Von Bleckhausen bis Bläckes

Häuser auf einer kahlen Stelle

Matthias Heinen, Bleckhausen

Der Eifeler Volksmund hatte früher, manchmal auch heute noch eine blühende Fantasie in der Erklärung und Deutung von Orts- und Flurnamen. Die meisten dieser Geschichten enthalten jedoch wenig Wahres und nützen mehr der Unterhaltung als der Wahrheit. Wer einmal versucht, eine solche überlieferte und in der Bevölkerung oft nicht auszurottende Erzählung über den Ortsnamen nach ihrem Ursprung und Hintergrund zu erforschen, scheitert dann oft an den angeblichen Urkunden und Büchern, die nicht mehr auffindbar sind, und alle Bemühungen enden im Nichts.

Gefördert wurden diese Erzählungen sehr stark seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Dorfschulen, als Lehrer begannen, Schulchroniken anzulegen und damit so manches, was „die Alten“ damals so erzählten, in ihnen festhielten. Nicht selten wirkten Lehrer und Pfarrer selbst am Volksmund mit, in dem sie das, was sie unter den Leuten hörten, dann auf ihre eigene Art interpretierten und niederschrieben. Für Kinder war dann im Heimatkundeunterricht die Schulchronik oft das einzige und wichtigste Nachschlagewerk. Nichtsdestotrotz sind viele dieser Geschichten es doch wert, an die Nachwelt weitergegeben zu werden.

Für Bleckhausen sind noch drei Erzählungen über den Ortsnamen überliefert. Anhand dieser soll versucht werden, dem Sinn und der Bedeutung des Ortsnamens Bleckhausen etwas näherzukommen. So bezieht man sich auf die alte Pfarr- und Schulchronik , in der stehen würde, Bleckhausen wäre ganz früher eine Blechschmiede gewesen, wo man für die Grafen von Man-derscheid das Blech für ihre Rüstungen geschmiedet hätte. Aus der Stelle, wo die „Blech-ner“ hausen, wäre der Ortsname Blechusen = Bleckhausen entstanden. Diese Deutung ist aber wenig überzeugend, weil der erste Teil des Ortsnamens überhaupt nichts mit Blech zu tun hat, und es eine Endung hausen als Verb bei Ortsnamen nicht gibt.

Hier irrten also unsere Vorfahren, weil sie es nicht besser wussten. Richtiger ist es, den ersten Beleg von 1334 zu trennen in Blec-husin. Auslautendes <ck> wurde am Wortende noch im 14. Jh. regelmäßig nur mit <c> geschrieben, was dann also in unserem Falle als Bleckhusen gesprochen wurde. Einen Wandel von „Blech“ in „Bleck“ zu erklären, wäre außerdem ein erhebliches Problem. Eine andere Überlieferung erzählt, in Bleckhausen wäre anfangs ein Zollhaus² (Station) gewesen, wo Fuhrwerke „blechen“, also bezahlen mussten. Daraus sei dann der Ortsname Blechusen entstanden. Etwas Wahres ist daran, denn diese historisch belegte3 Zollstation gab es tatsächlich. Der Wegezoll wurde jährlich verpachtet, war aber um 1563 schon etliche Jahre unrentabel. Das jüngere umgangssprachliche Wort „blechen“(4) für bezahlen, ist für die Deutung von Blechusen trotzdem falsch, weil es erst im 18. Jahrhundert in der Studentensprache aufgekommen ist.

Eine besonders abenteuerliche Erklärung, aber ebenfalls völlig haltlos, kam Anfang der 1970er-Jahre in Umlauf. Pfarrer Eich schrieb in einem seiner Pfarrbriefe(5) „ Der Name Bleckhausen kommt vom römischen Wort bellicosus, dass heißt Krieger“. Weiter schreibt er: „So sind auch die Bezeichnungen in der Abtrennung der Bannforste unter Karl dem Großen und seinen Söhnen für die Nordgrenze von mandilschiet mit belices und beleces angegeben“. Krieger heißt im lateinischen miles und bellicosus kriegerisch, kriegslustig, streitbar. Die Abtrennung des Bannforstes, gemeint ist wohl der Bannforst Kyllwald, geschah nicht durch Karl den Großen, sondern durch Otto II. im Jahre 9736.

