Der Seifensieder

Alois Mayer, Daun

Diese Anzeige findet sich in dem „Intelligenzblatt für die Kreise Bitburg und Daun“ am 6.10.1848 und weist hin auf einen Beruf, der dereinst in Eifeler Städten nicht selten war, derzeit aber ausgestorben ist. Die Produkte eines „Seifensieders“ aber stehen heute einem jeden in Überfluss zur Verfügung, von äußerst preiswert bis hin zu teilweise unerschwinglichem Luxus.
Beeindruckt war ich von dem Ausspruch eines Soldaten, der glaubhaft versicherte, dass ein Stück Seife, das seine Eltern ihm in einem Paket an die Front geschickt hatten, ihm zu einem Schatz wurde, den er mehr als sorgsam hütete.
Wann der Mensch zum ersten Mal neben einfachem Wasser Waschhilfsmittel verwendet hat, lässt sich nicht genau datieren. Auf einer sumerischen Tonschiefertafel in Mesopotamien aus der Zeit um 2500 v. Chr. fand man das erste überlieferte Seifenrezept. In eingeritzter Keilschrift ist zu lesen: „Ein Liter Öl und die fünfeinhalbfache Portion Pottasche.“ Als Pottasche bezeichnet man die Asche einer Pflanze, die reich an kohlensaurem Kalium war.
Auch auf ägyptischen Wandbildern sieht man, wie Sklaven die Wäsche mit Seife behandeln und sie mit Stöcken schlagen, um sie zu reinigen. Neben der Pottasche verwandten sie zusätzlich noch Soda.
Soda wurde in der Wüste oder in ausgetrockneten Salzseen als Mineral gefunden, entsteht aber auch durch Verbrennen von kochsalzhaltigen also natriumchloridhaltigen Meerespflanzen, wodurch wir wieder bei der (Pott)-Asche angelangt sind. Wesentlich interessanter sind allerdings Dokumente, nach denen die Ägypter bereits Seife zur Pflege und Reinigung des menschlichen Körpers verwandten. So wird berichtet, dass um 600 v. Chr. tierische Fette oder pflanzliche Öle mit Soda vermischt und gekocht wurden. Die Römer und die Griechen reinigten jahrhundertelang ihre Wäsche mit Aschenlauge und salbten ihren Körper mit Öl. Auf die Idee, Öl und Asche zu vermischen und zu verkochen, kamen sie aber nicht. Auch unsere Vorfahren, die Kelten und Germanen, stellten Seife her „aus Ziegentalg und weiß gebrannter Asche“ und verwendeten sie zur körperlichen Reinigung aber auch als Haarpomade, wie Plinius der Ältere (23 - 70 n.Chr.) in seiner »Historia naturalis« berichtet. Während des Mittelalters lernten Seifenhersteller „harte Seifen“ herzustellen. Durch den Zusatz von Duftstoffen, die aus verschiedenen Pflanzen gewonnen wurden, verfeinerte man die Seifen.
Sol
che „Toilettenseifen“ in Kugelform waren hochgeschätzte Kosmetikartikel, zur Rasur der Männer oder als Heilmittel - besonders in Adels- und Geldkreisen -, für die Masse der Bevölkerung aber unbezahlbarer Luxus. Der Wunsch, sich und seine Kleidung regelmäßig mit Seife zu waschen, war auch bis in die Neuzeit hinein noch nicht sehr stark ausgeprägt. So standen Talg und Holzasche in ausreichendem Maße zur Verfügung, zumindest bis zum Beginn der Industrialisierung und dem damit einhergehenden Aufschwung der Textilindustrie. Aus diesem Bedürfnis bildete sich im Spätmittelalter das Handwerk des „Seifensieders“ heraus, das ursprünglich als häusliche Tätigkeit ausgeübt wurde. Es war mehr Talg vorhanden, als Seife verkauft werden konnte. So zogen die Seifensieder aus ihren Schmelzkesseln auch Talglichter und traten damit in Konkurrenz zu den Metzgern. „Seifensieder“ und „Lichterzieher“ verschmolzen zu einem Berufsstand. Mit der Einführung von Gas und Elektrizität fand das Handwerk der Seifensieder, die gleichzeitig Kerzenmacher und Lichterzieher waren, sein Ende. Die heimischen Seifensieder stellten einfache Gebrauchsartikel her: Flüssige Schmierseife und feste Kernseife. Hierzu wurde Rindertalg mit Pottasche versetzt und mit Natronsalz gehärtet. In der Berufsbezeichnung Seifensieder erkennt man, dass Seife durch Sieden, Kochen entsteht. Tierische Fette - auch aus Knochen - und Öle werden langsam erwärmt, während gleichzeitig notwendige Lauge zubereitet wird. Dies erforderte Wissen und Können des Seifensieders, der seinen Beruf über mehrere Jahre erlernen musste. Jedes Fett oder Öl braucht eine ganz bestimmte Menge Lauge zur Verseifung. Nimmt man zuviel Lauge, dann wird die Seife ätzend und kann für die Haut gefährlich werden. Nimmt man zu wenig, dann bleibt ein Teil des Öles unver-seift in der Seife zurück. Die Seife wird dadurch »fett«, auch ein Vorteil für die Pflege der Haut.
