Pfannen, und wenn ein Kunde aus der Umgebung mit dem Ochsenkarren kam, legten alle ihre Pfannen zusammen. Dafür erhielten sie zum Tausch dringend benötigte Lebensmittel wie Mehl, Eier, Butter, Speck usw. Und Panne-Bender meinte dazu nur: „Die Banausen, machen mir mein Geschäft kaputt“. Freitags zahlte er normalerweise vor Ort seine Leute aus.
Wenn er aber nicht mit den Lohntüten erschien, war klar, dass er in einer Wirtschaft hängen geblieben war. Bei den Schwestern Weis „Zum Schloßbrunnen“ war er häufiger Gast, wie Lena Weis berichtet. Die vier Männer wussten sich zu helfen und gingen ins Bender-Büro, wo Maria Müller, genannt Jaaßen Marie, alle Büroarbeiten erledigte. Sie zahlte dann den Lohn aus. „Ja, so war das“, bestätigt die 82-jährige Maria Müller, die heute in Trier lebt. „Die Frau Bender war sehr fleißig, sie versuchte, das Geschäft in Gang zu halten“. Frau Bender kam eines Tages zum Metzger, so berichtet ein Pelmer, um zwei völlig gleiche Schnitzel zu kaufen. Auf den verwunderten Blick der Metzgersfrau hin gab sie folgende Erklärung: „Mein Mann reicht mir zuerst die Schnitzel und ich nehme immer das kleinste. Das bin ich jetzt leid“! Schorsch Pint bestätigt: „Ja, der Panne-Bender trank gerne einen über den Durst. Dazu war der auch noch nachtblind. Er brauchte eine halbe Stunde, um zu Fuß unten von Rascop bis zu seinem Haus zu kommen; sein Rad ließ er gleich bei der Wirtschaft ste-hen.“ „Ja der Bender kannte sich in der Eifel gut aus, besonders in den Kneipen“, erzählt ein anderer Zeitzeuge. Die Zement-Basaltpfannen waren sehr schwer. Wenn nicht genug Zement beigemischt wurde, waren sie auch leicht brüchig. Zudem waren die Straßen holprig und man hatte keine Möglichkeit, die Ladung gut zu verpacken. Es gab weder Paletten noch Folie, sondern nur Stroh. So kamen nicht immer alle Pfannen heil am Bestimmungsort an. Als die Ziegelfabriken ihre Arbeit wieder aufnahmen, wurde die Konkurrenz zu groß. Panne-Bender gab seinen kleinen Betrieb 1949 auf. Vorher hatte er noch das Glück, seine restlichen Bestände nach Prüm zu verkaufen. Dort war nach dem großen Explosionsunglück des französischen Munitionsbunkers ein großer Bedarf an Dachpfannen. Günter Knötgen erzählt, dass er viele Fuhren mit dem Holzvergaser für Panne-Bender nach Prüm gemacht hat. Bei der Entfernung waren manche Pfannen bei der Ankunft nur noch Bruch. In Pelm und umliegenden Dörfern gibt es noch einige Schuppen oder Nebengebäude, die mit Zement-BasaltPfannen gedeckt sind. Da muss die Mischung von Zement und Basalt optimal gestimmt haben, dass sie bis heute hielten. Das war nicht immer der Fall. Dabei waren die dicken, gewellten Pfannen von besserer Qualität als die dünneren Platten. Bei Wolfgang Bohr in Bewingen liegen heute noch die rautenförmigen flachen Bender-Pfannnen auf dem Scheunendach. Gustav Winter berichtet: „Ich kannte Herrn Karl Bender persönlich gut. So manches Gläschen wurde zusammen getrunken. Insbesondere, wenn wir bei Wilhelm Schmittem, Rockeskyller Sprudel, in der Wohnung zusammensaßen. Er war ein geselliger Typ, mit dem wir viel Spaß hatten. Seine kleine Pfannenfabrik firmierte unter dem Namen ‚J. Jos. Bender oHG’. Die Zementpfannen waren durchweg stabil und wetterfest. Sie hatten nur einen Nachteil, sie waren sehr schwer. Mein Schwiegervater Fritz Neuerburg hat in den Jahren 1948 - 1950 sein Wohnhaus in Rockeskyll, am Kalkofen 8, gebaut und mit Bender-Pfannen eingedeckt.