Spiele aus Kindheitstagen

Maria Ferdinand, Neroth

Nerother Dorfjugend an der - Rutsche - am Kesselberg, Neroth 1923

Unsere Kindheit ist das Fundament unseres Lebens. Beim Zurückdenken kommen viele schöne Erinnerungen, über die man sich heute noch freut. Kommt man mit Altersgenossen zusammen, wird viel von früher erzählt und man sucht in alten Kisten die Fotos heraus. Unsere Kindheit war eine andere Zeit. Damals gehörten der Wald, die Wiesen, die Straßen, der Bach uns Kindern. Wie durften spielen, toben und singen, das störte niemanden. Auf der Straße hielten wir uns am meisten auf. Dort erfanden wir manchen Zeitvertreib. Nur ab und zu kam mal ein Auto. Und die Fuhrwerke, von langsamem Vieh gezogen, passten schon auf uns auf, denn aus jedem Haus waren ja ihre Kinder dabei.
Ein beliebtes Spiel war das Seilspringen. Ein altes Wäscheseil wurde aus dem Schuppen geholt und sobald wir unsere Schulaufgaben gemacht hatten, ging es los. Auch hier kannte man seine Regeln, denn abwechselnd wurde das Seil von zwei Mädchen, die es an jedem Ende festhielten über den Boden oder nach oben geschwenkt. Der Reihe nach konnten die Kinder dann ihr Können beweisen und wer hängen blieb, schied aus. Das war dann sehr ärgerlich und manchmal flossen die Tränen. Die nicht beschäftigten Spieler standen rund herum und sangen im Takt des Seiles. „Teddybär, Teddybär dreh dich um! Teddybär, Teddybär mach dich krumm! Teddybär, Teddybär zeig den Fuß! Teddybär, Teddybär wie alt bist du?“ Dann wurde gezählt und man bemühte sich an eine hohe Zahl zu kommen. Denn jede wollte Siegerin werden. Beliebte Spiele waren Klickerspielen und das „Heppelhäuschen“ (Hüpfhäuschen)

Zeichnung: Richard Würtz, Gerolstein

springen. Dies war meistens ein Spiel für uns Mädchen. Die Jungen durften nur dann mitmachen, wenn sie uns beim Drachensteigen mitnahmen. Das bereitete uns auch immer viel Spaß und wir zogen auf eine Anhöhe mit ihnen. Die Drachen waren auch selbst angefertigt. Man brauchte dazu zwei Kisten, etwas Papier und eine lange Schur. Mit etwas Fingerfertigkeit wurde daraus ein schönes Stück. Man kam zusammen, ging schon auf den Berg und wartete auf Wind. Es war immer ein Ereignis und wir sahen es als großes Ereignis an, wenn es klappte und der Drachen hoch in der Luft schwebte. Wir Mädchen durften auch mal probieren. Man gab sich Mühe und passte auf, dass er nicht in einem Baum landete. An heißen Tagen im Sommer war der Bach eine willkommene Spielstelle für uns. Er floss durch Wiesen und an seinen Ufern spendeten Bäume und Sträucher ihre Schatten. Wir stauten ihn und bald bildete sich ein Tümpel, in dem sich viel Wasser ansammelte. Wir setzten uns an den Rand und zur Abkühlung ließen wir unsere Füße darin zappeln. Zur Verzierung bauten wir aus Zeitungspapier Schiffchen und es machte uns Spaß, wenn wir beobachten konnten, wie sie hin und her schwammen. Vielleicht war es dieselbe Freude wie heute eine Reise ans Mittelmeer. Langeweile gab es hier nicht. Oftmals hielten wir Ausschau nach Forellen und Kaulquappen. Und aus Zeitvertreib versuchten wir manchmal eine zu fangen. Hier war man nie allein. Hier versammelten sich Freundinnen und Freunde und unsere Eltern wussten immer wo wir uns aufhielten. Die Welt war in Ordnung und sie brauchten sich keine Sorgen zu machen. Auch wenn wir Kinder im Hause blieben, kannten wir keine Langeweile.
Wir waren erfinderisch. Wir bastelten aus allen Stofffetzen Puppen, machten aus Kartons und Zigarrenkisten Bettchen und sogar Puppenhäuser. Jeder alte Lappen wurde verwendet und man nähte so gut es ging Kleidchen und Bettzeug zusammen. Damit vergnügten wir uns dann tagelang. Holzklötzchen waren uns sehr willkommen, die stellten dann die Möbel dar.

Was uns auch sehr viel Spaß machte, war das Spiel mit dem Kreisel. Wenn wir dieses vorhatten hieß es: „Heute gehen wir Wilwap spielen.“ Einen Kreisel hatte fast jedes Kind. Zur Kirmes bekam man die an jedem Stand billig zu kaufen. Vater machte uns eine kleine Peitsche dazu und schon hatten wir das nötige Zubehör. Bei gutem Wetter ging es dann hinaus auf die Straße. Am schwierigsten war der Anfang. Hier musste man die Schnur um ihn wickeln, ihn auf den Boden setzen, um ihn dann in Bewegung zu bringen. Dazu gehörte schon etwas Können. Dann fing der Wettstreit an. Wer den Kreisel am längsten am Drehen behielt, hatte gewonnen. Nun muss man berücksichtigen, damals hatte man noch keine Teerstraßen. Und es war mit Schwierigkeiten verbunden. Aber wir schafften es, wir kannten es ja nicht anders.