Worte wie bellicosus, belices oder beleces kommen als Grenzpunkte aber in dieser Urkunde nicht vor7. Folgerichtig kann man Bleckhausen auch nicht, mit „dort wo die Krieger hausen“ übersetzen, wie Pfarrer Eich es darstellte. Eine schlüssigere Erklärung für den Sinn des Ortsnamens und seiner Kurzform Bläckes findet man aber in unserem Dialekt, der moselfränkischen Sprache. Das Wort „Blackisch / Bläckesch“8 bedeutet auch jetzt noch „etwas was unbedeckt, frei oder kahl“ (Vgl. Sängergruppe „Bläck Föss“ = nackte Füße). Von den wenigen Orten im Vulkaneifelkreis, die mit –hausen enden9 , verschwindet im Dialekt nur beim Ortsnamen Bleckhausen die Endung „hausen“, der einfach nur „Bläckes“ genannt wird.

Die gleiche Verkürzung des Ortsnamens geschieht interessanterweise auch mit Pleck-hausen im Westerwald, welches zu „Bleckesen / Plege-se“10 wird. Auch der aus drei Häusern bestehende Ortsteil Bleckhausen von Kircheib im Kreis Altenkirchen wird im Dialekt einfach zu Bleckes. Die heutige Gemeinde Mittelhof, ebenfalls Kreis Altenkirchen, nannte sich bis 1986 noch Blickhauserhöhe und besteht aus 19 kleineren Einzelhöfen, darunter die Ansiedlung Blickhausen mit 4 Häusern. Auch hier fällt das Hausen weg und es wird einfach „Blickes“ daraus. Ein weiteres Blekhausen (Blechusen) befand sich zwischen Koblenz und Monta-baur an der B 49 in der Gemarkung bei Neuhäusel11, welches offenbar bereits um 1300 verlassen und wüst war. So lässt sich leider für diesen Ort die lautliche Weiterentwickelung des Ortsnamens nicht mehr verfolgen.

Offenbar muss die Entwicklung jedoch ähnlich wie bei allen anderen gewesen sein, denn der nahe Pletzer / Plätzer-bach12 ist wohl der Blekhäu-ser Bach, der über den Kal-denbach bei Vallendar in den Rhein fließt. Als Flurname findet man Bleckes13 in Zeltingen / Rachtig, die jetzige Wingertlage „Im Bleckes“. Alle diese Orte haben außer ihrem offiziellen und mundartlichen Namen auch noch geografisch etwas gemeinsam: Sie liegen allesamt auf einer Anhöhe. Für unser Bleckhausen ist die mundartliche Form „Bläckes“ als Ortsname schon in den Jahren 1760/90 schriftlich nachweisbar. Mehrfach findet man in den Sterbebüchern des Banat (Rumänien) als Herkunftsort eines Verstorbenen die Ortsangabe „Bleckes im trierischen“.

Selbst über den großen Teich nahmen die Bleckhausener ihre gewohnte Ortsangabe „Bläckes“ mit. In den Taufbüchern der einst deutschsprachigen Kirche „St. Michael“ in Chicago wird am 28.11.1870 die Taufe des Kindes Petrus notiert, dessen Mutter eine Maria Gotto, geborene Schenk aus „Blackes“(14)bei Trier, ist. Orte, deren Siedlungsname mit hausen endet, findet man vor 1100 in Urkunden kaum. Sie gehören aber in die Zeit der großen Rodungen und des eigentlichen Ausbaus der Landschaft im 9. bis 11 Jahrhundert, genau wie die Orte mit der Endung –bach, -born, -feld, -wald, -weiler oder scheid. Diese neugegründeten Siedlungen bestanden anfangs aus einem ganz einfachen Haus (mittelhochdeutsch hus), welches nur ein Dach und einen Innenraum aufwies. Der Plural –hausen (husen) zeigt damit an, dass bereits ein weiterer Ausbau der einfachen Siedlung stattgefunden hat.

Chronologische Auflistung des Ortsnamens

1334 Blechusin (bisherige Ersterwähnung des Ortes)

1337 Blechusen (Johannes de Blechusen Pächter von Himmeroder Land in Landscheid)

1357 Blechusen (Ersterwähnung der Kapelle)

1364 Fielchin der Blechuser-sin enclin (als Personenname in Trier)

1371 Dyderich van Bleckhu-sen (Dechant im Kapitel Kyllburg)

1379 Diederich von Blechu-sen (Dechant im Kapitel Kyllburg)

1388 Bleyckhuissenn15

1405 Clais Back von Black-hußen16

1432 Bleickhußen 1438 Bleckhysen 1478 Bleckhußen 1484 Pleckhusen 1506 Bleckhusen 1515 Bleckehusen 1570 Pfleckhusen

Gerade die ältesten Belege sind für die Namensformen für Bleckhausen recht stabil. Später kam eine Schreibung mit „pl“ hinzu, weil sich der Unterschied der Aussprache zwischen <bl> und <pl> dialektal verwischte. Überkorrekt hat jemand, der wusste, dass moselfränkischem anlautendem <p> hochdeutsch <pf> entsprach, 1570 „Pfleck-hu-sen“ geschrieben (vgl. „Palz“ und „Pfalz“). Als älteste Form ist aber sicher * Bleck-husun, lautgesetzlich weiterentwickelt worden zu Blechusin Anno 1334.

