Währungsreform 20. Juni 1948

Gustav Winter, Daun

Ich war in dieser Zeit Mitarbeiter der Kreissparkasse Daun und bei der Hauptzweigstelle in Gerolstein tätig. Das Zweigstellengebäude befand sich in der Bahnhofsstraße 34, heute Balkangrill. Schon Monate vorher war eine gewisse Unruhe zu spüren. Die Presse brachte laufend Berichte und auch schon spekulative Umstellungsberechnungen. Die Kunden zahlten vermehrt auf ihre Konten ein, behielten aber seltsamerweise die Banknoten über 1 RM und 2 RM zurück. Im Frühjahr 1948 hatte bereits in Österreich eine Währungsreform stattgefunden.

Hier wurden die kleinen Geldnoten für eine Übergangszeit als Ersatz für Münzen verwandt. Kurz vor dem Stichtag wurden wir Sparkassenleute mit je einer Person einem vierköpfigen Team von Verwaltungsmitarbeitern zugeteilt und bildeten damit die Arbeitsgruppe für eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband. Meine Gruppe war für Pelm und Rockeskyll zuständig. Sitz wurde die Gastwirtschaft Britz-Eisenborn in Pelm. Dieser Arbeitsplatz für einen Sondereinsatz war mir bestens bekannt. Es war unser Vereinslokal vom Sportverein VfR Pelm. Aber das neue Geld hatten wir noch nicht gesehen.

Wir hatten auch keine blasse Ahnung, wie die Geldscheine aussehen würden. Erst am 20. Juni 1948 morgens früh wurden uns die Modalitäten der Umtauschaktion bekannt gegeben und auch die Geldscheine gezeigt. Der erste Gedanke war, hoffentlich hast du heute abend bei der Abrechnung keine Kassendifferenz, denn eine Differenz in neuer Währung auszugleichen wäre bitter gewesen.

Mit Geldkoffern und gebührlichem Polizeischutz fuhren wir am 20. Juni 1948 zum Einsatzort nach Pelm. Punkt acht Uhr wurde geöffnet und der Ansturm begann. Jeder Haushaltsvorstand musste zunächst die Kontrolle bei den Verwaltungsleuten passieren und bekam dann für jede Person seines Haushalts gegen Bezahlung von sechzig Reichsmark vierzig Deutsche Mark ausgezahlt. Dies war die sogenannte „Erstausstat-tung“, die später bei der allgemeinen Währungsumstellung angerechnet wurde. Da man fast jeden Besucher persönlich kannte, lief alles weniger formal sondern mehr vertraut und mit persönlichen Anmerkungen ab. Abends bei der Abrechnung konnten wir melden: Es verlief in unserer Station alles problemlos und zu meiner Freude, ich hatte keine Kassendifferenz.

Am Montag, dem 21.Juni, war wieder Dienst bei der Sparkasse in Gerolstein, denn nun begannen die Arbeiten zur Währungsumstellung. In dieser Woche, von Montag bis Samstag, mussten alle Reichsmarkbestände von der Bevölkerung bei einem Kreditinstitut auf ein Konto eingezahlt werden. Was sich nun abspielte, kann man fast nicht beschreiben. Als wir unseren Dienst um acht Uhr in Gerol-stein begannen, standen die Leute mit ihren RM-Geldern in einer langen Schlange auf dem Bürgersteig. Und das war täglich das gleiche Bild. Die RM-Bestände der einzelnen Kunden wurden gezählt, gebündelt und in einem separaten Raum diebstahlsicher gelagert.

Ich hatte das Pech, einen Geschäftsmann bedienen zu müssen, der zwei Koffer gefüllt mit Ein- und Zweimarkscheinen zur Einzahlung brachte. Hier wurde ich an die Besonderheit bei der Währungsreform in Österreich erinnert. Diese ganze Woche war für uns alle eine sehr starke Belastung. Als Belohnung bekam jeder eine Flasche Wein und ein Päckchen Bos-co-Zigaretten. Mit Ablauf der Woche, also ab 28. Juni 1948, konnten restliche RM-Gelder nur noch bei der Landeszentralbank (heute Deutsche Bundesbank) abgeliefert werden. Die Umstellung von Reichsmark auf Deutsche Mark erfolgte im Verhältnis 10 : 1, jedoch nach späteren Rechsver-ordnungen nur noch 10 : 0,65. Auch erfolgte die Freigabe in Etappen.

Guthaben auf den Sparkonten bis 5.000,00 RM durften sofort entsprechend den obigen Sätzen auf Deutsche Mark umgestellt werden. Weitere Beträge erst dann, wenn die Freigabe durch das Finanzamt (Steuerhinterziehung ???) vorlag. Aus den eingezahlten Reichsmark-Guthaben wurde die restliche Zahlung bei der Erstausstattung in Höhe von RM 540,00 in Abzug gebracht. Forderungen aus Gehältern, Löhnen, Pensionen, Renten, Mieten wurden 1 : 1 umgestellt.

Kredit- und Darlehns-forderungen wurden auch 10 : 1 umgestellt, jedoch mussten die Schuldner später eine Kreditgewinnabgabe in Deutscher Mark zahlen. Die Währungsumstellung war rechtlich und wirtschaftlich gut organiert worden, es gab daher kaum Pannen oder unbillige Härten. Und plötzlich waren die Schaufenster wieder voll. Man konnte wieder kaufen oder einen Handwerker bestellen. Die Bewirtschaftung lebenswichtiger Güter wurde 1949 aufgehoben und 1950 begann ganz zaghaft das Wirtschaftswunder.