Fredy Lange

Thea Merkelbach, Pelm

Jeder in Gerolstein und Umgebung kannte Fredy Lange. Bei allen weltlichen, kirchlichen Festen, bei Familienfeierlichkeiten und Umzügen war er anwesend, fotografierte und verschwand wieder. Er war leidenschaftlicher Fotograf. 1903 in Köln-Kalk geboren, kam er mit seinen Eltern nach Gerolstein, wo der Vater das „Hotel zur Post“ von Richard Korkhaus übernahm.

„Bestrenommiertes Hotel der Eifel, im Jahre 1902 Absteige-Hotel Seiner Kaiserlichen Hoheit des deutschen Kronprinzen“, so machte Franz Lange 1905 für sein Hotel Reklame. Er stellte besonders heraus, dass „elektrisches Licht in allen Sälen und Logierzimmern“ und ein „Hoteldiener an jedem Zug“ sei. Er bürgte für einen Freund, der in finanziellen Schwierigkeiten war und verlor dadurch sein Hotel. So erzählte es Fredy Lange Heinz Schmitz aus Gerol-stein, dem späteren Herausgeber des Bildbandes: “Damals in der Eifel – Wiederentdeckte Eifelfotos von Fredy Lange“.

Ab dem 1.4.1908 hat Franz Lange die Restauration „Kas-selburg“ übernommen, die bis dahin von Eugen Stritzke dem Besitzer des „Bahn-Ho-tels“ in Pelm, geführt wurde. Aus Anlass der „Felsenspiele“ 1924 in Gerolstein wurde von R. Emmerich und Joseph Pech ein Führer durch Gerolstein herausgegeben. Darin macht Franz Lange für seine ‚Forst-haus-Restauration’ Reklame. Neben „Stets Kaffee mit Gebäck! – Prima Flaschenbier! – Reine Weine!“ wird auch als Besonderheit angeboten: „Gelegenheit zu photographischen Aufnah-men….durch einen Berufs-photogra-phen“, nämlich durch seinen Sohn Fredy.

Fredy Lange hat seine Jugend auf der Kasselburg verbracht. Er besuchte die alte Schule in Pelm am Kreuz. Manche Ältere können sich noch daran erinnern und Fredy Lange erzählte es selbst, dass er mit einem Esel den Weg von der Burg herunterritt. Dieser wurde dann im Schulhof angebunden und brachte Fredy mittags wieder den Berg hinauf. Als Kinder durften sie, so Änni von Landenberg, manchmal für den Briefträger die Post zur Kasselburg bringen, wenn ihm der Weg zu beschwerlich war. Das taten die ‚Ersatzbriefträger’ sehr gerne, weil sie dann mit dem Esel um den Teich herumreiten durften.

Im Winter sauste Fredy mit dem Schlitten von der Kasselburg nach Pelm hinunter. Er fuhr nicht gerade vorsichtig, und so geschah es dann auch einmal, dass der Schlitten umstürzte, und er im Graben landete. Durch diesen Sturz zog er sich einen Oberschenkelhalsbruch zu, so dass, er sein Leben lang leicht hinkte.

Damals wohnte in Pelm der Fotograf Boeren, der u.a. Postkartenansichten von der Kasselburg machte. Bei ihm hat Fredy wohl die Kunst des Fotografierens kennen gelernt und sich dafür begeistert. Oswald Willars erinnert sich, dass sein Vater, wenn er sich bei Stritzke ein Bier genehmigen wollte, dies tat mit der Bemerkung: „Ich geh’ mal nach Boerens“. Als Zwölfjähriger bekam Fredy eine Plattenkamera, die er für seine ersten Landschaftsaufnahmen herumschleppte.

Das Foto von den kletternden Ziegen, wahrscheinlich am Kasselburger Hahn oder der Kreuzkaul aufgenommen, war eines seiner ersten Bilder. Ende der 20er Jahre eröffnete er in Gerolstein in der Unteren Marktstraße/Nähe Hauptstraße ein Fotogeschäft. Er verstand es, sich in Versen und Sprüchen auszudrücken. So lautete ein Werbespruch von ihm: „Gehn Sie ohne Bange zu Photo Fredy Lan-ge“, oder: „Schöne Erinnerungen – Von Ihnen photogra-phiert, von uns entwickelt und kopiert.

