Christian Schend – Philipp und Georg Zirbes

Eifeler Auswanderer machen Karriere in der neuen Welt

Friedbert Wißkirchen, Daun

Auswanderung der Familie Schend aus Neunkirchen

Die Auswanderung aus der Eifel nach Amerika geschah vereinzelt ab 1820; 1840 setzte eine regelrechte Auswanderungswelle ein. Ab 1842 wurden die Auswanderer auch namentlich bei den örtlichen Behörden erfasst, wenn auch nur lückenhaft und oft nur der Haushaltsvorstand ohne weitere Familienmitglieder.

Einer der ersten bekannten Neunkirchener (heute: Stadtteil von Daun), der das Wagnis der Auswanderung, den Abschied von einer vertrauten Umgebung und von engen Familienbanden wagte, war 1842 Friedrich Wilhelm Schend, geboren am 20.9.1820 in Steinborn. Er hatte die Erlaubnis zur Ausreise mit Auswande-rungsconsens vom 11.3.1842 erhalten. Mit dem Schiff ALL-BREC erreichte er von Antwerpen aus am 24. August 1842 New York. Vier Jahre später machte sich erneut eine Neunkirchener Familie auf den Weg in die neue Welt. Hatte der 1842 ausgewanderte Friedrich Wilhelm Schend seinen Vetter

durch gute Nachrichten dazu bewogen? Johann Adam Schend, geboren 10.2.1800, Bauer und Schreiner, hatte Haus, Hof und Ländereien verkauft und daraus einen Erlös von 1000 Talern erzielt. Mit seiner gleichaltrigen Ehefrau, Maria Katharina geb. Stadtfeld, den Kindern Anna Maria (*18.11.1831) und Christian (*26.9.1833) machten sie sich im Sommer 1846 mit ihrer wenigen Habe, die sie mitnehmen durften, auf den Weg an einen Rheinhafen - vielleicht Neuwied? Die Auswanderungsakte beim Bürgermeisteramt spricht von zwei Töchtern von 13 und 14 Jahren. Auch in der Passagierliste wird „Christina“ als zweite Tochter genannt.

Bei der angeblichen Tochter Christina handelt es sich eindeutig um den Sohn „Chris-tian“, über den noch zu berichten sein wird. Mit einem Rheinschiff ging es zunächst nach Antwerpen, wo sich die Familie auf der MOUNT VER-NON einschiffte. Nach 47 Tagen auf See, erreichten sie am 12. August 1846 zusammen mit der Familie Christian Kauth aus Neunkirchen, sowie Auswanderern aus Daun, Boverath, Schalkenmehren und Üdersdorf den Hafen von New York. Mit dabei waren auch Christina Brand (42) und ihr 18-jähriger Sohn Jakob, die nach der Anmerkung bei Mergen1: „reist mit Johann Adam Schend aus“, wahrscheinlich zur Verwandtschaft zählten.

Ein weiterer Passagier aus Neunkirchen auf der MOUNT VERNON war Theodor Schend, geboren 12.12.1815, der Bruder des 1842 ausgewanderten Friedrich Wilhelm und ein Vetter von Johann Adam. Mit dem Flussdampfer ging es anschließend den Hudson River nach Albany hinauf. Auf einem kleineren Kanalboot erreichten sie nach neun Tagen Buffalo. Krankheitsbedingt mussten sie auf ihrer Reise einige Zwischenstationen einlegen und kamen erst 1847 in Southport/Wisconsin an.

Die Auswanderer Johann Adam und Katharina Schend

Nachdem die Familie ihr endgültiges Ziel erreicht hatte, errichtete Johann Adam Schend 1850 eine Gaststätte und war als Gastwirt und Hotelier tätig und betrieb (1860) eine Farm. Besonders während des amerikanischen Bürgerkrieges war „Father Schend’s Inn“ ein populärer Treffpunkt der deutschen Regimenter und der Politiker. Die Abschiedsbankette der ins Feld ziehenden Soldaten der UNION wurden in „Father Schend’s Tavern“ gefeiert.

Auch Versammlungen und Konferenzen fanden häufig mit namhaften Politikern, wie Gouverneuer Harvey, dort statt. Johann Adam starb 1882 und seine Frau Maria Katharina 1888 ins Kenosha. Nachweislich wurde in den USA noch die Tochter Margret Schend, verheiratet mit Anthony Wirtz, geboren, die die Taverne nach dem Tod der Eltern führte. Die alte Gaststätte, eines der ersten Häuser von Kenosha, fiel 1899 einem Brand zum Opfer und wurde wieder aufgebaut.

