Von Daun nach Wien

Dauner Grafen wandern aus

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Durch das gesamte Mittelalter wohnten Ritter, Herren und Grafen in der Dauner Burg, auf steilem Basaltfelsen hoch über dem Liesertal. Sie ritten, fuhren und gingen durch den kleinen Ort Daun und ließen sich in der tausendjährigen Pfarrkirche beerdigen. Doch das änderte sich schlagartig ab der Mitte des 17. Jahrhunderts.

Als Carl, Herr von Daun, 1596 sein Erbe antrat, war der Besitz seiner Herrschaft Daun, bedingt durch Verkäufe und viele Erbteilungen im Laufe der vergangenen Jahrhunderte stark geschrumpft. Renten, Zinsen, Gefälle und Einkünfte aus den Dauner Gütern, aus der Grafschaft Gerolstein und den Dörfern Lissendorf, Birgel und Basberg trugen zum Unterhalt seiner zwölfköpfigen Familie bei. Allerdings gelang es ihm, durch eine „kluge“ Eheschließung mit Maria Agnes von Hagen zum einen, seinen Besitz bedeutend zu vermehren, zum anderen, seinem Namen und seinem Ansehen eine wesentlich größere Bedeutung und größeren Einfluss in der deutschen Adelslandschaft zu vermitteln.

Sein Schwiegervater war Johann Ludwig, der Neffe des damaligen Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Johann VI. von Trier. Nicht nur, dass seine Frau als Heiratsgut die Herrschaften Sassenheim (südwestlich Luxemburg), Hollenfels (in Luxemburg; auch Ho-henfels genannt) und Brande-ville in die Ehe brachte, der Trierer Kurfürst sorgte auch, dass Carl fürstlich-badischer Amtmann zu Rodemacher wurde und dadurch standesmäßig aufstieg. Damit war der Grundstein gelegt, die Dauner Grafenfamilie erneut zu höherer Blüte zu bringen.

Als Vater Carl 1637 starb, hinterließ er zehn Kinder, vier Mädchen und sechs Jungen. Nach damals üblichem Brauch heirateten die Mädchen außer Haus und die jüngeren Brüder traten in geistliche Orden oder Klöster ein. Das väterliche Erbe der Herrschaft Daun traten Philipp Ernst und Bruder Johann Jakob an, die in ihrem Titel Herkunft und Besitzungen aufführten: Graf und Herr von und zu Daun, Herr zu Sassenheim und Hollenfels, zu Ka-lenborn und Immerath. Allerdings war zwischenzeitlich der verheerende Dreißigjährige Krieg übers Land gezogen. Daun und seine Umgebung lagen verwüstet; die Burg hatte große bauliche Schäden; die steuerzahlenden Bewohner waren durch Krieg und Pest nahezu ausgestorben.

Die kleine Dauner Adelsfamilie war, wie so viele andere westdeutsche ebenfalls, stark verarmt. Es blieb dem ehrgeizigen Philipp Ernst und seinem unverheirateten Bruder Johann Jakob nichts anderes übrig, als ihre relative Freiheit in der Dauner Herrschaft aufzugeben und sich nach anderen Einnahme- und Finanzierungsquellen umzusehen. So entschieden sie sich zu einem Schritt, der dazu beitrug, dass sie und ihre Nachkommen zu höchsten Ehren, zu bedeutendem politischen Einfluss und hoher Macht gelangten. Durch sie wurde der Namen Daun in der damaligen europäischen Welt bekannter. Ihre Entscheidung trug aber letztlich auch dazu bei, dass die Dauner Burg verwaiste und eine Generation später keine Herren oder Grafen mehr in ihr wohnten. Philipp Ernst und Bruder Johann Jakob ließen sich durch Kaiser Ferdinand III. anstellen und traten in österreichische Dienste. Verfolgen wir kurz den Lebenslauf dieser beiden.

