Wiedersehen

Andrea Schmitz (13 Jahre), Mirbach

Der folgende Text beruht auf Tatsachen. Er hat sich auf unserem Bauernhof in Mirbach während des 2. Weltkrieges abgespielt. Mein Großonkel Alois Meyers aus Niederstadtfeld, der damals 15 Jahre alt war, hat sie mir erzählt. Im Herbst 1944 kam eine Flüchtlingsfamilie, ein Ehepaar mit seiner Tochter und Enkeltochter, aus dem Dorf Roth bei Prüm auf unserem Hof an. Sie hatte einen langen Weg von über 40 Kilometern hinter sich. Auf einem Leiterwagen, bespannt mit einer hohen Plane als Regenschutz, hatte sie das Notwendigste an Kleidung, Wäsche und Essensvorräten, aber auch ein Radio (der damals allbekannte Volksempfänger) verstaut.

Der Vater führte ein Ochsengespann, die Tochter trieb zwei Kühe an, die an dem Wagen festgebunden waren. Zwischen Stroh und Gepäck saßen die Großmutter und ihre zehnjährige Enkeltochter. Ihren eigenen Hof hatten sie verlassen müssen, weil die Front von Belgien aus schon dicht an die deutsche Grenze gerückt war. Unser Hof war damals von deutschen Soldaten belegt. Trotzdem wurde für die Flüchtlingsfamilie ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Man half sich gegenseitig bei der Arbeit und bei der Verpflegung von Mensch und Tier.

Eines Abends kam ein Soldat, der nicht zu den übrigen Einquartierten gehörte, in unsere Küche. Die Mutter der Flüchtlingsfamilie schrie auf: „Oh Hannes, bist du es?“ In der Tat, es war ihr Sohn. Sie hatten schon lange kein Lebenszeichen von ihm bekommen. Nun hatte er Genesungsurlaub erhalten. Da sein Heimatdorf durch die Kriegswirren zerstört und wegen der Invasion von seinen Bewohnern verlassen war, hatte er einige Tage gebraucht, um seine Familie ausfindig zu machen. Viele Leute musste er fragen, viele Umwege machen, um seine Familie zu finden. Doch seine Sehnsucht nach ihr gab ihm Kraft, den weiten Weg durchzuhalten.

Hannes war erschöpft, hungrig und durstig, aber überglücklich, sie wiederzusehen. So kehrte trotz der ständigen Angst vor dem Krieg etwas Freude ein. Er konnte sich noch zwei Wochen bei seiner Familie auf unserem Hof erholen, bis er wieder an die Front musste.

Nach Ende des Krieges -1945 - und längerer Gefangenschaft kam Hannes wieder in seine alte Heimat zurück, wo seine Familie mit dem Aufbau ihres Hauses wieder begonnen hatte. Und bis auf den heutigen Tag halten unsere Familien Kontakt und Freundschaft untereinander.