“ Als in seinem Geschäft eingebrochen wurde, änderte er den o. a. Spruch folgendermaßen ab: „Auch die Einbrecher wussten es schon: Geh’ ohne Bange zu Photo Fredy Lange“ Frau te Reh weiß noch den Spruch von ihm: „Wenn es vorne nicht schmeckt und hinten nicht pufft, dann hilft die gute Eifelluft“. Oder wenn jemand einem andern nicht wohl gesonnen war, empfahl Fredy folgenden Wunsch: „Ein jeder wünsche, was er will, Gott gebe ihm noch mal so viel“. Auch das Heimatlied der ‚Pelmer Ulkvögel’ „Gott schuf für uns die Welt“ stammt in Text und Melodie von ihm. Auch in seinem „Loblied der Pelmer Frauen“ heißt es im Refrain: „Dat sin die Pelmer Mädcher, so fein, wie Milch und Blut, dat sin ming Lebensfädcher, die jän mir frische Mut…“ Diese dichterische Ader hatte Fredy von seinem Vater, der ein siebenstrophiges Lied schrieb mit dem Titel: „Lied, zu singen auf dem Weg zur Kasselburg“ (Melodie: Prinz Eugen).

Von den Burgen in der Eifel Ist die schönste ohne Zweifel Die berühmte Kasselburg. Auf `nem Dolomitenkegel thront sie kreuzfidel und kregel, fest und stark noch durch und durch. In den nächsten Strophen beschreibt er die Burg mit Brunnen, Kapelle und der wunderschönen Aussicht vom Turm. In der 6. und 7. Strophe lädt er den Wanderer in sein Gasthaus ein:

Knurrt dir aber jetzt der Magen,
geh zum Forsthaus ohne Zagen,
welches an die Burg sich lehnt.
Drinnen kannst du dich erlaben.
Drinnen kannst du alles haben,
alles, was das Herz ersehnt.

Nicht nur die dichterische Ader, sondern auch seine musikalische Begabung hatte Fredy von seinem Vater geerbt. Ob im Hotel Heck oder im Kaiserhof in Gerolstein, er erfreute die Gäste mit anderen Hobbymusikern durch sein virtuoses Klavierspiel. „Mit den Musikern des Blues, des Dixielands und des Swings, alles Rhythmen und Klänge, die er liebte, verband ihn die Vorliebe zur Improvisation, und zwar so ausgeprägt, dass die Unterhaltungsmusik zeitweilig sein bevorzugter Lebensinhalt war“. („Damals in der Eifel“ S. 6.) Die Hotelbesitzer waren froh, wenn Fre-dy sich bereit erklärte, die Jagdherren und Fischer aus der Stadt zu unterhalten.

Auch die neue Radiotechnik begeisterte ihn. „Vor seinen selbstgebauten Empfängern hörten Gerolsteiner erstmals die über den Äther gesandten Nachrichten und Klänge“ (Damals in der Eifel, S. 6). Am 16. August 1940 fotografierte er heimlich die Entfernung des Kreuzes vom Rathaus durch die Nazis. Fredy Lange erzählte Josef Dreesen, dem Autor des Buches „Der Kreis Daun im dritten Reich“, folgende Geschichte: „Da rief mich Frau F. an, deren Haus genau gegenüberstand und sagte mir, dass ihr Haus von der Rückseite, aus der zwei Etagen tiefer liegenden Mühlenstraße, über einige Kellertreppen erreichbar sei.