Polizeipräsident und Feuerwehrchef von Kenosha

Die Familie Johann Adam Schend hatte insgesamt 11 Kinder, 3 davon sollen in Amerika zur Welt gekommen sein, nachweislich nach 1850 Margret. Die Kinder Marga-retha, Jakob, Maria Eva, Nikolaus und Michael waren zwischen 1830 und 1842 in Neunkirchen verstorben, zwei Kinder wurden tot geboren.

Das dritte Kind war Christian, der am 21.9.1833 in Neunkirchen das Licht der Welt erblickte. Nach Schulbesuch in Kenosha erlernte er den Beruf als „wagon maker“ (Wagen-macher)3. 1855 heiratete er Catherina Bosteter, die am 21. Juni 1835 im Elsass geboren wurde und deren Eltern als Auswanderer nach Kenosha gekommen waren. Aus dieser Verbindung gingen acht Kinder hervor: Louise, Margaret, Mary (Sievers), Lecette (Her-schede), Catherine (Saftig), Paulina, William und Charles. 1884 starb die Ehefrau Katharina; Christian Schend heiratete 1888 in zweiter Ehe Fran-ces Sanborn.

Christian Schend war einer der ersten Siedler in Kenosha, ein viel beschäftigter, unermüdlicher und fleißiger Mann, mit umfassenden Talenten und Fähigkeiten ausgestattet. Nach der Lehre eröffnete er ein eigenes Geschäft als Wagenmacher, baute und verkaufte selbst gefertigte Wagen. Zusammen mit seinem Vater betrieb er (1860) ein Kaffeehaus und eine Gaststätte, führte über 30 Jahre lang ein Hotel, war im Lebensmittelgroßhandel tätig und am Bau einer Brücke und des Hafens von Kenosha mit einer eigenen Firma beteiligt.

Die berufliche und geschäftliche Tätigkeit hätte wahrscheinlich ausgereicht, sein Leben auszufüllen. Christian Schend war ein überzeugter Demokrat und ein Mensch mit hoher sozialer Verantwortung. Sein Rat war in zwanzig Jahren als Mitglied des Stadtrates von Kenosha gefragt, 15 Jahre war er Mitglied im „County Board“4. Der Stadtrat berief ihn zum Schulbeauftragten, fünf Jahre war er „Assistent of Kenosha“5, 35 Jahre gehörte er der Feuerwehr von Kenosha an, dreizehn Jahre war er Chef des „Fire Department“6. Bereits 1863 war Schend Stadtmarschall. Die Bürger wählten ihn 1888 bis 1892 zum Polizeichef von Kenosha, weil er ein strenger, gerechter und durchsetzungsfähiger Mann war. Auch in sozialen Gesellschaften und Vereinen und der Katholischen Kirche war Christian Schend Mitglied und Förderer.

Christian Schend war einer der prominentesten Deutschen in Kenosha, hoch angesehen und geachtet. In einer Biografie wird er als „der“ Bürger der Stadt und des Kreises bezeichnet, der wie kein anderer der Allgemeinheit in öffentlichen Ämtern über viele Jahrzehnte zuverlässig und aufopfernd gedient hat. Er starb am 13. April 1913 in Kenosha. Nachfahren scheinen in die Fußstapfen von Christian getreten zu sein; 1937-40 ist Leo Schend County Sheriff.

Die Zirbes-Familie aus Üdersdorf

Über 100 Personen aus Üders-dorf – ohne Tettscheid und Trittscheid – wanderten zwischen 1843 und 1875 aus. Einer der ersten Auswanderer, die den Schritt in die Ungewissheit der neuen Welt wagten, war Philipp Zirbes. Geboren am 16.4.1818 in Üders-dorf als Sohn des Schmieds Johann Peter Zirbes und Barbara geb. Jungels, hatte er bei seinem Vater, der eine Schmiede in der Nähe der „alten Schule“ betrieb, das Schmiedehandwerk erlernt. Im Sommer 1843 machte sich der 25-jährige Philipp mit den Üdersdorfer Familien Nikolaus Zapp, Michael Pantenburg (Trittscheid), Matthias Ludwig und Johann (Josef) Brost auf den Weg zum Hafen nach Antwerpen.

Mit dem Schiff MANCHESTER kamen sie nach etwa vierzigtägiger Reise am 12. Juli 1843 in New York an. Nach knapp zwei Jahren kehrte Philipp Zirbes in seine Heimat zurück, denn er hatte seiner Braut versprochen, sie auch nach Amerika zu holen. Am 6. Mai 1845 heiratete in Üdersdorf Philipp seine Braut Elisabeth Schmitz aus Daun-Gemünden. Etwa ein Jahr verbrachte Philipp in seiner Heimat und überzeugte seine Eltern und Geschwister und auch seinen Schwager Johann Jungen, dass Amerika eine bessere Zukunft bieten würde. Wohnhaus, Schmiede, Stall, Scheune und Ländereien wurden verkauft; Ende Mai - Anfang Juni machten sich nicht nur die Zirbes, Jungen sondern auch andere Üdersdorfer zum Hafen nach Antwerpen auf, begleitet von guten Wünschen der Verwandten, Nachbarn und Freunde.

