Der Juddekirchhof -
ein Geschichtsdenkmal

Heribert Albring, Gerolstein

„Juddekirchhof“ ist kein Druckfehler! Die fälchlicherweise mit einem „d“ geschriebene Schreibweise ist durch eine mit der Preußenzeit einsetzende allgemeine „Verhochdeutschung“ entstanden. Die fremd hierhin gekommenen Beamten verstanden oft nicht die Bedeutung alter Namen und Begriffe und übersetzten diese häufig widersinnig ins Hochdeutsche. Woher stammt dieser Begriff? Im Mittelalter wurde alles nichtchristliche „jiddisch“ genannt. Das ist nach Ansicht der Archäologen die wahrscheinlichste Erklärung für die Herkunft dieses Namens. Die weniger wahrscheinliche Ableitung wäre von der Bezeichnung „die Gode“, für die Matronengöttin aus keltischer Zeit. Bis in die heutige Zeit wird die Patentante in Westfalen die Gode und hier in der Eifel mundartlich „d' Jot“ so genannt. Mit Juden oder Kirchhof (= Friedhof) hat unser Juddekirchhof nichts zu tun.
Auf Pelmer Gemarkung gelegen, nahe der Grenze zu Gerolstein, war es bei der ersten Forschungsgrabung im Jahr 1833 ein für die Archäologie seltener Glücksfall, dass man im Bereich des Juddekirchhofs die Stiftungsurkunde, eine Steintafel mit Inschrift aus dem Jahr 124 n. Chr. fand. Der Text auf dieser Tafel lautet, mit in Klammern gesetzten Ergänzungen zu den Abkürzungen („V“ steht auch für „U“):
CAIVA DEAE AEDEM OMNI SVA IMPENSA DONAVIT M(arcus) VICTORIUS POL-LENTIN(us) ET OB PERPETUAM (ante diemterti-um) NON(as) OCT(obres) GLABRIONE ET TORQUATO CO(n) S(ulibus) V(otum) S(olvit) L(ibens) M(erito)
Die Übersetzung lautet:
„Der Göttin Caiva hat einen Tempel ganz auf seine Kosten Marcus Victorius Pollentinus geschenkt und zur ständigen Unterhaltung des Gebäudes 100.000 Sesterzen gestiftet am dritten Tag vor den Nonen des Oktobers unter dem Konsulat von Glabrio und Torqua-tus und damit sein Gelöbnis gern und nach Erfüllung eingelöst“
Wahrscheinlich war der Marcus Victorius Pollentinus ein romanisierter Kelte. Eine Kopie dieser Tafel ist am restaurierten Fundament des Tempels angebracht. „ ... am dritten Tag vor den Nonen des Oktobers unter dem Konsulat von Glabrio und Torquatus....“ ist eine genau datierbare Zeitangabe; es war der 05.10.124 n.Chr. Einhunderttausend Sesterzen sind in heutiger Währung etwa über dreihunderttausend Euro. Zu dieser Göttinnen-Verehrung muss man wissen, dass bei Kelten und Germanen die Gleichwertigkeit der Geschlechter bestand. So gab es bei den Kelten auch Fürstinnen und zahlreiche Göttinnen. Diese waren durchweg von lokaler Bedeutung und wurden in jeweils verschiedenen Anliegen unter vielfältigen Namen verehrt und angerufen. So wurden z.B. zwischen Zingsheim und Bonn die drei Matronengöttinnen verehrt, die dann als drei heilige Jungfrauen unter den Namen Einbede, Wilbede und Warbede, später im Mittelalter als die drei heiligen Jungfrauen Fides, Spes und Caritas, nahtlos ins Christentum übernommen wurden. Diese wurden immer in der gleichen Art dargestellt als zwei ältere Frauen in der Tracht der Ubischen Landfrauen mit einer ballonartigen Haube und einer jüngeren ohne Kopfbedeckung. Eine Abbildung von einer der Zahlreich im Bereich des Juddekirchhof gefundenen Votivgaben, durchweg etwa 10 Zentimeter große Tonfiguren, zeigt eine Frau in dieser Tracht der Ubischen Landfrauen mit der ballonartigen Haube. Die Ubier waren im ersten Jahrhundert mitEinverständnis der Römer, auf das linke Rheinufer übergesiedelt und vermischten sich in der Eifel mit den Resten der keltischen Eburonen, die das Gebiet von der Ahr bis Maastricht bewohnten. Die heiligen Opferstätten der Kelten und Germanen waren durchweg auf beherrschenden Anhöhen. Dort war das „Mal“, das Zeichen. Dort war man den Göttern nahe. Daher stammen die Ortsnamen Ma(h)lberg. Die Kelten bauten bereits Umgangstempel in Holz- und Fachwerkbauweise. Erst in römischer Zeit wurden an diesen Opferstätten Steingebäude errichtet, deren Reste uns heute an verschiedenen Orten in der Eifel erhalten geblieben sind. Im Bereich des Juddekirchhof fand man Pfostenlöcher aus vorrömischer