Das Wappen von Philipp Ernst von Daun und von Maria Ursula von Groschlag, beide geziert mit den Reichskronen

Johann Jakob von Daun

Johann Jakob von und zu Daun, Herr zu Sassenheim und Kalenborn, war bereits 1627 Hofrat des Mainzer Kurfürsten. Bald darauf ließ er sich als Kämmerer des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich anstellen und wurde bereits nach kurzer Zeit zum Geheimen Rat und Oberstallmeister befördert. Der Anfang des gesellschaftlichen Aufstieges vom wenig beachteten Landadel in den höheren Adel war getan. Bald erfolgten seine Ernennung zum Ritter des Deutschen Ordens, 1642 zum Land-Komtur dieses Ordens in Österreich und zum Ordenskomtur zu Wien, Neustadt, Graz und anderen Orten.

Mit seinem „Chef“, Erzherzog Leopold, war er freundschaftlich verbunden. Dieser wusste seine Dienste, seine Arbeit und seine Ratschläge sehr zu schätzen. Daher bat er mehrmals seinen Bruder, den österreichischen Kaiser Ferdinand III., seinen OberstStallmeister in den Reichsgrafenstand zu erheben. In seinen Anträgen verwies er auf die Verdienste seines Schützlings im Kriegswesen, als oberster Stallmeister und Geheimer Rat sowie auf die Erfolge beim Mainzer Kurfürsten.

Der Kaiser gewährte diese Gunst und ernannte Johann Jakob durch Diplom vom 28.8.1643 zum Reichsgrafen und berief ihn auch 1657 in die niederösterreichische Landstandschaft, einem Zu-sammenschluss des Adelsstandes. Diese hohen Auszeichnungen, verbunden mit zahlreichen Privilegien und geldlichen Zuwendungen, waren für Johann Jakob Grund genug, sich gänzlich in Österreich niederzulassen. Dort starb er 1660, als Ordensangehöriger, unverheiratet und kinderlos, ohne nochmals seinen Geburtsort Daun wiedergesehen zu haben.

Philipp Ernst von Daun

Um 1630 hatte er als Dauner Stammherr die Wormserin Maria Ursula geheiratet, Herrin von Groschlag zu Diepurch (Dieburg; Nähe Darmstadt) und Kämmerin bei der einflussreichen Familie Dalberg. Der Trierer Erzbischof und Kurfürst Carl Caspar war sein Kleinvetter. Rasch stieg Philipp Ernst zum Kommandanten der Stadt Trier auf und wurde Amtmann und Oberstleutnant zu Trar-bach. Am 5.4.1655 und am 26.6.1673 bestätigte der Trierer Kurfürst die Besitzungen des Dauner Grafen und belehnte ihn damit aufs Neue. Unter anderem gehörten ihm zwei Höfe im Tale zu Daun, Güter zu Deudesfeld, Lissen-dorf, Birgel und Basberg, Leute und Güter in Neroth, ein Burglehen zu Manderscheid sowie das Haupthaus auf der Dauner Burg (= der Trierer Teil; die Belehnungen mit den Manderscheider Teilen waren bereits 1638 und 1646), u.a. Als Philipp Ernst von der Erhebung seines Bruders in den Reichsgrafenstand erfuhr, bat er den Trierer Kurfürst Carl Caspar, ihm behilflich zu sein, denn er wolle ebenfalls als rechtmäßiger Erbe und Nachfahre des Dauner Geschlechtes in die Würde und den Genuss des Reichsgrafenstandes gelangen.

Dem Trierer leuchtete dieses Verlangen ein. Im Bewusstsein der Verdienste und der Qualitäten seines Verwandten und treuen Dieners Philipp Ernst schrieb er daher am 27.10.1655 ein Bittgesuch an Kaiser Ferdinand nach Wien. Als weitere Referenz schaltete der Dauner auch den Mainzer Erzbischof und Kurfürst Johann Philipp von Schönborn ein, wusste er doch, dass er ebenfalls in dessen Gunst und seine Frau Maria Ursula in verwandtschaftlicher Beziehung zu den Schönborns stand. Der Mainzer Erzbischof und Kurfürst hatte Verständnis für den Wunsch von Philipp Ernst, wandte sich ebenfalls am 2.11.1655 nach Wien und bat um kaiserliches Wohlwollen.