Vater Johann Peter Zirbes (63) mit seiner Frau Barbara geb. Jungels (59), die unverheirateten Kinder Maria Elisabeth (29), Peter (21) und Elisabeth (16),7 Schwager Johann Jungen (36) mit seiner Frau Margaretha geb. Zirbes (34) und ihren Kindern Barbara (8) und Maria Anna (6) und Philipp mit seiner Ehefrau Elisabeth geb. Schmitz (22), bestiegen in Antwerpen das Segelschiff MOUNT VERNON, deren Passagierliste viele Eifeler Na-men8 enthielt. Am 12. August 1846 betraten sie im Hafen von New York amerikanischen Boden.

Sie nahmen den gleichen Weg nach Wisconsin wie die Familie Johann Adam Schend aus Neunkirchen. Die Familie Zirbes war kurze Zeit in Milwaukee und erreichte im November 1846 Racine.9 Schon kurze Zeit nach seiner Ankunft fand Philipp eine Anstellung als Bediener einer Dampfmaschine, da er als Schmied über die notwendigen technischen Fähigkeiten verfügte. Bald aber machte er sich selbstständig und betrieb einen Lebensmittelhandel. Der Grundstein für den Wohlstand der Familie bildete aber eine Brauerei, die er zeitweise zusammen mit einem seiner Söhne über viele Jahre leitete. Seine Frau Elisabeth schenkte ihm zwischen 1847 und 1864 sieben Söhne und sechs Töchter.

Der älteste Sohn Johann Peter (*1847), der den Namen seines Paten und Großvaters trug,wollte Priester werden. Mit 24 Jahren trat er ins Priesterseminar ein, starb jedoch noch vor seiner Priesterweihe. Der zweitälteste, George, war am 15.10.1848 geboren; über ihn und sein Wirken wird noch zu berichten sein.

Auch der drittälteste Sohn Peter (*1825) war zunächst Far-mer10 und später im Brauereigeschäft zusammen mit dem Vater tätig. Er hatte ein komfortables Haus und die Farm umfasste 8 „acres“11 Land.

1875 und 1876 war er gewählter „Town Super-Visor“12 von Brighton. Verheiratet war er mit Maria Schäfer, einer Auswanderin aus “Preußen“; die Ehe war kinderlos. Am 1. November 1876 starb Elisabeth Zirbes in Racine. Philipp überlebte seine Ehefrau um acht Jahre und starb am 19. Februar 1884. Philipp wurde als eifriger, aktiver Katholik beschrieben, der den Landkauf für den Neubau der Kirche mit finanzierte, den Bau der St. Mary’s Kirche förderte und über viele Jahre als Verwalter und Kirchenvorstand tätig war. Darüber hinaus geht auf seine Initiative der Bau zweier weiterer Kirchen zurück. Er war eine einflussreiche und sozial eingestellte Persönlichkeit, dem Nachbarn und Mitbürger mit Respekt und Achtung begegneten. Weit über Racine hinaus war er bekannt und genoss hohes Ansehen. Er wurde auf dem „Holy Cross“ Friedhof bestattet.

Baumeister George Zirbes

George Zirbes wurde 1848 in Racine geboren. Er besuchte zunächst die Schule der Kirchengemeinde und später die öffentliche Schule. Anschließend machte er eine Ausbildung zum Schreiner und Zimmermann. Schon kurz nach seiner Lehrzeit, mit 18 Jahren, entflammte in ihm der Unternehmergeist. Er schloss Verträge ab und baute Häuser; heute würde man dies als Fertigbau zu Festpreisen bezeichnen. 5 Jahre war er in Racine und Umgebung als selbstständiger Baumeister tätig. 1871 waren zwei Ereignisse für sein Leben von Bedeutung. Am 16.11.1871 heiratete er in Waterfort, Bezirk Racine, Margaretha Kaiser, eine Aussiedlerin aus dem Raum Trier. Mit ihr übersiedelte er kurz nach der Hochzeit nach Chikago. Acht Söhne und drei Töchter gingen aus dieser Verbindung hervor.

Das zweite Ereignis war der Brand in Chikago, der wenige Wochen zuvor die Stadt verwüstet hatte. Der Sommer 1871 war heiß und trocken gewesen, seit Juli waren nur drei Zentimeter Regen gefallen. Am 8. Oktober begann die Brandkatastrophe; begünstigt durch starke Südwestwinde fraß sich das Feuer zur Stadtmitte hin, überquerte sogar den Chikago River und zerstörte Gebäude, Masten, hölzerne Bürgersteige auf einer Länge von sechs und einer Breite von mehr als einem Kilometer. Nach zwei Tagen wurden 200 – 300 Tote und Vermisste beklagt, ein Schaden von 200 Millionen Dollar verursacht.

