Der ungläubige Bauer

nach einer alten Sage erzählt von

Elisa Horch, Dreis-Brück

Vor vielen, vielen Jahren lebte im Kreis Daun ein Bauer, der es mit der Bibel und der Kirche nicht so ernst nahm. Ja, er verspottete sogar die heiligen Dinge. Selbst die alten Gebräuche um Weihnachten bedeuteten ihm nichts. In alten Legenden wird erzählt, dass in der Heiligen Nacht die Tiere sprechen können. Dem wollte der Bauer doch einmal nachgehen. Er dachte, wenn da was dran ist, will ich von den Tieren erfahren ob der geplante Waldverkauf mir das erhoffte viele Geld einbringt. Als der Heilige Abend da war, schlich er sich in den Stall, setzte sich still auf einen Schemel und wartete. Es geschah nichts. Er hörte nur das gleichmäßige Atmen der Tiere, ab und zu ein Scharren im Stroh oder das Rasseln einer Kette.
Der Bauer schlief bald ein. Um Mitternacht aber schreckte er plötzlich aus seinen Träumen auf. Er hörte tatsächlich den Ochsen reden: „Wenn die Bäume wieder Blätter bekommen, wird man uns vor den Wagen spannen und dann werden wir den Bauern hinaus fahren, dahin, wo die vielen Kreuze stehen.“ Der Bauer erschrak zu Tode. Da sprach schon der zweite Ochse: „Ja, dann wird er begraben.“ Der Mann sprang auf, stieß den Schemel um und rannte in Panik aus dem Stall. Beinah vergaß er diesen zu verriegeln. „Em Jotteswelle, dat dorf doch net wohr senn!“ ging es ihm durch den Kopf. Er legte sich zwar ins Bett, aber er fand keinen Schlaf. Er drehte sich hin und her. Ein Gedanke jagte den anderen. Wie konnte er seinem Schicksal entgehen? Am nächsten Morgen entschloss er sich, die Ochsen so schnell wie möglich zu verkaufen. Dann würde das Schicksal einen anderen Bauern treffen. Auf dem nächsten Dauner Viehmarkt schaffte er es, die Ochsen an einen anderen Bauern zu verkaufen. Endlich waren diese verdammten Tiere weit genug von seinem Hof entfernt. „Will saal mir nejst mih passiere!“ dachte er bei sich. Als die ersten Krokusse schon verblüht waren und die Narzissen ihre gelben Köpfe reckten, wurde der Bauer ernstlich krank. Die Krankheit wurde immer schlimmer, und kein Kraut und kein Arzt konnten ihm helfen. Er fühlte sein Ende kommen, und er starb an einem kalten Aprilmorgen. Er sollte in Neunkirchen begraben werden. Bei uns in der Eifel war es Brauch, dass beieinem Todesfall Nachbarn auf vielerlei Art halfen. Auch hier war es so. Ein Nachbar sollte Wagen und Zugvieh zur Verfügung stellen. Auf dem letzten Markt hatte er seine Ochsen neu eingehandelt. Und wie sich jetzt herausstellte, waren es die ehemaligen Ochsen des verstorbenen Bauern.
So ist die Prophezeiung der Weihnachtsnacht doch Wahrheit geworden, denn sie zogen ihren einstigen Herrn zum Kirchhof.