Graf Philipp Ernst

Alois Mayer, Daun-Pützborn

In der Dauner Pfarrkirche hängt im Haupteingang ein großes Totenschild des letzten auf der Dauner Burg wohnenden Grafen Philipp Ernst. Auf ihm ist die Inschrift zu lesen: „Es ruhet alhier Philipp Ernst Graff und Herr zu Daun, dero Röm.(ischen) Kays.(erlichen) May.(estät) Obrister zu Füs und seine Gemahlin Maria Ursula gebohrne von Groschlag, Freyin, denen Gott eine fröliche Auferstehung verleihen wolle. Dieser Philipp Ernst entstammet von Richardo den jüngeren Herrn zu Dune oder Daun, welcher zu Unterscheidung seines Brudern Richardi als ältern Herrn zu Dune oder Daun, die Lilien in den Gatter zu den ersten zu fuhren angefangen hat, wie es dazumahlen und jezt in Niederlanden und Franckreich gebräuchig ist, das die Jungere ihre Wappen esquarteliren müssen. Ist gestorben in dem Monat Janu. (ar) 1671 Sie im Monat Aprill 1643.“ Doch in diesem Schild ist eine Fälschung eingebaut, und zwar der Hinweis auf die Abstammung jenes Grafen. Obwohl es gar nicht notwendig und üblich war, auf Totenschildern Wappen zu erklären, gab Philipp Ernst dem Maler den Auftrag, zu verzeichnen, dass er „von Richardo den jüngeren Herrn zu Dune mit den Lilien“ abstamme. Und genau das kann nicht der Fall sein. Ich will Philipp Ernst nicht unterstellen, dass er bewusst gefälscht hat. Möglicherweise hat er „lang erzählte Familientradition“ übernommen, zumindest war es sein inniger Wunsch, nachzuweisen, dass er von der bekannten Familie der Herren von Daun abstamme und in Verwandtschaft mit der noch blühenden und hochangesehenen Familie der Grafen Daun-Oberstein stehe. Vermutlich schämte sich Philipp Ernst auch nur zuzugeben, dass seine Vorfahren sich nicht von „freien Herren“, sondern „nur“ von einem niederem Burgmannenge-schlecht und späterem Dienstadel, von Amtmännern, ableiten lassen. Sein Bruder Johann Jakob war der erste, der, in österreichischen Diensten stehend, am 28.8.1643 die (Reichs-) Grafenwürde erhielt. Darauf hin bemühte sich Philipp Ernst ebenfalls, diesen Rang zu erhalten. In seinem Antrag an Kaiser Ferdinand konnte und wollte Philipp Ernst nun nicht schreiben, dass er aus „einfachen“ Verhältnissen stamme, sondern wollte schon nachweisen, dass er von gräflichem Geblüt sei. So berief er sich in seinem Antrag darauf, dass sein Bruder Johann Jakob dem geistlichen Stand angehörte und infolgedessen keine Nachfolger haben würde, dass drei weitere Brüder im Kriege ihr Leben gelassen hätten, dass seine Familie mit dem alten Geschlechte der Grafen von Falkenstein verwandt sei und schließlich auf seine eigenen Verdienste als Obrist in den deutschen und spanischen Kriegen.
Mit Protektion, aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen zu den Mainzer und Trierer Erzbischöfen und Kurfürsten, verlieh ihm der österreichische Kaiser Ferdinand am 13.12.1655 ebenfalls die Reichsgrafenwürde. Auf sein Totenschild ließ er daher für alle Lebenden und für folgende Generationen ein für allemal festhalten, dass er von „Richard dem Jüngeren, dem mit der Lilie“ abstamme. Übereinstimmend sagen alle bekannten Urkunden aus, dass Diedrich von Dune der Ur-Ur-Urgroßvater von Philipp Ernst war. Dieser wurde wegen seiner kleinen Körpergröße Dunegin oder Duyn-chen (= Däunchen) genannt. Er lebte in der Zeit von 1440 bis 1464. Mit Sicherheit ist er vor 1467 gestorben. Um 1450 war er Burggraf zu Daun. In seinem Siegel führte er auch im Dauner Gitter zwei Lilien im rechten Obereck. Aber mit dem Vater dieses „Däunchen“ beginnen nun die genealogischen Schwierigkeiten in ihrer Aszendenz. Über dessen Namen „Heinrich von Dune“ sind sich die Forscher noch einig, nur nicht über die Abstammung.

