Der nächtliche Schweinetransport

Helmut Pauly, Kradenbach

Betritt der Kunde heutzutage eine Metzgerei oder die Fleischabteilung des Supermarktes, lacht ihn ein umfangreiches Sortiment der verschiedensten Fleisch- und Wurtsorten an. Er braucht nur noch den Geldbeutel zu zücken und schon ist der mit den gewünschten Fleischwaren versorgt.
Früher war das Ganze etwas schwieriger. Wer vom Lande hatte schon Geld, um in die Metzgerei zu gehen und groß einzukaufen? Das kam allenfalls mal zur Kirmes vor. Aber sonst war Selbstversorgung angesagt. Da nahezu in jedem Dorfhaushalt auch Landwirtschaft betrieben wurde, war es in der „kalten Jahreszeit“ gang und gäbe, ein Schwein oder gar ein Rind zu schlachten. Die Schlachtungen wurden vom „Hausschlächter“ durchgeführt, also von einem, der in die Häuser ging und sein Handwerk dort vor Ort verrichtete. Dabei verfügte er in der Regel über keine theoretische Ausbildung und war folglich auch nicht im Besitz eines Gesellenbriefes. Er hatte sich die Kunst des Metzgerhandwerks selber angeeignet und führte so seine Arbeit aus. Die Hausschlachtung war für die ganze Familie mit erheblichem Aufwand verbunden. Am Tag der Schlachtung wurde morgens bereits ein Kessel Wasser erhitzt. War das Schwein geschlachtet,
wurde das fast kochende Wasser in die sogenannte „Moule“ gegossen, in die dann das tote Schwein hinein gelegt wurde. Mit flinken Händen schabte der Schlächter die Borsten vom Schwein bis es blitzblank war. War diese Arbeit erledigt, nahm er ein Doppelscheit, befestigte hieran die beiden Hinterbeine des Schweins und zog es aus der „Moule“ in die Höhe. Hierzu wurde häufig das Hebeleisen benutzt, das auch zum Abbinden der Heufuhre mittels „Wiesbaum“ zum Einsatz kam. Zum Hochziehen des Schweins wurde das Hebeleisen an einem schräg aufgestellten, am Haus lehnenden Balken befestigt. Hing das Schwein schließlich in der Vertikalen am Balken, teilte es der Metzger in zwei Hälften und entfernte die Innereien. Als Kinder haben wir der Arbeit zugeschaut und waren immer ganz erpicht darauf, die Schweinsblase zu ergattern. In Ermangelung eines richtigen Fußballes diente sie nämlich als Fußballersatz. Kühlhäuser gab es zu jener Zeit noch nicht. So hing denn das Schwein mindestens eine Nacht draußen am Balken. Ein Problem waren die Hunde und Katzen, die ja auch frei durchs Dorf liefen. Diese waren nicht abgeneigt, sich einen Happen zu schnappen. Später, als der Elektroweidezaun aufkam, wurden Strom
stöße durch das Schlachttier geleitet. Diese Stromschläge hielten die Räuber fern; sofern denn auch die Batterie des Gerätes durchhielt. War die Schlachtung bereits mit einigen Umständen verbunden, so steigerte sich der Aufwand noch ganz beträchtlich an dem Tag, an dem „Wurst gemacht“ wurde. Meistens am dritten Tage nach der Schlachtung war Wursttag. Dann wurde das Schlachttier zerlegt, Fleisch in Einmachgläser oder Büchsen gefüllt und diese eingekocht. Die Wurst wurde unter Zufügung verschiedenster Gewürze zubereitet und im Kessel gekocht. Heiß begehrt war auch die „Wuschtbrötzopp“, die aus dem Kochwasser samt Wurststückchen von geplatzter Wurst bestand. Bei uns war es üblich, dass beim Schlachten auch die Nachbarschaft mit einem Stück Fleisch, ein paar Würsten und mit einer Kanne Wurstbrühe versorgt wurde. Schlachtete später einer aus der Nachbarschaft, wurde unsere Familie dann in gleicher Weise vom Nachbarn bedacht.
Die „Nachbarschaftshilfe“ hatte den Vorteil, dass die Familien häufiger in den Genuss von frischer Wurst und frischem Fleisch kamen. Nach dem II. Weltkrieg wurde in Deutschland viel Hunger gelitten. Die französische Kriegsbesatzung und die heimischen Behörden hatten die Hausschlachtungen verboten. Im Rahmen von Reparationsleistungen waren auch Tiere abzuliefern. Das führte zu den sogenannten „Schwarz-schlachtungen“. Besonders Mutige führten weiterhin heimlich Schlachtungen durch, oft nachts. Auch die Verarbeitung der Schlachttiere musste in aller Heimlichkeit vorgenommen werden, wollte man nicht im Gefängnis landen.
In der Gemeinde Neichen wurde auch kräftig „schwarz geschlachtet“. In einem Nachkriegswinter wollte eine Familie aus dem Oberdorf ein Schwein schlachten, traute sich aber nicht, dieses in der eigenen Scheune aufzuhängen. Es lag viel Schnee, die Nächte waren kalt und die Kinder hatten eine sehr glatte Schlittenbahn mitten durch das Dorf gebaut. Wie konnte nun der Familie mit dem Schlachtschwein geholfen werden? Der Hausschlächter wusste Rat. Er schlug vor, dass Schwein im Stall zu töten und anschließend zu ihm ins Unterdorf zu bringen. Dort wollte er es an gut geschützter Stelle aufhängen und später zerkleinern.
Gesagt getan. Die Tötung des Schweins ging reibungslos und ohne verdächtige Geräusche über die Bühne. Zum Transport vom Ober- zum Unterdorf wurde ein Schlitten herbei geschafft und das Schwein darauf gelegt. Damit es nicht vom Schlitten fiel, setzte sich der Eigentümer obenauf; der Hausschlächter band ein Seil an den hinteren Teil des Schlittens, um diesen ob der starken Gefällstrecke zurück zu halten. Dann ging es los. Der Schlitten wurde aus dem Hof geschoben in Richtung Schlittenbahn. Es waren kaum zehn Meter auf der abschüssigen Dorfstraße zurückgelegt, da rutschte der „Bremser“ auf der glatten Bahn aus und fiel auf sein Hinterteil. Das Seil entglitt seinen Händen. Der Schlitten mit dem Schwein und dem stolzen Eigentümer obenauf nahm Fahrt auf, geriet nach etwa zwanzig Meter ins Schlingern und kippte um. Schwein und Mann lagen mitten in der Nacht mitten auf der Straße. Da konnten sie ja nun nicht liegen bleiben. Das Schwein wurde wieder aufgeladen und in die Scheune des Hausschlächters gezogen.
Am anderen Tag staunten die Einwohner des Ortes nicht schlecht, als sie einen riesengroßen Blutfleck im Schnee sahen. Natürlich machten sich die Leute alle eine Reim darauf was geschehen war, aber alle hielten dicht. So nahm der missglückte Transport mit dem verlorenen Schwein letztlich doch noch ein gutes Ende. Nach den polizeilichen Feststellungen haben Sie Anfang Juni 1945 insgesamt 8 Ferkel an verschiedene Personen verkauft, ohne vorher bestimmungsgemäß das Lebendgewicht der Ferkel festzustellen und danach den Preis zu bilden. Als Wert wurde von Ihnen 50 RM je Ferkel (6 - 7 Wochen) alt zu Grunde gelegt. Sie haben die Abgabe