Zeit; erkennbar am Humus vom verrotteten Holz. Wahrscheinlich war hier schon vor Errichtung des Steingebäudes eine Opferstätte. Die Römer pflegten eine ausgeprägte religiöse Götterverehrung. Sie beließen nicht nur der einheimischen Bevölkerung ihre zumeist regionalen Götter, sondern übernahmen oft selbst deren Verehrung. Voraussetzung war für die Römer, dass der Kaiser als Gott, sowie Jupiter und Merkur als Obergötter anerkannt wurden. Für die unterworfenen Völker waren das keine Schwierigkeiten; jedoch für das Christentum später eine Grundsatzfrage. Eine solche Göttin von lokaler Bedeutung war auch diese CAIVA, von der kein sicher nachweisbares Bildnis, sondern nur der Name bekannt ist. Der ca. 66 x 36 m große heilige Bezirk (temenos) war von einer wahrscheinlich 0,80 m hohen Mauer umgeben und gegen den profanen Bereich abgegrenzt. Mittelpunkt dieses Bezirks war der fast quadratische kleine Tempel, um den herum ein überdachter Umgang war. Das Dach des Umgangs wurde von Säulen getragen, die auf dessen äußeren Umfassungsmauer standen. Es war ein Tempeltyp der in Gallien und Britannien verbreitet war (Abb. 1). Die Außenabmessungen des Umgangs sind 10 x 11 Meter; die des Tempelchens betragen 5,4 x 6,2 Meter, beide mit 0,5 Meter dicken Mauern. Innerhalb des Bezirks konnten sechs Gebäude nachgewiesen werden, die vom ersten bis vierten Jahrhundert teils durch Abriss und Überbauung entstanden waren. Durch die Überschneidungen der Fundamente konnten diese nicht alle bei der Restaurierung sichtbar hergestellt werden. Es wurde auch ein kleinerer Herkulestempel nachgewiesen. Der Grabungsbericht von der ersten Forschungsgrabung 1833 existiert nicht mehr. Es gibt jedoch den sehr guten Bericht des bei einer Ferienreise seinerzeit hierhin gekommenen Gymnasiallehrers Dr. Druckenmüller. Dieser berichtet u.a. von dem Fund des Torso einer Herkulesstatue nebst einem Oberschenkel und einem Oberarm, sowie Teile von Säulen; alles aus rotem Sandstein. Es wurde bei späterer Grabung auch ein Teilstück seiner Keule gefunden. Es gab noch einen dritten kleineren Tempel, dessen Bedeutung unklar blieb. 1926/27 erfolgte eine weitere Teilausgrabung der Anlage, die jedoch nicht voll vermessen und gesichert wurde.
In der Folgezeit wurden durch die vielen Funde kleiner Tonfiguren und Münzen Raubgräber angelockt, die auch Touristen mit Fundstücken versorgten; soweit diese nicht selbst dort „tätig“ wurden. Die Münzen und die meist etwa 10 cm großen Tonfiguren, waren Weihegaben an die Göttin und auch andere dort verehrte Götter. Der große Reichtum dieser Opfergaben bezeugt, dass über einen Zeitraum von 124 bis um das Jahr 400, ein sehr lebendiger Kultbetrieb herrschte. Üblich waren an solchen Orten regelmäßige religiöse Feierlichkeiten. Dazu gehörte vielfach an solchen Stätten ein kleines Theater für Mysterienspiele. Außerhalb des jetzt restaurierten Areals befinden sich wahrscheinlich die Reste eines solchen Theaters, sowie Fundamente von Priesterwohnungen, Pilgerherbergen und Läden für Devotionalien. Dieses unmittelbare Umfeld muss noch erforscht werden. Für Raubgräber ist dies jedoch jetzt völlig uninteressant einmal, weil in der Vergangenheit dort intensiv gesucht und gegraben wurde, andererseits war der Tempelbezirk die wesentliche Fundstelle von figürlichen Opfergaben und Münzen. Wegen den fortdauernden Zerstörungen durch die Raubgräber erfolgte 1952 auf
Wunsch von Dr. Batti Dohm durch FAR Schwind eine Waldanpflanzung.
Dr. B. Dohm bezeichnete mit Kalk den Verlauf der alten Mauerreste. In den Freiräumen dazwischen erfolgte die Anpflanzung. Durch die Unterschutzstellung als Schonung wurden die wilden Grabungen allmählich unterbunden, bis die Anpflanzung herangewachsen war und die Raubgräber nun im Schutz dieses Waldes arbeiten konnten. U.a. wurde jetzt mit modernen Metalldetektoren nach Münzen gesucht. Das Gelände wurde mehr und mehr eine Mondlandschaft. So war die Situation, als 1985 auf Betreiben des damaligen Vorsitzenden Forstdirektor Sprute der Eifelverein Gerolstein hier aktiv wurde.

