Eifeler Schicksalsgemeinschaft in Chikago

Auswandererschicksal aus Wollmerath – Winkel – Büdesheim -

Friedbert Wißkirchen, Daun

Elisabeth Wallerath aus Woll-merath, Krs. Cochem-Zell, und Nikolaus Schäfer aus dem benachbarten Winkel, Kreis Vulkaneifel (Daun), hatten sich wohl bei der Dorfkirmes kennen gelernt. Und aus dem kleinen Grenzverkehr jenseits und diesseits des Ueßbaches entwickelte sich Liebe. Am 19.6.1875 gaben sich die 25-jährige Elisabeth, Tochter von Johann Nikolaus Wallerath, und der bereits verstorbenen Anna Kath. Thome aus Wollmerath und Johann Nikolaus Schäfer, 31 Jahre alt, wohnhaft in Winkel, beim Standesamt in Gil-lenfeld das Jawort.

Nikolaus Schäfer war der Sohn von Matthias Schäfer und auch seine Mutter Anna Elisabeth war eine geborene Wallerath, gebürtig aus Wollmerath. Wahrscheinlich bestand zwischen der Mutter des Bräutigams und der Braut eine verwandtschaftliche Beziehung. Wenige Tage später fand die kirchliche Hochzeit in der kleinen Dorfkapelle von Wollmerath statt, wobei der Pastor von Wollmerath mit missbilligendem Blick feststellte, dass die Braut hochschwanger war.

Nicholas Schäfer, der jüngste Sohn des Auswanderers, mit seiner Frau Ida (Eltern von Dorothy Schaefer-Houlf)

Die kleine Landwirtschaft in Winkel ernährte gerade Eltern und Geschwister, war aber keine Lebensgrundlage für eine weitere Familie. Nikolaus Schäfer und seine Frau Elisabeth hatten auch deshalb seit einiger Zeit den Entschluss gefasst, ihr Glück in der neuen Welt zu suchen und auszuwandern. Wohl über die Auswanderungsagentur des Johann Dominik Maas aus Lut-zerath hatten sie die Reise gebucht. Kurz nach der Hochzeit machten sie sich mit der wenigen Habe nach Amerika auf.

Die Reise zum Hafen war schon für eine schwangere Frau beschwerlich genug, die Enge des Schiffes, die hygienischen Bedingungen, das eintönige und wenig nahrhafte Essen machten Elisabeth Schäfer schwer zu schaffen. Vermutlich noch auf dem Schiff oder kurz nach der Ankunft in New York setzten die Wehen ein; es war wohl eine schwere Geburt, an deren Folgen die Mutter auf dem Schiff oder kurz nach ihrer Ankunft in Amerika starb. Elisabeth, so hatte der Vater das kleine Mädchen zum Andenken an seine verstorbene Frau genannt, musste versorgt werden, brauchte eine Mutter, denn Nikolaus Schäfer war auf Arbeit angewiesen, um sich und die Tochter am Leben zu halten.

In Chikago, der neuen Heimat vieler Eifelaner, fand er Unterkunft und Arbeit und vorübergehend eine Frau, die Elisabeth mit ihren Kindern zusammen aufzog. Anlaufstelle für viele Deutsche war die St. Anthony Kirche, ein Zentrum katholischer deutscher Auswanderer in Chikago. Dort wurde auch denen geholfen, die in Not geraten waren.

Magdalena Schröder – mit 23 Jahren Witwe

In Not geraten war auch Magdalena Müller, geb. Schröder, die seit drei Jahren in Chikago lebte und aus Bü-desheim bei Prüm stammte. Dort war sie am 20. 8. 1852 als jüngstes von neun Geschwistern, als Kind von Peter Schröder und Anna Maria geb. Hansen, geboren. Als Cornelius Müller um 1870 mit seinen Eltern Büdesheim verließ und nach Amerika aufbrach, versprach er seiner Braut Magdalena Schröder: „Ich komme zurück und hole dich nach!“ Am Jahresanfang 1872 schiffte sich Cornelius in New York ein, überquerte den Atlantik und heiratete am 8. April 1872 in Büdesheim seine Braut Magdalena; in der Heiratsurkunde ist vermerkt, dass Cornelius in Neils Coun-ty, Diözese Chikago, wohnhaft war.