Schwarzschlachten - schwer bestraft

Schwarzhandel und -schlachten wurden mit erheblichen Geldstrafen geahndet. Nachstehender Ordnungsstrafbescheid erging an einen Viehhändler aus Mehren

Der Landrat
Ordnungsbehörde, Ord. Pol. 507, Strafl. Nr. 1/45

An
Herrn Nikolaus Kaufmann und Landwirt
in Mehren

Daun, den 2. August 1945
Gegen Zustellungsnachweis!

Ordnungsstrafbescheid

eines Ferkels von Gegenleistungen von bewirtschafteten Lebensmitteln, Hafer und u.a. 15 Büchsen Fleisch abhängig gemacht. Sie haben somit den Bestimmungen der Ernährungswirtschaft und den Bestimmungen der Verbrauchsregelungsstrafordnung zuwider gehandelt. Wegen der festgestellten Zuwiderhandlungen nehme ich Sie hiermit in eine Ordnungsstrafe in Höhe von 1.000 Reichsmark. Außerdem werden die 15 Büchsen Fleisch eingezogen. Meine Strafbefugnis stützt sich auf die Bestimmungen des § 26 der Verordnung über Strafen und Strafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen Preisvorschriften vom 3.6.1939 (RGBl. I S. 999). Gegen diese Straffestsetzung ist die Beschwerde zulässig, die g.F. innerhalb einer Woche nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich bei mir einzureichen wäre und über die der Herr Regierungspräsident in Trier endgültig entscheidet.
Ich weise jedoch darauf hin, daß dieser Strafbescheid im Beschwerdeverfahren auch zu Ihrem Nachteil geändert werden kann (§§ 28 bis 32 der Verordnung über Strafen und Strafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen Preisvorschriften vom 3.6.1939). Da die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, werden Sie ersucht, den festgesetzten Strafbetrag nebst Kosten sofort bei der Kreissparkasse in Daun auf das Konto der Preußischen Regierungskasse in Wittlich einzuzahlen. Sofern der Strafbetrag binnen einer Woche nach Zustellung dieses Bescheides nicht eingegangen ist, erhält die Preußische Regierungskasse Anweisung, den Betrag zwangsweise beizutreiben, wodurch Ihnen weitere Kosten entstehen werden. Bemerken möchte ich noch, dass die Militärregierung von mir verlangt hatte, sie in Haft zu nehmen und eine Geldstrafe von 3.000 RM festzusetzen. Die Kosten des Ordnungsstrafverfahrens errechnen sich wie folgt: Gebühr für den Erlaß des Strafbescheides: 50,00 RM
Zustellung:         0,50 RM