Lehrling, Geselle, Meister

Harald Billen, Niederstadtfeld

Geselle ist, wer alles kann.
Meister ist, wer was errang.
Lehrling sein kann jedermann!

Über 20 Jahre ist es nun schon her, dass ich meine Lehre als Maurer in einem kleinen Eifelunternehmen begonnen habe. Nicht unbedingt, weil es mein sehnlichster Wunsch war, sondern ich wusste einfach nicht so genau, was ich nach der Schule machen wollte. Vorbelastet durch meinen Vater verschlug es mich so auf den Bau. Vorrangig war ich zunächst froh, nicht mehr in die Schule gehen zu müssen. Zumindest als Schüler dachte ich es könne nichts Schlimmeres geben. Diese Meinung änderte sich schon nach kurzer Lehrzeit.
Das Arbeitsleben entpuppte sich nicht als Honigschlecken, und die Luft am Bau war sehr rau. Klar verdiente man endlich Geld. Jedoch aus dem geplagten Schüler war jetzt ein noch mehr geplagter Maurerlehrling geworden, der sich vieles leichter vorgestellt hatte. Ich genoss plötzlich die Tage, an denen wir Berufsschule hatten, da diese die vermeintlich leichtesten waren. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, sagte meine Mutter immer, wenn ich mal wieder über meine ach so schwere Arbeit klagte. An diesem Spruch war schon etwas Wahres dran. Als „Stift“ ist man dann meist auch noch für die „niederen“ Arbeiten zuständig. Gerade am Anfang der Lehrzeit ist das eigentliche „mauern“ nicht grade die Hauptbeschäftigung, die man als Lehrling hat. Zu groß ist die Vielfalt der anfallenden Arbeiten auf der Baustelle. Schwierig war auch oft, sich bei manch altem Bauhandwerker zu behaupten, der einem Lehrling das Leben oft schwer machte. Da ging oft vieles viel zu langsam, die „Späis“ (Mörtel) war entweder zu dünn oder zu fett oder zu mager, egal: irgendwie war sie nie so wie sie sein sollte. Auch den Mörtel mit dem sogenannten „Vogel“ (ein Kübel zum Tragen auf der Schulter) aufs Gerüst tragen, blieb mir nicht erspart. Ein beliebter Spaß war es, dem „Stift“ den Vogel so voll zu füllen das er beim Tragen auf der Leiter unweigerlich überschwappte.
Wie schon gesagt: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ .......
Nach einer sehr holprigen Anfangszeit fasste ich dann langsam Fuß und erlerntes Können machte mich sicherer im Umgang mit dem Beruf und Kollegen. Schwierig für mich, und auch wohl für andere Lehrlinge, war später der Übergang von der Lehrzeit zur Gesellenzeit. Nach bestandener Prüfung war man plötzlich eine (fast) vollwertige Kraft im Betrieb. Positiv war die Lohnsteigerung, jedoch musste man auch die Leistung eines „Gesellen“ bringen. Man hieß zwar jetzt Geselle, war aber noch nicht weiter als der Lehrling, der man vor ein paar Tagen noch gewesen ist. Ich merkte sehr den verstärkten Druck, der vor allem vom Chef damals ausging. Verständlich, schließlich sollten der neue Lohn und die geleistete Arbeit zueinander passen. Wahr ist sicherlich der vielzitierte Satz, dass man erst als Geselle so richtig lernt. Man ist nun mehr in der ersten Reihe tätig. Und dieses Gefordertsein bringt viel neues Können und Erfahrung. Auf jeden Fall braucht man eine gewisse Zeit, sich als Geselle zu etablieren.
Eingehen will ich hier auf die sich noch immer hartnäckig haltende Klischeevorstellung, dass ein Bauhandwerker und eine Flasche Bier zusammengehören. Sicher gibt es, vor allem aus früheren Zeiten, Beispiele, die das belegen. Für mein Umfeld kann ich jedoch sagen, dass Alkohol nie eine Rolle gespielt hat. Klar gab’s zu besonderen Anlässen mal was zu trinken, jedoch nicht mehr als in anderen Firmen und Berufen auch. Auch die „zünftigen“ Richtfeste hielten sich alle in Grenzen. Außerdem erledigt sich das Thema bei immer weiter verstreuten Baustellen und langen Fahrzeiten schon von selbst. Nach einigen Gesellenjahren meldete ich mich zusammen mit einem Freund zum Meisterkurs an. Der Kurs lief in Teilzeit, also neben der Arbeit samstags und abends. Harte zwei Jahre für mich, und die abschließende Prüfung verlangte mir alles ab. Viele Kursteilnehmer blieben dabei auf der Strecke. So richtig bewusst wurde mir der Schritt zum Meister erst allmählich. Wieder verschoben sich, wie schon bei der Gesellenprüfung, die Beziehungen zu Kollegen. Viele kannten mich schon als Lehrling, dann als Geselle. Als Meister akzeptiert zu werden, ist dann nicht immer einfach. Auch das Verhältnis zum Chef änderte sich gravierend, und die Verantwortung stieg enorm. „Man wächst mit den Aufgaben“ hieß es dann. Oft hatte und habe ich das Gefühl, dass die Aufgaben etwas schneller wachsen als ich. Dennoch belohnen gelungene Arbeiten immer wieder für die Mühen. Interessant ist auch der Umgang mit Lehrlingen, und überraschend oft erinnert man sich an die eigene Lehrzeit. Viele Fehler, die man damals gemacht hatte, findet man wieder, natürlich ohne sie preiszugeben. Oft merkt man auch erst im Nachhinein, dass man manchmal zuviel vom „Stift“ und auch von anderen Mitarbeitern verlangt. Der „Meister“ muss halt eben der Firma, dem Bauherrn, dem Architekten und den Kollegen gerecht werde. Dies gelingt leider nicht immer, in der hektischen Zeit heute sogar eher selten. Bisheriges Fazit meiner Bauarbeiterlaufbahn ist die Erkenntnis, dass ich von vielen, die ich getroffen habe, sehr beeindruckt war. Sei es durch ihr Geschick oder Können oder aber auch das Verstehen komplizierter Projekte und damit verbundenes räumliches Vorstellungsvermögen. Auch die Erkenntnis, dass viele Meister manchem Gesellen das Wasser nicht reichen können, ist nicht neu. Leider ist es aber auch so, dass im Verständnis vieler Leute der Maurer nur ein paar Steine aufeinander zu setzen braucht, obwohl viel mehr dahinter steckt.