Im Folgenden soll an Hand von Urkunden aus dem Staatsarchiv Koblenz (STAKo) und dem Stadtarchiv Köln (StaKö) bewiesen werden, dass Dunegins Vorfahren von Adenau stammten, und nicht von dem Herren- oder Marschallgeschlecht derer von Daun, wie dies u.a. Bärsch, Stramberg und Humbracht schreiben. „Deren Angaben stimmen indessen nicht überein und sind daher unzuverlässig“ (Möller). 1396: Heinrich von Adenau und andere schwören dem Gerhard von Blankenheim Urfehde (Dün 609). 1401: Heinrich von Adenau und andere sagen der Stadt Köln Fehde an (StaKö, Nr. 867; Dün 636). 1403: Heinrich von Daun, genannt von Adenau (Aydnauwe), sendet der Stadt Köln einen Absagebrief (StaKö, Nr. 1098; Dün 646). 1423: Heinrich, Burgmann zu Dune, tritt als Zeuge auf im Weistum von Osann (Dün 711). 1427: Heinrich von Dune ist Zeuge bei einer Manderschei-der Erbteilung (Bärsch II,1.12). 1434: Heinrich van Düne wird Burgmann Diedrichs von Manderscheid (Dün 725). 1436: Das Gericht zu Odeler will Auskunft über Güter von Heinrich von Düne (Dün 726). 1439: Heynrich vyn Düne, genannt von Adenau (Adenawe), bezieht eine Pacht von zwei Wagen Heu (Dün 733; Publ.Lux.33, 256). Bärsch nennt als Heinrichs Frau Katharina von Wimbach, während in den Publ. Lux. 33, 256 als dessen Gemahlin die Aleidis von Ventschen (de Fontois) aufgeführt ist.
1440 muss Heinrich von Dune verstorben sein (nicht wie Hörsch schreibt: 1432), denn am 25.12.1440 werden seine Söhne Diedrich (= Dunegin) und Jakob mit dem Erbe ihres Vaters belehnt. Aus zwei Urkunden geht deutlich hervor, dass Heinrich von Dune (von Adenau) der wirkliche Vater der beiden war. So wird er einmal als „selgen Henrichs von Dhüne“ (Dün 736), und am 10.8.1459 als „weiland Heinrich van Dune, sein Burgmann“ (Dün 772) bezeichnet. Dunegin erhält auch Güter, die sein Adenauer Vater zu seinen Lebzeiten erworben hatte.Die Familie des Heinrich von Daun-Adenau lässt sich urkundlich nicht weiter zurückverfolgen. Allerdings darf vermutet werden, dass dessen Vater Peter von Adenau war, Burgmann zu Nürburg. 1386 wurden diesem vom Trierer Abt zu Maximin Güter zu Barweiler verliehen, und am 6.2.1389 (Samstag nach Lichtmess) erhielt er von Thielgen von Daun, genannt Zolver, einen Hof zu Husen (= Hausen; seit 1934 Höchstberg, Kreis Daun). Aus der Bezeichnung „Burgmann und Truchsess zu Nürburg“ und den wenigen Lehengütern kann auf die ursprünglich geringe Bedeutung dieser Familie geschlossen werden: „Ich Teylleghin van Dune, den man nent van Zulleuer, dun kunt ...dat ich ...verleynnen inde werluwen han myt Namen mynen Hoff zu Hussen...dem bescheydenen Manne Peter van Adenauwe, Drussessen in der Zut Burchman zu Nurburgh ...“ (StAKo 54 A Nr.1; siehe Mayer/Mer-tes).
