Mein Opa

Sarah Koep (13 Jahre), Wiesbaum

Wenn mein Opa von früher erzählt, dann kann ich immer nur mit dem Kopf schütteln, weil mir das vorkommt, als ob es schon vor Jahrhunderten gewesen wäre. Dabei ist der Krieg, der 2. Weltkrieg, erst mal etwas über sechzig Jahre her.

Sicher, für mich ist das auch schon schrecklich lange, aber wenn ich mir meinen Opa so als Lausejungen vorstelle, dann ist es doch auch wieder nicht so lange. Und wenn ich die Fotos sehe …. Schrecklich! Mein Opa kannte keine Jeans! Selbstgestrickte Strümpfe, hochgeschnürte feste Schuhe, so was wie Shorts mit Hosenträgern und abgelegte Hemden. T-Shirts gab es noch nicht! Und wenn man dann im Stall oder auf dem Hof helfen musste, dann sah man schnell dreckig aus. Gewaschen wurde eher selten und war sehr mühselig.

Eine seiner Aufgaben war es, täglich Wasser holen zu gehen. Zu einem Bach! Im Haus gab es damals noch kein fließendes Wasser. Mit einem Blecheimer musste er ungefähr zwei Kilometer gehen. Zum Spazierengehen ist das vielleicht nicht viel, aber mit einem gefüllten Eimer! Und wehe, wenn zuviel rausgeschlabbert war, da konnte er gleich noch einmal gehen. Einmal hatte er schreckliche Angst gehabt. Er spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Er konnte Gefahr richtig riechen.

Er blieb stehen und überlegte, ob es besser wäre, wieder umzukehren. Aber er war schon über die Hälfte des Weges gegangen. Schritt für Schritt ging er weiter, duckte sich hinter Hecken, beobachtete das Gelände. „Was war das für ein Geräusch?“, dachte er sich. „Vielleicht ein Wildschwein? Oder Soldaten? Werden die mich töten, wenn sie mich finden?“

Langsam ging er weiter. Das Geräusch war jetzt ganz nah. Sein Herz klopfte furchtbar. Er sah etwas Dunkles durch das hohe Gras schimmern. Etwas Längliches. Was war das? Halt, jetzt bewegte sich das Ungetüm. Es hustete, es richtete sich auf. Es war ein Mensch. Es war der Nachbar. Meinem Opa fiel ein Stein vom Herzen.

Der Nachbar hatte wohl ein bisschen zuviel selbstgebrannten Schnaps getrunken. Er schlief seinen Rausch aus. Und das Geräusch, das mein Opa gehört hatte, war dessen lautes Schnarchen.