Auf diese Weise konnte ich ungesehen in die Wohnung von Frau F. kommen und stand mit meiner Rollfilmkamera an dem Fenster, das dem Rathaus gegenüberlag.“ Er machte vorsichtig zwei Aufnahmen und wurde von einem Beamten gesehen. Fredy kurbelte schnell den Film aus dem Apparat, legte einen neuen Film ein und warf den ersten unter ein Bett. Man führte ihn ins Rathaus, verhörte ihn und die Kamera wurde beschlagnahmt. „Auf die Frage, ob ich Aufnahmen gemacht hätte, log ich frech: ‚Nein, ich wurde ja gestört’…… Als die Luft rein war,

holte ich meine Aufnahmen ab und entwickelte den Film, aber ohne Abzüge zu machen. ….. Einige Monate später wurde ich zur Wehrmacht einberufen, und als ich 1945 aus der Gefangenschaft zurückkam, fand ich mein Geschäft durch eine Luftmine zertrümmert und von den durchziehenden fremden Truppen durchstöbert. Von den beiden Aufnahmen fand ich nichts mehr. Ich hatte sie damals zu gut versteckt. Erst im Juni des Jahres 1975 kamen die beiden Negative zufällig in einem Karton mit alten Schriftstücken zum Vorschein“. Lange eröffnete seinen neuen Laden gegenüber Hutter und später in der Bahnhofstraße im alten Daubachhaus. Frau Ehses machte bei ihm eine dreijährige Fotolehre. Sie schwärmt heute noch von Langes Musikalität, von seinem hervorragenden Klavier-und Akkordeonspiel.

Er habe alles auswendig gespielt, sagt sie, und habe auch Auftritte in Köln und Berlin im Rundfunk gehabt. Auch auf der Messe in Frankfurt sei er aufgetreten. Lange wohnte mit seiner Familie an der Kyll in einem Gebäude des Gerolsteiner Brunnens, das bei der Neugestaltung des kleinen Parks an der Kyll abgerissen wurde. Familie Lange siedelte um in die Hauptstraße, schräg gegenüber vom Haus Menne. Im Hotel Kaiserhof empfing Fredy Lange die Gäste bei Veranstaltungen in Frack und Zylinder, um sie zu fotografieren. Im Hotel Heck, das damals in Gerolstein ein künstlerischer Treffpunkt war, machte er mit dem Organisten Karl Breuer und dem Amtmann Karl Bender Musik.

Seine Landschaftsaufnahmen gingen als Postkarten in alle Welt. Im Bildband „Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ von Ernst Wackenroder und im Buch „Stielauge“ von Batti Dohm findet man Fredy Langes schöne Fotografien. Dass Ende der achtziger Jahre die Wildwasserbahn an der Kasselburg verhindert werden konnte, war ganz in seinem Sinne. Er bedankte sich bei den Akteuren mit einem typischen Spruch und einer Aufnahme von der Kasselburg. Trotz aller Talente und Erfolge blieb er immer ein bescheidener Mensch, der sich nicht in den Vordergrund stellte. Über 25 000 Aufnahmen hat Fredy Lange hinterlassen. Neben den Fest- und Familienfotos liebte er besonders Naturaufnahmen. „Er stellte sein Stativ auf und wartete oft stundenlang auf die richtige Stimmung und das Sonnenlicht.

Darüber vergaß er Essen und Trinken" erinnert sich Wilma Herzog aus Gerolstein. „Unermüdlich im Angehen des Motivs, hingebungsvolles Einfühlen, Ausdauer im Erfassen des rechten Augenblicks und meisterliche Beherrschung des fotografischen Handwerks verleihen seinen Aufnahmen eine unverwechselbare Handschrift." (Klappentext zum unten angezeigtem Bildband.) Von seiner großen Postkartensammlung und den vielen tausend Negativen ist ein Teil beim Umzug vom Gerolsteiner Brunnen in die Hauptstraße verloren gegangen. Einige konnten noch aus einem Container gerettet werden. Hunderte Negative befinden sich jetzt im Archiv des Prümer Geschichtvereins.

Quellen:

Schmitz Heinz, Damals in der Eifel, Wiederentdeckte Eifel-Fotos von Fre-dy Lange, Bildband Helios 1998 Dreesen Josef, Der Kreis Daun im Dritten Reich, Hrsg. Kreisverwaltung Daun 1990

Ich danke Edith Lange-Löckenhoff und Dieter Löckenhoff für ihre Mithilfe.