Pfleglicher Umgang miteinander

Marianne Schönberg, Jünkerath

Nein, so ganz einfach ist es nicht, mit dem Nachbarn, mit Freunden und Bekannten auszukommen. Oft sind die Ansichten recht unterschiedlich. Da kommt schon mal Zorn auf. Harte Worte fallen, sie sprengen den Knoten nicht, sie zerren ihn fester zu und tags drauf meint man, das hättest du dir sparen können, dieses unsinnige Streitgespräch.

Was brachte es? Üble Laune. Nicht jeder Zeitgenosse hat diplomatisches Gespür, denn damit hätte die Gesprächsrunde einen anderen Verlauf genommen. Weil aber jede Medaille zwei Seiten hat, versuch ich mal, die christliche einzublenden. Sie müsste vom Gebot der Nächstenliebe, der Achtung vor dem Mitmenschen gezeichnet sein, sollte ihn annehmen, erst mal hinterfragen, weshalb er so und nicht anders reagiert hatte!

Ökumene ist ein großes Wort, im Griechischen heißt es „oi-kumene“ und steht für „die ganze Welt“, auch für die ganze Christenheit. Vor fünf Jahrzehnten war dieser Begriff in der Eifel wenig bekannt, man nahm Andersgläubige, meist zugereiste Mitbürger gar nicht freundlich an. Vorbei, vorüber. Aber es gab genau in jenen Jahren Geistliche, denen dies Gottesgebot der Nächstenliebe verbindlich war, die es umsetzten, mit ihm lebten.

Etwas Wunderschönes hab ich bei einer Taufe in Hallschlag erlebt. Unsre Freunde brachten ihr Kind zur Kirche, dazu die Paten – ich stand ein wenig abseits, wollte den Kreis nicht stören, zumal ich nicht katholisch war. Während der heiligen Handlung sah mich der Pastor an, meinte: „Halten Sie mal das Tuch!“ „Das geht nicht, ich bin evangelisch.“ Nur das nicht, es gibt Menschen, die glauben, das ist ein Unglück fürs Kind – ich war in Not und der Geistliche sah mich freundlich an, verstand: „Das tut nichts zur Sache, halten Sie mal!“

Mein Herz schlug bis zum Hals, ich fühlte mich angenommen, als der Nächste geachtet – das hab ich diesem Kirchenmann nie vergessen. Wir haben uns später noch oft getroffen, auch beim ökumenischen Chorsingen kam ich mit dem Jünkerather Singkreis nach Ormont, er, ein Sänger, der Musica sacra verbunden, hatte uns eingeladen, wir sprachen über Komponisten hüben und drüben. Auch als Mensch war er mir wert, weil er Nächstenliebe lebte.

Die ging so weit, dass seine Haushälterin im Herbst die wollene Jacke des Pastors für den Winter suchte und fragte: „Wo ist die?" – „Die hab ich einem Mann geschenkt, der kam an unsre Tür und fror.“ Seiner Pfarrgemeinde machte er manchmal Mühe, er erwartete von den Gläubigen konsequente Gebefreudigkeit – das ist nicht rundum und in verschiedenen Generationen machbar. Ob und wie er es annehmen konnte, hab ich nicht erfahren. Er starb an Krebs, war bis zuletzt im Kreise seiner Gemeinde, bei Festen, bei Veranstaltungen. Mir reichte er die Hand, damals, so etwas vergisst man nicht. Ich danke ihm, er war MEIN NÄCHSTER, gab mir Kraft und Mut, den Glauben ans Miteinander.