Großes Vergnügen: Klickerspiel

Tamara Retterath, Lirstal

Wenn im März die ersten warmen Sonnentage kamen, somit der Boden abgetrocknet war, fing für uns Kinder die schöne Zeit an um draußen zu spielen - obwohl der Winter uns Kindern auch seine schönen Tage bescherte - aber wir freuten uns endlich mal draußen in der warmen Sonne spielen zu können. Ich erinnere mich an eine Zeit in der das „Klickerspiel“ so beliebt bei uns Kindern war, dass es schon fast einer Epidemie glich. Das Spiel nannte sich „Utze“.
Wir Kinder spielten viel mit sogenannten Klickern, das waren Murmeln. Die Wege waren nicht asphaltiert und man musste ein „Käulchen“, eine Mulde, auf einer möglichst glatten Wege- oder Hoffläche ausheben. Vor der Vertiefung wurden in etwa 1,5 bis 2 Meter Entfernung ein Strich gezogen. Ab da haben wir Kinder abwechselnd versucht, eine Murmel in das Loch zu bekommen. Die Mulde hatte höchstens 10 Zentimeter Durchmesser und war fünf Zentimeter tief. Es wurde vorher vereinbart, mit wie vielen Klickern man jeweils spielt, dann wurde ausgelost, wer anfing. Wer als letzter seine Murmel in das „Käul-chen“ getroffen hatte, hatte alle Klicker gewonnen. Der ganze Schulhof war voll von Löchern vom Klickerspielen. Es war wie eine Sucht. In den Pausen haben verschiedene vor lauter Spannung beim Spiel gar nicht mehr auf die Trillerpfeife des Lehrers reagiert, die das Ende der Pause ankündigte. Es wollte keiner seine Murmeln im Stich lassen und alle wollten zu Ende spielen. Wenn man nach der Pause zu spät in die Klasse kam, setzte es dann Strafarbeiten.
Die Murmeln bestanden aus Ton, also Keramik, und waren bunt glasiert. Sie waren kleiner als die heutigen Glasmurmeln. Beim Spielen ging oft die Glasur kaputt und der rotbraune Ton kam zum Vorschein. Meine Mutter hatte mir vom Einkaufen in der Kreisstadt einen Beutel Murmeln mitgebracht, die ich aber in kurzer Zeit beim Spiel verloren hatte. Als ich nun überhaupt keine Klicker mehr besaß, musste ich mir als Kind etwas einfallen lassen. Ich ging zum Bach und holte mir am steilen Uferbereich eine Portion Lehm, die ich zuhause in der Größe der Murmeln in der hohlen Hand drehte, bis sie eine runde Form ergaben. Erst trocknete ich diese an der Luft, später im Herd. Dann habe ich sie mit dem Pinsel und der Farbe aus dem Farbkasten bunt angemalt und mit Leinöl überzogen. Diese Eigenproduktion war bei weitem nicht so massiv. Es war nur eine Frage der Zeit, wie lange die Haltbarkeit gewährleistet war, denn Feuchtigkeit und starkem Druck
hielten sie
nicht stand. Die Hauptsache war aber, dass ich wieder mitspielen konnte. Es war nur eine Überbrückung und eine Nothilfe, denn durch einen Gewinn kam ich wieder zu normalen Klickern. Bei einem anderen Spiel, dem „Klickerditschen“ musste man mit dem Zeigefinger die Murmel kurz anschnippen. „Deuen“, also drücken, durfte man nicht, sonst wurde man disqualifiziert. Wenn man mit seiner Kugel eine andere berührt hatte, durfte man diese beiden Klicker behalten. Es wurde früher auch um Glanzbilder gespielt. Hierbei wurde ein Glanzbild mit dem Handballen auf die Tischmitte geworfen. Ein Spieler legte sein Glanzbild auf den Handballen und schlug mit der Handfläche gegen die Tischkante. Das Glanzbild sollte dann möglichst auf dem anderen Glanzbild landen. Der Sieger bekam dann die zwei, wenn er sein Bild mitten auf das vorher ausgelegte Glanzbild auf der Tischmitte geworfen hatte. Zu Weihnachten gab es Lebkuchengebäck auf dem sehr große Glanzbilder draufgeklebt waren. Sie waren mindestens zehn Zentimeter groß und mit diesen großen Dingern konnte man sehr gut treffen und hatte eine große Chance zu gewinnen. Dieses Spiel war besonders im Winter beliebt. Wir haben auch oft bei Freunden in deren alten

Zeichnung: Kerstin Weinacht, Kerpen

Hühnerstall Theater gespielt und uns hierzu verkleidet. Im Frühjahr banden wir Kränze aus Löwenzahn oder schnitzten Weidenflöten. So gab es vielerlei Spiele. Die Kinder beschäftigten sich mit einfachen Mitteln und waren mangels Spielsachen auf eigene Ideen angewiesen. So haben wir uns auch für ein Spiel Räder von Fahrrädern abmontiert, nur damit man einen Ring hatte. Einmal haben wir uns im Wald Sprengringe von Felgen der Militärfahrzeuge genommen, die waren zwar nicht ganz rund, sondern hatten einen Anfang und ein Ende. Diese Sprengringe von Militär-LKW-Reifen liefen nicht so gut. Mit einem Stöckchen konnte man die Fahrradräder durch die Vertiefung gut in jede beliebige Richtung steuern. Bei normalen Rädern, mit denen das Spiel eigentlich gespielt wurde, musste man immer wieder darauf schlagen, damit diese liefen.
Spielen war aber nicht immer nur positiv, denn oftmals haben manche Erwachsene beim Kartenspielen betrunken ihre Felder verspielt, denn viel Geld hatten sie ja nicht. Sie versuchten mit immer mehr Einsatz ihren ursprünglichen Einsatz zurückzuerspielen, bis sie zuletzt ihr Vermögen verspielt hatten. Spielschulden sind zwar Ehrenschulden, doch ging auch früher nicht alles mit rechten Dingen zu, wenn beispielsweise einer in betrunkenen Zustand gebracht und so übervorteilt wurde. Am nächsten Tag mussten diese Leute dann nüchtern zum Notar gehen und übereigneten ihre Felder.