Nach soviel Protektion und einflussreicher Unterstützung richtete nun Philipp Ernst selbst am 2.12.1655 an den Kaiser ein Majestäts-Gesuch und „bet-telte“ darin, auch ihm als dem Erben des Dauner Namens die Würde des Reichsgrafenstandes zukommen zu lassen. Er berief sich darauf, dass sein Bruder Johann Jakob dem geistlichen Stande angehöre und infolgedessen keine Nachfolger haben werde, dass drei weitere Brüder im Kriege ihr Leben gelassen hätten, dass seine Familie mit dem alten Geschlechte der Grafen von Falkenstein verwandt sei und wies schließlich auf seine eigenen Verdienste hin als Obrist in den deutschen und spanischen Kriegen.

Kaiser Ferdinand kam diesen Bittgesuchen nach und verlieh Philipp Ernst am 13.12.1655 die Reichsgrafenwürde, auch gültig für Böhmen und die Erbländer des Kaiserhauses. Diese Verleihung war (nicht nur damals) nicht billig. 2.500 Gulden plus etwa 50 Prozent für die Nebengebühren und Steuern forderte der Kaiser für diese Standeserhöhung. Ein für jene Zeit hoher Betrag! Philipp Ernst hat ihn angesichts dieser Ehre sicherlich gerne gezahlt.

Ab jetzt nannte sich Philipp Ernst „Hoch- und Wohlgeborener Graf und Herr von und zu Daun“. Seine Frau Maria Ursula, Mutter von neun Kindern, erlebte diese hohe Auszeichnung nicht mehr. Sie war bereits im April 1643 verstorben. Philipp Ernst erweiterte nun das Dauner Gitterwappen mit einer goldenen (Reichs-)Kro-ne im schwarzen Feld. Zudem wurde rechtlich verbrieft, dass nur diejenige Familie in ihrem Wappen das Dauner Gitter führen dürfe, der ein Teil der Herrschaft Daun wirklich gehörte. Das war auch der Grund, warum in Zukunft die Nachkommen der Dauner Grafen sich stets beim Trierer Erzbischof bemühten, das Lehen der Dauner Stammburg zugesprochen zu bekommen, selbst als längst keiner mehr der Dauner Grafen in Daun residierte, abgesehen davon, dass auch Einkünfte mit diesem Lehen verbunden waren.

Nur so ist es auch erklärlich, warum sich in zukünftiger Zeit die Dauner Pfarrer häufig nach Wien wandten, um von den dortigen Grafen von und zu Daun finanzielle Unterstützung für sich und die Pfarrkirche zu erbitten. Als Lehnsträger der Dauner Herrschaft hatten diese das Recht, den jeweiligen Pfarrer zu ernennen und die Pflicht, für Unterhaltung der Kirche und andere Aufwendungen aufzukommen. Allerdings zog Philipp Ernst nicht wie sein Bruder nach Wien. Er blieb als Besitzer der Dauner Herrschaft der Eifel treu, auch wenn er nicht immer in Daun wohnte. Abwechselnd residierte er in Burghäusern in Daun, Trar-bach, Kinderbeuren und Kröv, von wo aus er zum einen seinen Diensten als trierischer Amtmann nachkam und zum anderen als Verwalter und niederer Gerichtsherr für Einkommen und Recht seiner und der Trierer Untertanen sorgte.