100.000 Menschen wurden obdachlos. Im Wiederaufbau der niedergebrannten Stadt erkannte George Zirbes seine Chance. Fünf Jahre engagierte er sich in den Wiederaufbau von Chikago und sammelte berufliche Erfahrungen und Fertigkeiten als Baumeister. 1876 kehrte er nach Racine zurück – erfolgreich und scheinbar auch mit großen finanziellen Möglichkeiten ausgestattet. In seiner Geburtsstadt baute er im Laufe der Jahre die Schule, die St. Mary’s Kirche, die Kirche vom Heiligen Namen, die Kapelle der St. Katharinen-Akademie und die St. Josefskirche.

Auch das Fabrikgebäude des bedeutendsten Industriebetriebes der Stadt, der Stecher, Webber & Huetten Manufactoring Company und weiterer bedeutender Bauten gehen auf seine Planung und Baukunst zurück. 1890 kaufte sich George Zirbes in die vorgenannte Manufactoring Company ein und wurde scheinbar als Mehrheitseigner deren Präsident. Die Firma hatte sich auf die Herstellung von Fensterrahmen, Türen, Jalousien und Büroeinrichtungen spezialisiert und beschäftigte über 50 Mitarbeiter.

George Zirbes war ein Jahr lang Bürgermeister, gehörte über viele Jahre dem Stadtrat an, war Mitglied und Förderer der von ihm gebauten St. Mary’s Kirche, bekleidete acht Jahre lang das Amt des Sekretärs und war anschließend Schatzmeister der Kirchengemeinde. George wird als einflussreicher Mann, bekannte Unternehmerpersönlichkeit mit großer Anerkennung für sein kirchliches und öffentliches Engagement bezeichnet. Der Traum von einem besseren Leben, von Arbeit und freiem Land blieb so manchem Auswanderer versagt. Die Eifeler Familien Zirbes und Schend fanden ihr persönliches Glück in der neuen Welt – nicht zuletzt durch ihren Fleiß und ihr Können.

georges

 

Quellen:

- Josef Mergen: Die Amerikaauswanderung aus dem Kreise Daun

- Alois Mayer: Familienbuch Neunkirchen - 2006

- August Meyer: Geschichte dreier Ei-feldörfer, Üdersdorf 1987

- Michael Voves: Cronicle of settler families in Kenosha and Racine counties from the vivinity of Trier (Chronik der Siedlerfamilien in den Kreisen Kenosha und Racine aus dem Raume Trier) – 2006

- Auswanderungsakten der Bürgermeisterei Daun – Archiv: Verbandsgemeinde Daun

- Passagierlisten der Schiffe: ALL-BREC (1842), MANCHESTER (1843) und MOUNT VERNON (1846)

1 Mergen Josef: Die Auswanderung aus dem Kreise Daun Nr. 310, 311

2 Kenosha ist eine Stadt im gleichnamigen Bezirk und liegt im äußersten Südosten des Staates Wisconcin (an der Grenze zu Illinois) am Michigansee.

3 wagon maker = Wagenbauer, Stellmacher. Der Stellmacher baute kleine und große hölzerne Ackerwagen mit hölzernen Rädern. Ein Beruf, der bis 1950 noch vielfach ausgeübt wurde, heute aber ausgestorben ist.

4 County Board = in etwa vergleichbar mit dem Kreistag

5 Assistent of Kenosha = vermutlich eine Aufgabe in der Stadtverwaltung

6 Chief of the Fire Department = Leiter der Feuerwehr

7 Elisabeth heiratete in Amerika 1849 Johann Horsch, geb. 1821 in Wiesbaum. Sie wohnten zunächst in Racine County, um 1854/58 in Stearns Country (Minnesota) und hatten 6 Kinder: Johann, Elisabeth, Mathias, John Adam, Agnes und Maria Eva.

8 U.A. Pesch, Schreiner, Kauth, Hees, Flesch, Jarding, Simonis, Johann Adam Schend aus Neunkirchen, Schüller, Theisen, Lenartz, Stadtfeld, Bill

9 Racine, Distrikthauptstadt des gleichnamigen Bezirks. Racine liegt im Südosten von Wisconsin an der Grenze zu Illinois am Michigansee.

10 in Canfield Township, Milwaukee County. 1856 kam er nach Racine, zog 1866 nach Brighton Township, Kenosha County, wo er eine Farm betrieb.

11 1 acres = ca. 0,4 ha oder 4.046 m2

12 Town Super-Visor = Stadtbürgermeister