Dann begann der Seifensieder mit seiner eigentlichen Arbeit. Er schüttete vorsichtig die noch heiße, aufgelöste Lauge in den Behälter mit dem Fett und dem Öl. Es entsteht sofort eine milchige Masse, die durch Rühren sich intensiv vermischen muss. Bald wird die Masse immer dicker, wie ein Pudding. Wenn die Masse recht fest geworden ist, füllt der Seifensieder das Ganze in vorbereitete Seifenformen. In diesen lässt er sie mindestes 24 Stunden, damit sie »ausreifen« kann. Sie verliert durch die Lagerung an »Schärfe«, das heißt der Laugenanteil wird geringer. Nach dieser Ruhezeit wird der inzwischen hart gewordene Seifenblock aus der Form genommen und mit einem Messer in handliche Stücke geschnitten, graviert oder verziert.
Im 19. Jahrhundert setzte eine größere Nachfrage nach Seife ein. Waschen wurde modern. Seifensiedereien entstanden in jedem größeren Ort, hatten ihre Auftragsbücher voll und kamen mit der Produktion kaum mehr nach, da die Rohstoffe Talg und Holzasche knapp wurden. Das änderte sich erst durch die Einfuhr billiger Fettrohstoffe aus tropischen Ländern und die Erfindung eines preisgünstigen Verfahrens zur Herstellung von Soda, die bisher nur aus Pflanzenasche gewonnen werden konnte. Damit war der Weg frei zur industriellen Massenproduktion von Seife, vorerst alleiniges Wasch- und Reinigungsmittel.
In den meisten Haushalten wurde für den Eigenbedarf Schmierseife selbst hergestellt. Rohstoffe waren Pottasche und Rüböl, Hanföl, Leinöl, Tran und Talg. Neben Kernseife blieb Schmierseife bis in das 20. Jahrhundert das wichtigste Wäschewaschmittel. Noch bis vor zwei Generationen wuschen auch unsere Vorfahren die Wäsche noch mit Holzasche. Diese wurde in Leinensäckchen abgefüllt und in den Waschbottich gelegt. Dort hinein kam dann die Schmutzwäsche, auf die heißes Wasser geschüttet wurde. Wurde das Wasser zu kalt, dann zapfte man es unten teilweise wieder ab und erhitzte die Lauge erneut. Der Begriff »Lauge« stammt von diesem Auslaugen der Holzasche. (Und zum Schluss der Wäsche konnte man dann auch noch sämtliche Kinder des Haushaltes in dieser Lauge sauber und weich „schrubben“.)
Um einen größeren Reinigungsgrad zu erreichen, wandten unsere Großmütter die simpelste, gleichzeitig aber auch eine äußerst kräftezehrende Mechanik an; sie schlugen die Wäsche auf Steine, schrubbten und rieben sie oder stampften sie in der „Waschbütte“, wobei sich der Schmutz leichter von den Fasern löste. Welchen Fortschritt bedeutete da später bereits das geriffelte und heute bei Antiquitätenhändlern so gesuchte Waschbrett. Erst durch die Entwicklung der Waschmaschinen und der modernen Waschmittel wurde das Waschen wesentlich erleichtert. Genau vor 100 Jahren - ob der Geburtstag gefeiert werden wird - kam 1907 das erste Vollwaschmittel auf den Markt gekommen, PER-SIL, das neben Seifenpulver Natriumperborat als Bleichmittel und Natriumsilicat als Stabilisator enthielt, was zu seinem Namen führte. Und was wurde nun aus dem Dauner Seifensieder Grethen? Dieser Peter Jakob Heinrich war der Sohn des in Daun tätigen Notars Peter Grethen, der die Maria Anna Meyer aus Gerolstein geheiratet hatte. Geboren wurde Heinrich am 22.10.1822 in Gerolstein, zog aber bald mit seinen Eltern nach Daun. Er erlernte wohl den Beruf des Seifensieders, eröffnete auch in Daun seinen „Seifenladen“. Mit diesem wird er aber wohl keinen großen geschäftlichen Erfolg gehabt haben, denn bereits sieben Jahre später wanderte er als Junggeselle mit Antrag vom 14.9.1855 und 150 Talern (in dieser Summe war bereits das Erbe seines Vaters enthalten, der ein halbes Jahr zuvor verstorben war) nach Nordamerika aus, wo er auch verstarb.
Heute findet sich kein berufsausübender „Seifensieder“ mehr im Kreis Daun. Dafür aber Personen, die Seifensieden auf naturnaher Basis zu ihrem Hobby gemacht haben und dabei auch an das russische Sprichwort denken: „Wenn die Seele schwarz ist, kann man sie auch mit Seife nicht reinwaschen.“