Die Bestimmungswörter bei den Orten mit der Endung hausen sind teils Personennamen und teils Geländenamen. Ein Personenname als Bestimmungswort, wie etwa *Blekko in „Blekken-rothe“, kommt hier nicht in Frage, weil die ältesten Formen des Ortsnamens keine Anzeichen eines schwachen Genetivs auf –en bzw. starken Genetivs auf –es zeigen. Blec, Bleick und später Bleck bezeichnet also ein Geländemerkmal für Bleckhausen.

Das Bestimmungswort in Ble-chusun ist „bläck, bleckk“ und bedeutet soviel wie‚ Blöße, kahle Stelle’ zu ripua-risch und niederfränkisch(17) „ bläck“ (‚bloß, nackt, kahl’), im alt und mittelhochdeutschen steht „blecken“ für entblößen. Demnach weist der Ortsname Bleckhausen in seiner ersten Silbe auf ein Gelände hin, das durch seine besonderen Merkmale auffällt (kahl, nackt, unbedeckt, im Sinne von einer freien, lichten oder weit sichtbaren Siedlungsstelle). Im zweiten Teil kommt hausen (husen) hinzu, was ursprünglich „Bei den Häusern“ bedeutet, eine sinnvolle Namensgebung für einen vor vielen Jahrhunderten gewählten Siedlungsplatz auf einem Höhenrücken zwischen Kleiner Kyll und Lieser.

1 Alte Schulchronik Bleckhausen (Band I, 1849-1930), angelegt von Lehrer Matthias Kasper, dieser Band ist leider verschollen.

2 Nach alten Überlieferungen soll dieses „Blechhäuschen“ auf dem „Kaastenberg“ gestanden haben. (Info. u.a Leo Weihers)

3 Peter Brommer, Die Ämter Kurtriers, Seite 320

4 Kluge, Etymologisches Wörterbuch, 23. Auflage; Vgl. auch Grimm, Deutsches Wörterbuch

5 Pfarrbrief Bleckhausen vom 11. -18. Feb. 1973

6 MRUB (Mittelrheinisches Urkundenbuch) I

7 So was nennt man Geschichtsfälschung

8 Vgl. Rheinisches Wörterbuch

9 Für den Vulkaneifelkreis sind es von 135 Orten und Ortsteilen nur: Beinhausen, Bleckhausen, Hinterhausen und Hörschhausen. Dagegen findet man im Kreis Bitburg-Prüm 16 Orte, die mit hausen enden, z. B. Karlshausen = Karlsen, Rodershausen = Rodersen, Uppers-hausen = Uppersen

10 Hier ist ein kleiner Unterschied zu Bleckhausen/Eifel. In diesem „Bleckesen“ /Ww. ist dagegen die

Endung hausen noch erkennbar, also eine lautliche Veränderung durch Abschwächung der Mittel und Endsilben, etwa so: Pleckhau-sen > Bleckhausen > Bleckhusen > Bleckesen. das –esen entspricht dann dem –hausen.

11 Mitteilung von Archivdirektor Dr. Thomas Trumpp, Simmern, Wester-wald.

12 Sprachlich gleiche Veränderung wie bei Blicenhusa > Pleizenhau-sen bei Simmern im Hunsrück.

13 Wolfgang Jungandreas, Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes, Seite 84

14 Der Einfluss der englischen Sprache macht hier sich bemerkbar.

15 Nach einer Abschrift der Urkunde von 1388 aus dem 16. Jh., Stiftung für den St. Antonius Altar im Stift Kyllburg aus den Nachlass des daselbst verstorbenen Kanonikers Matthias, was dieser aus dem Brandenburger Zehnt in Bleckhausen hatte.

16 Kommt in der Fehde gegen Graf Simon von Sponheim und Vian-den in dessen Gefangenschaft und wird durch seinen Herrn Konrad Herr zu Schleiden als dessen Helfer freigekauft.

17 Ripuarisch = Rheinisch oder Nord-mittelfränkisch, gehört wie Niederfränkisch zur kontinentalwestgermanischen Dialektgruppe

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