“ Als ein Sturm einen Teil der Pfannen zerstörte, bekam das Dach eine neue Bedeckung und die Bender-Pfannen wurden beim Schwiegersohn in Daun für seinen Neubau verwandt. „Auch hier haben diese Pfannen noch gehalten bis zu unserer Gebäudeerweiterung 1972, also 22 Jahre.“ Gustav Winter weiß, dass auch in Daun in der Maria-Hilf-Straße, unweit der heutigen Tennisplätze, seit Anfang der 1930er-Jahre Hermann Groß und seine beiden Söhne Franz und Adam eine kleine Zementpfannenfabrik betrieben. „Als im letzten Weltkrieg die ersten Bomben fielen und ausgerechnet in die Nähe dieses Minibetriebes, sagte Hermann Groß: ’Do kinnt ihr et siehn, se honn et op die Dauner Industrie oafjesehn, op oos Fabrek!’ Auch hier wurde die Produktion von Zementpfannen um 1950 eingestellt,“ so Gustav Winter. Im Jahrbuch 1997 schreibt Klaus Linden von einem ähnlichen Dachpfannenbetrieb in Niederbettingen. Dort hatte Sebastian Weber, der ‘Pannenbast’ genannt, schon vor dem 1. Weltkrieg einen ähnlichen Betrieb, der nach dem 2. Weltkrieg von Heinrich Jakobs weitergeführt wurde. In Lissendorf (Meyer-Heuser) und Bolsdorf sollen auch kleine Zementpfannen-Fabriken gestanden haben. Lorenz Brück weiß, dass in Birresborn ebenfalls Zementpfannen hergestellt wurden. In der Nähe des Raiffeisenlagers standen die Baracken des Herrn Schmidt, des ‚Pan-nemännchen’, wie man ihn nannte. Hier wurde etwa bis 1950 produziert. Auch in Esch gab es nach dem Krieg die Pfannenfabrik des Herrn Kiefer aus Düsseldorf. Zuerst produzierte er in einer Holzbaracke ohne Strom und Wasser. Trotz tiefer Bohrungen war kein Wasser zu finden. Man wusste sich zu helfen, indem mit Tankwagen Wasser herbeitransportiert wurde. Dann baute Kiefer Anfang der 1950er- Jahre eine 15 mal 30 Meter große Halle, leitete das Regenwasser für den Betrieb in große Fässer und schaffte einen Dieselmotor an. Immerhin waren hier fast 50 Männer der umliegenden Dörfer beschäftigt. Die kamen entweder zu Fuß oder mit alten Rädern zur Arbeit.
Das Ausgangsmaterial war nicht, wie in den oben beschriebenen Betrieben Basaltsplit, sondern so genannter Emser Quarz. Von diesem Quarzsand mischte man 4 Teile mit 1 Teil Zement für Ziegel und 7 Teile Quarzsand mit 1 Teil Zement für Hohlblocksteine. Die Pfannen wurden mit roter Farbe gestrichen, um sie regenfest zu machen. Willi Krings erinnert sich, dass die Formen für die Dachpfannen in der DEMAG in Jünkerath angefertigt wurden. Es waren „Schöttelspannen“ mit gewölbter Oberfläche und „Bieberschwänze“, flach und an Bieberschwänze erinnernd. Liesel und Hubert Keller vom Reinertshof in Esch können noch von dem Betrieb berichten: „Mit einem alten Milchwagen fuhr der Benno den Zement von Ahütte zur Pfannenfabrik. Die Hohlblöcke kosteten 10 Pfennig das Stück und die Ziegel 4 Pfennig. Der Vorarbeiter Peter Mies wohnte mit der ganzen Familie in der Fabrik, auch noch in den 60er -Jahren, als der Betrieb eingestellt wurde.
Alle diese Dachpfannen-Betriebe konnten sich nicht lange halten. Die Zementpfannen waren zu schwer und leicht brüchig; die Escher Pfannen aus Quarzsand hielten auch nur eine Zeit lang, denn der im Sand enthaltene Salpeter zersetzte die Pfannen mit der Zeit. So wissen nur noch die älteren Einwohner des Kreises Daun vom „Pannebender“, „Pannebast“ und „Pannemännchen“ zu erzählen.

Quellen:
Heimatjahrbuch Kreis Daun 1997 Mündl. Berichte von Zeitzeugen