1415 ist Peter von Adenowe Lehnsmann der Grafen von Blankenheim (Bärsch II,1,3) und am 1.5.1445 erhalten er (Peter van Adenawe) und Arnold von Densborn das Haus und Land des Johann von Aachen als Blankenheimer Lehen (Dün 746). Bärsch und das Familienarchiv Daun indes zitieren einen anderen Vater: den Herrn Friedrich von Dune, um 1392. Doch selbst Hörsch schreibt dazu, dass „dies aus Urkunden nicht bestimmt nachgewiesen werden kann“ (S. 169). Bärsch (I.,1. S. 430) geht noch eine Generation zurück und behauptet, der Urgroßvater von Dunegin sei nun jener „Richard der Jüngere mit der Lilie“ (1352-1402) gewesen, der Sohn von Heinrich von Dune, Marschall von Densborn, und seiner Frau Katharina von Manderscheid. Doch das kann nicht stimmen, denn dieser Heinrich (1353-1381) war weder Marschall, noch hatte er einen Sohn Richard. Sein einziger Sohn hieß Johann und seine einzige Enkelin Agnes heiratete den Goe-bel von Kinheim. Mit ihr starb diese Linie aus. Im Gegensatz zu Bärsch nennt das Dauner Familienbuch als Vater den Marschall Heinrich (1332-1371). In der Tat hatte dieser einen Sohn namens Richard (1372-1395), der sich mit Anna von Mengen verheiratete. Mit ihr hatte er „nur“ eine Tochter Anna, die Johann von Rollingen heiratete. Damit hörte auch diese Linie mangels männlichen Nachwuchses auf zu bestehen. Außerdem siegelte er mit einem Pfeil, und nicht mit zwei Lilien (Orig. StAKo). Einer dritten Theorie gemäß (Ludwig Jung, Daun) soll Heinrich V. (+ 1296) zwei Ehefrauen und zwei Söhne gehabt haben, die beide den Namen Richard trugen: Richard der Jüngere und Richard, genannt Claussard (um 1391 erwähnt), da er eine Maria von Claussard (= Klüsserath) geheiratet hatte. Doch dies ist ebenfalls nicht haltbar:
1. Richard, der Sohn von Heinrich, wird fast 100 Jahre nach dem Tod seines Vaters weder gelebt noch geheiratet haben.
2. Als Nachfolger des Familienstammes wird er das Prädikat „von Daun“ nicht aufgegeben und stattdessen die Herkunftsbezeichnung seiner Frau „Claussart“ angenommen haben.
3. Philipp Ernst führte seine Herkunft auf Richard den Jüngeren zurück und nicht auf Richard Claussard, den angeblichen Bruder.
4. „Die von Daun, genannt Clussart, scheinen wegen des Bastardstockes durch das Wappengitter von einem Bastard der Herrn von Daun zu stammen“ (Hörsch, 170).
Die einzige Erklärung einer herrschaftlichen Abstammung des Grafen Philipp Ernst wäre, wenn Dunegin als uneheliches Kind eines Herrn von Daun letztlich von dem Adenauer Heinrich an Kindesstatt angenommen worden wäre. Doch dies hätte sicherlich dem Grafen Philipp Ernst erst recht nicht in „seine standesmäßige Genealogie“ gepasst. Die Dauner MarschallLinie, die Linie der Herren zu Daun und die Linie DaunBruch starben zu Beginn des 15. Jahrhunderts im Mannesstamme aus. Und wenn Reichsgraf Philipp Ernst sich auch völlig grundlos seiner Herkunft schämte, und wenn er auch die Stammbaumfälschung in sein Totenschild eintragen ließ, es ändert nichts an der Tatsache, dass seine Vorfahren nicht dem alten freien Herrengeschlecht derer von und zu Daun abstammen, sondern „nur“ einem Burg- und Amtmannengeschlecht von Adenau, lehnsabhängige Dienstmannen, ganz an unterster Stufe des sich langsam entwickelnden Adels. So sagen es die Urkunden.
Lit.:Bärsch, Eiflia illustrata Dün Johann, Dauner Urkundenbuch, Köln 1909
Hörsch Wilhelm, Beschreibung des Pfarrbezirks Daun, Daun 1877 Humbracht Johann, Die höchste Ziere Teutschlandes, Frankfurt 1707 Jung Ludwig, Die wechselvolle Geschichte Dauns, in: Die schöne Eifel, Ausgabe Daun, Daun 1979 Mayer Alois/Mertes Erich, Höchstber-ger Chronik, Daun 1989 Mayer Alois, Von Daun nach Wien-Dauner Grafen wandern aus Möller Walter, Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter, Darmstadt 1922 und 1950
Stramberg Christian, Rheinischer An-tiquarius, 39 Bde., 1851-1871