„Flimmerndes Herz“

Eine Fantasiegeschichte

Jana Dorfner (13 Jahre), Kerpen

Marie steht in ihrem Zimmer und betrachtet es, als ob sie es zum ersten Mal sähe. Ihr Bett, mit rosa Himmel darüber, ihr großer weißer Schrank, vollgestopft mit Kleidung aller Art, ein Regal, bis unter die Decke mit ihren Lieblingsbüchern gefüllt, der Schreibtisch vor dem Fenster, voll mit – ja, womit eigentlich? Der CD-Player läuft noch, aber Marie hört nicht mehr die Musik. Ihre schöne, rosa Welt scheint nicht mehr die von gestern, was sag ich – von noch vor zehn Minuten zu sein. Hier darf sie nicht mehr sein. Von hier muss sie fort. Schon bald.

Sie kann es nicht fassen. Sie kann es nicht begreifen. Sie setzt sich im Schneidersitz in die Mitte des flauschigen weißen Teppichs und starrt vor sich hin. Sie möchte weinen, aber es kommen keine Tränen. Sie hält ihr „Knuddel-kissen“ fest vor sich gepresst und wirft es dann mit einem Aufschrei voller Verzweiflung gegen den Player, der sogleich verstummt. Aber etwas ist ins Rollen gekommen. Eine Dose springt vom Tisch, Papiere flattern hinterher, Stifte kullern hinab, ein Bleistiftspitzer rollt genau vor ihre Füße; die kleinen braunen Holzspiralen senken sich auf den Teppich.

Es sieht aus wie Blätter im Herbst. Aus der Dose ist auch etwas auf sie zugerollt, eine wunderschöne Murmel. Sie nimmt sie zwischen Daumen und Zeigefinger und schaut mit einem Auge hindurch. Sie dreht sie langsam. Was für Farben! Du glaubst an einem weit entfernten Strand zu sein und siehst die Abendsonne sich im Wasser spiegeln. Marie seufzt. Die Kugel ist von Michael, von Mike, wie sie sagt. In den letzten Sommerferien haben sie sich zufällig kennen gelernt. Sie hat sich gleich in ihn verliebt, aber ihre Eltern haben ihr ja alles vermasselt. „Zu jung!“, haben sie immer wieder gesagt und alle Kontakte verboten und auch unterbunden. „Wie eigentlich?“, fragte sie sich jetzt. Jedenfalls war die Murmel ein Geschenk von Mike.

„Wenn du hindurchschaust, denkst du immer an jetzt und an mich“, hatte er geflüstert. Sie glaubte beinah seinen Atem zu spüren, so stark dachte sie an die damalige Situation. Plötzlich kam ihr etwas in den Sinn. War da nicht mal ein Brief gekommen mit Absender von Hamburg? Sie konnte sich genau erinnern, was für einen Aufstand ihre Mutter darum machte, wie sie sie ausschimpfte, weil sie angeblich „fremde Post“ durchschnüffelte. War das vielleicht ein Brief von Mike? Wenn sie nach Hamburg zögen - und dort lebt Mike – ja, dann wäre alles wieder gut.

Dann würde sie sich auf den Umzug freuen. Natürlich gäbe es Abschiedsschmerz. Alle ihre Freundinnen.Aber dafür fände sie vielleicht Mike. Ja, das war ein guter Weg. Und als sie daran dachte, umspielte ein kleines Lächeln ihren Mund.