Turm- oder Rüttelfalke

Heinz Hürth, Steffeln-Auel

Drüben liegt der stillgelegte Lavaberg, Berg nur von außen, denn von seinem Rand sieht man in ein tiefes Loch umgeben von Felswänden die steil abfallen. Seine Schutthalden haben sich mit frischem Grün bedeckt. Ginster, Weiden, Pappeln, Habichtskräuter und viele Blumen, die nur auf Lavaboden gedeihen. Zwischen den Lavabrocken huschen flinke Eidechsen umher, selbst ein alter Waldhase hat einen Zugang an der Felswand entdeckt, und wenn der Sturm braust findet er hier Schutz. Viele Arten unserer Vögel fühlen sich in dieser neuen Oase wohl. Die Randbäume und Sträucher sind der ideale Platz für Balzflüge oder Singwarte. Auf dem höchsten Felsvorsprung hat der Turmfalke (Falco tinnunculus) seinen Ansitz und Ruheplatz, hierher kehrt er nach erfolgreicher Jagd aus der Feldflur zurück. Nach dem letzten Bissen gibt er sich hier der Verdauung hin, und hier finden wir auch seine Gewölle von der Länge und dem Umfang eines Daumengliedes, die in einem dichten Filz von Mäusehaaren meist nur Mäuseschädel und Deckflügel von Großinsekten enthalten. Die von den Ausscheidungen des Falken weißgetünchten Stellen der Felswand lassen uns schon von weitem erkennen, wo sein Ansitz ist. An dieser Stelle befindet sich auch sein Horst, und die fünf Jungen sind gesundausgeflogen: Für Nesträuber war die Felswand unersteiglich. Der Turmfalke ist nicht übermäßig scheu, man kann ihn leicht aus geringer Entfernung beobachten. Die rostbraune Färbung des Rückens ist ein gutes Unterscheidungsmerkmal zum Sperber (Accipi-ter nisus), seine Flügel sind länger und spitzer als die des Sperbers. Sein Flug ist nicht so schnell wie bei anderen Falken, sein rascher Flügelschlag wird zuweilen von Schwebflügen unterbrochen. Sein Jagdrevier sind die Feldflur oder große Waldlichtungen, dabei unterbricht er seinen Ruderflug, schwebt empor und bleibt dann heftig schwingenschlagend an einer Stelle in der Luft stehen. Der Stoß wird breit gefächert und der Kopf nach unten geneigt. Dabei beobachtet er sorgfältig den Boden nach Beute. Sollte nichts in seinem Blickfeld sein, schwebt er ein Stück weiter und geht wieder in den Rüttelflug über. Dieser Flugweise verdankt er auch seinen Namen Rüttelfalke. Bei stärkeren Winden bedarf es hierbei keines Flügelschlages, denn mit wehenden Fittichen kann unser Falke sich in der Luft ohne Anstrengungen halten. Wenn wir den Turmfalken eingangs als Felsenbrüter kennen lernten, so ist er doch öfter, wie bei uns in Auel, auf Kirchtürmen oder anderen Hochbauten und Türmen, wie auch im Laub- oder Tannenwald in alten Krähennestern als Brutvogel anzutreffen. Seine Eier legt er ohne Unterlage auf den Boden, und dies im Felsen wie auch auf Türmen in den Brutnischen. Rührend sind die Hingebung und Fürsorge des Turmfalken für seine Brut. Die Art, wie er seinen Jungen die Jagdbeute heimbringt, gehört zu den reizvollsten Familienbildern, die uns die Natur beschert. Der Mut, mit dem die Eltern ihre Jungen, auch dem Menschen gegenüber, verteidigen, ist wahrhaft bewunderungswürdig. Ein Beispiel war die Brut am Aueler Kirchturm; trotz monatelangen Renovierungsarbeiten mit einem Gerüst, welches über den Horst hinaus reichte, wurden die fünf Jungen flügge. Da der Turmfalke am Horst sehr munter ist und sich durch sein „kli kli kli kli“ leicht verrät, werden Eier oder Junge oft ein Opfer von Nesträubern. Der Turmfalke zählt zu den Vogelarten, die schon vor langer Zeit als eine nützliche Art und als Segen für die Feldflur erkannt wurden, denn seine Hauptnahrung besteht aus Mäusen, Käfern, Libellen, Heuschrecken und Kleingetier, während er sich ganz selten und nur ausnahmsweise an einem Vogel oder Junghasen vergreift. Glücklicherweise hat der Turmfalke eine gute Vermehrungsrate, so dass zu hoffen bleibt, dass wir uns noch lange an diesem anmutigen Vogel erfreuen können.