„Wiesepähltjes“

Uli Diederichs, Manderscheid

Ich bin Jahrgang 1956 und kann mich noch gut an ein Spiel erinnern, das ich Mitte der 1960er Jahre kennen gelernt habe.
Mein Vater und anderthalb Dutzend Dauner Männer seines Alters hatten in dieser Zeit den sogenannten „Ver-sehrten-Sportclub“ gegründet, weil sie allesamt Verletzte des 2.Weltkrieges waren. Der Sportclub, den es in anderer Form noch heute gibt, diente einerseits der gezielten körperlichen Ertüchtigung, andererseits der Geselligkeit untereinander und mit den Familien. Zu diesem Zweck hatte der Sportclub im „Siebenbachtal“ bei Strotzbüsch eine Wiese am Uessbach gepachtet. Hier trafen sich in den Sommerferien -
da in jenen Jahren noch niemand in den Urlaub weg fuhr - regelmäßig die Familien des Sportclubs. Es wurde gegessen (das Grillen kam gerade erst in Mode) und getrunken, gezeltet, der Bach zum Schwimmen gestaut. Und weil immer eine große Anzahl Kinder dabei war, wurde vor allem sehr viel gespielt.

Eines Tages - als es uns Kindern trotzdem ausnahmsweise (!) Mal furchtbar langweilig war - gab uns einer der Väter auf, fünf Haselstöcke zu schneiden, die er mittels Handzeichen folgendermaßen beschrieb: „so lang“ (~ 60 cm), „so dick“ (wie sein Daumen) „und vorne spitz“.
Da jeder Junge damals ständig sein
Taschenmesser mit sich trug, hatten wir die Aufgabe schnell erfüllt. Aber wofür waren die Knüppel gut? Was sollten wir mit ihnen jetzt anfangen? Wollte er uns etwa damit „den Arsch versohlen?“ Nein, er erklärte uns ein Spiel, das wir alle noch nicht gekannt hatten, nämlich “Wiesepähltjes“. Der Name ist schnell erklärt: „Wiese“ - weil es auf einer Wiese gespielt wird; und „Pähltjes“ - weil man dünne Pfähle (die Knüppel) dafür benötigt. Die Spielregeln gehen so: mindestens drei Spieler mit je einem „Pähltjen“; der erste Spieler (wobei Reih um angefangen wird) versucht, seinen Knüppel mit der Spitze möglichst tief und möglichst senkrecht vor sich in die Wiese zu schleudern. Die Aufgabe des nächsten ist es, von schräg seinen Knüppel so gegen den steckenden Knüppel zu schleudern, dass der eigene in der Wiese stecken bleibt, gleichzeitig der andere aber ganz umgehauen wird (die Spitze muss aus der Wiese raus sein) oder zumindest möglichst schräg steht. Denn dann hat der nächste Spieler die beste Chance, diesen ganz umzuhauen. Wenn das passiert, scheidet der Umgehauene aus. Gewonnen hat schließlich der, dessen Knüppel als letztes noch irgendwie in der Wiese steckt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelten wir großes Geschick beim Spielen: Übung machte auch schon damals den Meister. Noch Jahre später spielten wir als Jugendliche dieses einfache, aber schöne Spiel. Leider habe ich es danach nie wieder gespielt oder gesehen. Auch an meine Kinder habe ich es nicht weiter gegeben. Das kann - und will - ich aber nachholen.