Kinderspiel im Wandel der Zeit

Klickerspiel, Verstecken und Seilspringen -
“Gameboy" und “Play-Station"

Karl-Heinz Böffgen, Gerolstein

Wir Erwachsene erinnern uns meist gern und ziemlich genau an die Spiele und das Spielzeug unserer Kinderzeit. Mancher gerät gar ins Schwärmen beim Erzählen über „früher und damals“; oft werden alte Spiele und altes Spielgerät wiederentdeckt. An der Gegenwart kommt ein gewissen Unbehagen auf und man fragt sich: Können die Kinder in der heutigen Zeit, bei all den tiefgreifenden Veränderungen und der Allgegenwart des Computers, überhaupt noch richtig spielen? Zunächst ist es wohl wichtig, Spiel und Spielgerät der Kinder nicht nur aus der Sicht der Erwachsenen zu beurtelen und die Spielwelt heutiger Kinder mit der unsrigen, früheren zu vergleichen. Allzu oft bewerten wir das Spielgerät aus ästhetischen, gesundheitlichen und ökologischen Gesichtspunkten, glauben, es müsse „erzieherisch wertvoll“ sein, dürfe das Kind nicht mit Reizen überfluten und keine materiellen Begierden wecken. Wir bauen Spielplätze nach Vorschriften und Normen, stellen buntes Spielgerät auf und entwickeln Spielzeug, das auf höchstem technischem Stand und teuer ist. Dabei vergessen wir - obwohl wir es aus eigener Erfahrung wissen müssten -dass Kinder ihre eigenen Vorstellungen haben, alle möglichen Anregungen aus ihrer Umgebung aufgreifen und in ihr Spiel übertragen. Sie übernehmen Althergebrachtes, Traditionelles und Vorgefertigtes ebenso wie sie in eigener Kreativität Neues entwickeln. Es war eine wunderbare Zeit, als das ganze Dorf oder die kleine Stadt ein einziger Spielplatz war. Nach wie vor gilt: Fantasie und Kreativität sind die wichtigsten Elemente des Spiels für den Zuwachs an Lebenserfahrung des Kindes. Kinderspiel ist (oder war?) durch viele Faktoren gekennzeichnet: Bewegung. Kraft, Geschicklichkeit, Spaß, Selbermachen und Erfinden, Organisation, Lösung von Konflikten, Erlernen des Sozialverhaltens, Verbesserung der Eigenständigkeit, Beschäftigung mit Natur, Technik, Jahreszeiten und Brauchtum; Spiel ist aber auch Zeitvertreib, Spiel ist Welterfahrung. Kurz: Das Spiel ist für die Entwicklung eines Menschen von entscheidender Bedeutung! Kinder spielen heute anders als früher. Jede Zeit hat ihre eigenen Spiele. Auslöser sind die jeweiligen gesellschaftlichen, strukturellen, baulichen und technischen Veränderungen. Der Computer hat längst das letzte Dorf und fast jedes Haus erreicht.
Die Kinder haben die neuen Medien ebenso wie Gameboy, Playstation, Handy usw. in ihr Spiel einbezogen. Sie wollen auf der Höhe der Zeit sein. Dass dabei Probleme auftreten können, ist bekannt. Doch dürfen dafür weder die Kinder und Jugendlichen noch das Gerät verantwortlich gemacht werden, hier ist das soziale Umfeld gefordert. Bei allem bleiben folgende Fragen: Was halten die heutigen Kinder von unseren alten Spielen und Spielsachen? Wollen und können sie überhaupt Spielgerät von früher herstellen, alte Spiele vorführen?
Der Autor hatte im Jahr 2004 die Gelegenheit, diesen Fragen, zusammen mit dem Lehrpersonal, anlässlich der Projekttage und des Tages der offenen Tür in der Regionalen Schule Gerolstein in der Praxis nachzugehen. Die wichtigsten Erkenntnisse: Die Begeisterung bei Kindern, Lehrpersonal und Besuchern war grundsätzlich groß. Den Kindern fehlte jedoch mitunter z.B. beim Basteln, Bauen und Schnitzen einfach die Geduld, bei einigen war die Feinmotorik unterentwickelt. Grundkenntnisse über Baumund Straucharten waren so gut wie nicht vorhanden (Weide für Flötenbau, Esche und Hasel für Bogenbau bzw. Schnitzarbeiten). Für viele Spiele gibt es befestigte Flächen, doch wo ist es noch möglich, ein Klickerloch herzustellen?

Über das Kinderspiel ist viel Kluges gesammelt, gesagt und geschrieben worden. Für diesen Beitrag hat der Verfasser gerne auf das Buch „Spielwelten der Kinder an Rhein und Maas“ zurückgegriffen. Es wurde 1993 vom Landschaftsverband Rheinland-Pfalz herausgegeben. An diesem Buch haben auch einige Autorinnen und Autoren unseres Kreises mitgearbeitet, ebenso an der interessanten internationalen Ausstellung, die als Katalog im vorgenannten Buch veröffentlicht ist.
Unter den 465, teilweise abgebildeten, Exponaten befinden sich zwei Spielgeräte, die zu den beliebtesten gehörten, die von uns Jungen seinerzeit gebaut und benutzt wurden:
• „Panzer“
• „Fletsch“
Für diese zwei LieblingsSpielgeräte sind nachfolgend die „Baupläne“ dargestellt.

Bau eines Panzers

Die beiden Laufräder einer möglichst großen Garnrolle aus Holz werden eingekerbt, an einer Seite wird ein Nägelchen eingeschlagen. Aus gut geknetetem und noch warmem Kerzenwachs ist eine etwa l cm dicke Scheibe zu formen, die, je nach GarnrollenGröße, einen Durchmesser von etwa 2 cm und in der Mitte ein Loch von etwa 0,5 cm hat. Die Wachsscheibe bewirkt, dass der „Panzer“ sich langsam, nicht zu schnell oder ruckartig bewegt. Mittels des etwa 10 cm langen und etwa 0,3 cm dicken Holzstäbchens wird ein Gummiring durch das Garnrollenloch und die Wachsscheibe geschoben. Der Gummi soll dicker und der Garnrollen-Breite angepasst sein. Er wird in das Nägelchen und durch das Holzstäbchen über der Wachsscheibe eingehangen. Der Gummi ist, dreht man ihn auf, der Motor des „Panzers“.

Selbstgemachte „Fletsch“ (Schleuder)

Materialien: Gut geformte Astgabel, z.B. aus Haselnuss-holz, insgesamt 15 - 20 cm lang, zur Befestigung der Gummis oben leicht eingekerbt; aufgeschnittene Einmachgummis oder Gummistreifen, geschnitten aus einem PKW- oder LKW-Reifen-schlauch, mind. 30 cm lang; kräftiges Lederstück, etwa 8 x 3 cm groß, mit seitlichen Einschnitten; Bindedraht oder Kordel zur Befestigung der Gummis. Achtung: Die „Fletsch“ gilt als Waffe, vor Missbrauch wird gewarnt!