1985 wurde der Tempelbezirk durch den Eifelverein eingezäunt. Freiwillige Helfer des Vereins begannen mit Erlaubnis und Betreuung durch das Landesmuseum Trier mit der Ausgrabung, Freilegung und Restaurierung der Grundmauern der ehemaligen Bauwerke (Abb. 2). Infolge der Ausgrabungen von 1833, 1854 und 1926 bis 1929 durch das Landesmuseum Trier sowie den intensiven Grabungen von „Altertumsfreunden“, wurden jetzt keine besonderen Münzfunde mehr erwartet. Dem entgegen wurden noch 234 Münzfunde registriert, von Kaiser Augustus, Prägejahr 15 v.Chr., bis Honorius, 393 n. Chr. Des Weiteren wurden keltische und römische Gewandfibeln, ein Fingerring und vereinzelt steinzeitliches Gerät gefunden. Nahe dem Juddekirchhof wurde in neuerer Zeit eine jungsteinzeitliche Siedlung nachgewiesen. Ein noch ungelöstes Rätsel ist die Wasserversorgung für die Priester, Händler, Arbeiter und die vielen Pilger. Entgegen manchen Annahmen kann die ca. 120 m tiefer im Kylltal liegende Quelle des Heddeborn nicht dafür in Frage kommen, einmal wegen dem Transport bei diesem Höhenunterschied, aber vor allem, weil es keinen gangbaren direkten Zugang vom Juddekirchhof zu dieser Quelle gibt. Mit Sicherheit wäre dieser angelegt worden und heute noch nachweisbar. Zwar berichtet Gottfried Keul in seinem Artikel „Ein Negerdorf in der Eifel“, von einem Bericht von Peter Böffgen † aus Gerolstein, „ ....dass vom Judenkirchhof bis in die Nähe der Quelle (gemeint ist der Heddeborn) ein mannshoher, gewölbter Kanal führte. An einer Stelle, die eingebrochen war, ist er selbst (Peter Böff-gen) hineingeklettert.“ Eine Rücksprache mit dem zuständigen Archäologen Dr. Löhr, vom Rheinischen Landesmuseum in Trier, der über derartige Meldungen schon früher informiert war, ergab die übereinstimmende Ansicht, dass es sich nur um eine Doline handeln konnte; wie sie noch in den 1980er-Jahren im Freigehege bei der Kasselburg eingebrochen ist. (Eine Doline entsteht, wenn über einem meist durch Wasser entstandenen Hohlraum im Karstgestein, die darüber befindliche Decke einstürzt.)
Wahrscheinlich wurde in Zisternen das Niederschlagwasser gesammelt. Durch die riesigen Wälder in Mitteleuropa waren die Regenmengen sehr viel höher als heute. Den ersten großen Angriff der Germanen gegen die römischen Besetzer - für die Germanen waren die Römer Eroberer und Besetzer - in den Jahren 275/76, überstand die Tempelanlage. Bei dem zweiten Großangriff um das Jahr 400 wurde die Anlage zerstört. Alles war bedeckt von einer Schicht aus Scherben und schwarzem Brandschutt. So fanden es die Ausgräberdes Landesmuseums und des Eifelvereins.
Bei den Grabungsarbeiten von 1985 bis 1990 gab es manchen Helfer. Paul Schwartz half mit Material, stellte Container und eine Walze bereit. Walter Neuendorf half mit Bausteinen. Klaus Ewertz organisierte eine Betonmischmaschine. Der Ge-rolsteiner Sprudel sorgte während der Ausgrabungszeit für die ständige Trinkwasserversorgung. Die Rentner und Helfer des Eifelvereins leisteten in den fünf Jahren der Ausgrabungszeit 6.257 unentgeltliche Arbeitsstunden.Die Pflege der Anlage erfolgt nach wie vor durch ehrenamtliche Helfer des Eifelvereins.
Lieraturnachweis:
DOHM, BATTI: Der Judenkirchhof bei Gerolstein-Pelm.
Landesmuseum, Trier: Rekonstruktionsversuch des Tempels vom Judenkirchhof Gerolstein. LANGE, SOPHIE: Wo Göttinen das Land beschützten; U.H.P. Hinz Verlag, Sonsbeck.
MERTES, PETER: Erinnerungen an die Ausgrabung der keltisch-römischen Kultstätte (Judenkirchhof). SCHWIND, HUBERT: Diverse Schriftstücke und Nachrichten. SEIFFER, HEINZ: Vorläufiger Führer zur Grabungsstätte der römisch-keltischen Tempelanlage genannt „Judenkirchhof“.