Wenige Wochen nach der Hochzeit kehrte er mit seiner Frau nach Chikago zurück. Cornelius und Magdalena hatten einen Sohn, Sebastian, der zwischen 1873 – 75 geboren wurde. Cornelius Müller verunglückte oder starb vor 1875; seine 23jährige Frau war Witwe und stand mit ihrem kleinen Sebastian alleine da. Nikolaus Schäfer hatte eine kleine, wenige Monate alte Tochter und brauchte dringend eine Mutter - Magdalena Müller einen kleinen einjährigen Sohn und war auf einen Mann angewiesen, der für sie und ihr Kind sorgte.

Zwei vom Schicksal hart getroffene Eifeler hatten sich in der 300.000 Einwohner großen Stadt gefunden. Am 5. November 1875 wurden Nikolaus Schäfer und Magdalena Schröder, nachdem, wie ausdrücklich vermerkt wird, an drei Sonntagen vorher die Eheankündigung erfolgte, vor Pastor P. Fischer von der St. Anthony Church, City of Chi-kago, getraut. Der Wohnort des Mannes wird mit „Vilz orbis Kochem“ (Filz, Kreis Cochem), der Braut mit „Bidesheim orbis Prüm“ angegeben. Als Trauzeugen fungierten Peter Schäfer und Barbara Schröder, wohl Verwandte der beiden. Wieso wird als letzter Wohnort „Filz“ bei Wollme-rath angegeben? Wohnte Nikolaus Schäfer bis zur Ausreise dort?

Familie Schäfer - Schröder

Elisabeth Schäfer war mit George Jagemann aus Erfurt verheiratet, lebte 1904 in Sheboygan, Wisconsin, und hatte 10 Kinder; sie starb 1956 in Manitowoc, Wisconsin. Sebastian Schröder starb 1884 im Kindesalter in Chika-go. Aus der Verbindung Nikolaus Schäfer und Magdalena Schröder gingen acht Kinder hervor: Mathew (1876 – 1928), Bartholomeus (1880 – 1918), Maria Elisabeth (1882 – 1956), John (1885 – 1944), Peter (1887 – 1930), Christopher (1888 – 1917), Joseph (1890 –1964) und Nikolas (1894 – 1959). Zwei der Jungen waren behindert; der Vater schickte sie auf die High School, damit sie später einen Beruf ohne schwere Arbeit ergreifen konnten.

Die Jungen ähnelten von Aussehen und Statur dem Vater sehr; sie waren nicht sehr groß und hatten eine braune Hautfarbe. Nikolaus Schäfer arbeitete hart als „Boiler makers hel-per“, wie es im Totenschein vermerkt ist und hatte nie ein großes Einkommen. Er war in einem Betrieb beschäftigt, der Heizkessel und Boiler herstellte.

Heiratsurkunde der St. Anthony Church vom 5. November 1875

1884 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Die Familie wohnte 1894 in Chicago, Lowe Street 2622, und von 1895 – 1910 in der Union Street 2702. Am 11. Februar 1910 erlitt er mit 66 Jahren an seinem Arbeitsplatz einen Schlaganfall und verstarb. Seine Frau Magdalena folgte ihm 1914. Die Familie lebte in einfachen Verhältnissen, es herrschte ein großer Zusammenhalt und es wurde viel musiziert. Obwohl keines der Kinder eine Musikschule besuchte oder Unterricht erhielt, beherrschten alle ein Instrument.

Eine Enkeltochter des Auswanderers Nikolaus Schäfer, Dorothy Schaefer-Houlf, 74 Jahre alt, lebt heute in Crest Hill, im Staate Illinois. Ihr konnte ich durch umfangreiche Recherchen ein Stück Familiengeschichte schenken. Die Familie Schäfer gibt es heute in Winkel nicht mehr; die Tante des früheren Ortsbürgermeisters Josef Hölzer, Gertrud Hölzer geb. Schäfer (1853 – 1932), war eine Schwester des Auswanderers.

Quellen:

Alois Mayer: Familienbuch Gillenfeld, 2000

Kirchenbuch Büdesheim – Hinweise und Daten von Hubert Molitor Heiratsurkunde der St. Anthony Church, Chikago, 1875 Mitteilungen und Fotos von Dorothy Schaefer-Houlf