Dorfschreiner Ihm Linnert

Hubert Häb, Steiningen

Als siebtes Kind seiner Eltern wurde er in Steiningen geboren. Seine Jugend verlief wie die aller Kinder in dem kleinen Eifeldörfchen durch Mithilfe in der kleinen Landwirtschaft, aber auch das Spielen sollte nicht zu kurz kommen. Die damals noch autofreie Straße bot dazu reichlich Gelegenheit. Eine ganz neue Spielart kam auf, als Besuch aus Amerika kam, Auswanderer aus dem ehemaligen Dorf Allscheid. Sie brachten einen kleinen Sack mit gläsernen Klickern mit, die in ihrem Wert alle anderen Tonklicker weit überstiegen. Eine ganz besondere Freude aber war es, im Herbst die Obstbäume zu erklettern, die mit ihren reifen Früchten geradezu einluden. Das aber ergrimmte den Baumbesitzer, der mit einer Tracht Prügel drohte, nicht aber mit der Schnelligkeit der Beine der Jugend gerechnet hatte. Unser junger Mann aber wuchs heran. Am 15ten Juli 1877 war dann die Jugendzeit zu Ende. Er ging nach Ulmen, wo das Schreinerhandwerk erlernt werden sollte. Zwei Jahre sollte die Lehre dauern; das erschien dem Lehrling zu wenig, deshalb zog es ihn in die Ferne auf Wanderschaft in fremde Betriebe. Wie wir aus seinem selbst geschriebenen Lebenslauf ersehen, hat er diese Zeit seiner Wanderschaft reichlich genutzt und sowohl im Inland wie auch im Ausland überall wissbegierig versucht, sich Neues und Brauchbares für seinen Beruf anzueignen und nutzbar zu machen. Wie hoch er die Zeit seiner Wanderschaft einschätzte, geht aus seinem Satz hervor: „Die Jahre der Wanderschaft waren die schönsten meines Lebens.“Als gelernter Schreiner wollte er sich auch selbständig machen. Die Voraussetzungen waren bestens, denn er war der einzige Schreiner im Ort. Fertige Möbel oder Geräte für den Haushalt gab es noch nicht; also war das Können des Schreiners gefragt. Seine erste und auch große Aufgabe

war es, zunächst einmal eine Werkstatt einzurichten. Da bot sich ein noch leer stehender Raum aus der bisherigen kleinen Landwirtschaft geradezu an. Dann musste eine Hobelbank her. Damit war dann der Anfang gemacht, und alles andere wurde, so wie es der Geldbeutel erlaubte, angeschafft. An Arbeit fehlte es unserem jungen Schreiner nicht, war er doch der einzige Schreiner im Ort und auch noch im Nachbarort. Bald wurde ein Geselle eingestellt, um die vielen Aufträge zu bewältigen. Bemerkenswert war auch, dass alles was hergestellt wurde, reine Handarbeit war, und auch viel Zeit in Anspruch nahm. Das gefiel unserem Schreiner gar nicht und er besann sich, zukünftig Handarbeit so weit wie möglich durch Technik zu ersetzen. Dieser Auftrag an die Handwerkerschaft gilt heute noch und ist auch immer noch

nicht beendet. So wuchs die Werkstatt des Schreiners im Laufe der Jahre immer mehr, passte sich der Zeit an und wurde, soweit es der Geldbeutel erlaubte, immer modernisiert. Ihm Linnert, wie er in Steiningen gerufen wurde, war eine Persönlichkeit geworden. Es war sein Humor, der ihn auszeichnete, immer zu einem Scherz bereit und stets lebensfroh. Was man an ihm aber besonders schätzte, das war seine kleine Weltreise, die seinen willkommenen und auch unwillkommenen Gästen reichlich Gesprächsstoff lieferte. So war es denn kein Wunder, dass auch die Hobelbank als Sitzplatz benutzt wurde und dies nicht zur Freude des Meisters. Der aber wollte nicht unhöflich sein, benötigte aber den Platz und sann auf Abhilfe. Da fiel ihm ein, dass man beim Hobeln eines Brettes mal ausrutschen konnte und ganz unverhofft und nicht gerade zimperlich in der Hüfte des jungen dort sitzenden Mannes landete. Das war dann doch zuviel des Guten und dieser machte Platz mit der Bemerkung: „Ob ich hindere oder nicht, jetzt mach ich Platz.“ Eine ganz andere Begebenheit, die Ihm Linnert Freude bereitete, war die Nacht zum ersten Mai, in der ortsüblich seitens der Jugend innerhalb des Ortes Streiche verübt wurden, die in dieser Nacht nicht geahndet wurden, wenn sie sich im Rahmen des Erträglichen bewegten. Ihm Linnert, seit eh und je vertraut mit solchen Scherzen, hielt es an diesem Morgen nicht lange im Bett. Er wollte sehen, was man in diesem Jahr angestellt hatte. Da er direkt gegenüber der Kirche wohnte, fiel sein Blick ganz automatisch auf ein kleines Einpersonenhäuschen, das auch noch mit einem kleinen Herzchen versehen war. Die Jugend hatte es ihm auf sein Grundstück gestellt. Kein Zweifel also über seine Verwendbarkeit; da ergriff es Ihm Linnert und er eilte zu seiner Frau, die noch im Bett lag.
Freudestrahlend gab er seiner Frau kund, was er gesehen hatte, und nahm sie im Nachtgewand mit ans Fenster. „Guck doch Katharina, sieht das nicht sehr einladend aus?