Zudem kam er aber auch seinen militärischen Pflichten in der Verteidigung des Reiches und des Kurfürstentums nach. Philipp Ernst stieg in der kaiserlich-österreichischen Armee bis zum Obristen auf. Das bedeutete, dass er im Kriegsoder Notfalle ein Regiment zu führen (und unter Umständen finanziell für es aufzukommen) hatte. Als hoher Adliger war er aber nicht verpflichtet, sich um den täglichen Dienst seiner Soldaten zu kümmern. Dafür hatten die einzelnen Kameradschaften und Regimenter Unteroffiziere und Offiziere, die von der Pike auf dienten und sich in militärischen Belangen besser auskannten. 1657 wurden er und sein Bruder Johann Jakob in die niederösterreichische Landstandschaft aufgenommen. 1660, im Todesjahr seines Bruders, erhielt Philipp Ernst das „In-kolat“ von Böhmen, kurze Zeit später auch das „Inkolat“ für Ungarn.

Totenschild von Philipp Ernst

Am 8. Januar 1671 starb Philipp Ernst. Beerdigt wurde er neben seiner Frau in der Dauner Nikolauskirche. Er war der letzte Graf der Herrschaft Daun, der auf der Dauner Burg residierte und der letzte Graf, der ein Grab in der Dauner Pfarrkirche erhielt. 1945 wurde die Nikolauskirche Opfer eines verheerenden Bombenangriffes. Gräber und Grabplatten von Angehörigen des Dauner Herrengeschlechtes gingen für immer verloren. Erhalten geblieben ist aber der Totenschild der Eheleute Philipp Ernst und Frau Maria Ursula, gemalt auf einer Kupferplatte.

Er hängt im Turmeingang auf der linken Seite. Auf ihm sind die Por-traits des Paares zu sehen, umwunden und umgeben von Fahnen und ritterlichen Waffen. Über den Abbildungen der beiden sind deren Wappen gezeichnet. Das Wappen von Philipp Ernst: Im Mittelschild das Dauner Gitterwappen auf goldenem Grund, umgeben von vier Feldern, oben links und unten rechts mit je einem Lilienpaar und darunter befindlicher goldener Krone auf blauem Grund. Oben rechts und unten links ein aufrecht stehender, einwärts sehender schwarzer Löwe mit roter Zunge auf Gold, als Zeichen der Herrschaft Sassenheim, die Vater Carl durch Heirat erwarb.

Das Wappen von Maria Ursula: Drei von links nach rechts aufsteigende zweistreifige weiß und rot gewürfelte Bänder auf blauem Grund. Beide Wappen sind mit den Reichskronen geziert. Unter den Porträts ruht auf einem Totenschädel und getragen von zwei trauernden Engeln die umrankte Inschrift:

„Es ruhet alhier Philipp Ernst Graff und Herr zu Daun, dero Röm.(ischen) Kays.(erlichen) May.(estät) Obrister zu Füs und seine Gemahlin Maria Ursula gebohrne von Groschlag, Freyin, denen Gott eine fröliche Auferstehung verleihen wolle. Dieser Philipp Ernst entstammet von Richardo den jüngeren Herrn zu Dune oder Daun, welcher zu Unterscheidung seines Brudern Richardi als ältern Herrn zu Dune oder Daun, die Lilien in den Gatter zu den ersten zu fuhren angefangen hat, wie es dazumahlen und jezt in Niederlanden und Franckreich gebräuchig ist, das die Jungere ihre Wappen esquarteliren müssen.

Ist gestorben in dem Monat Janu.(ar) 1671 Sie im Monat Aprill 1643.“ In den vier Ecken des holzumrahmten Bildes befinden sich vier holzgeschnitzte Engelputten, von denen eine um 1995 gestohlen wurde. Philipp Ernst hinterließ neun Kinder, von denen Wilhelm Johann Anton als Stammherr das Geschlecht der Dauner in Österreich weiterführte und zum Großvater des berühmten Leopold von Daun wurde.

Literatur:

Dün Johann, Urkundenbuch Daun, Köln 1909 Hörsch Wilhelm, Beschreibung des Pfarrbezirks Daun, Daun 1877 Möller Walter, Stammtafeln westdeutscher Adelsgeschlechter, Darmstadt 1950