Ein Lied mit vielen Strophen

Marianne Schönberg, Jünkerath

Es ist lange her, da sagte meine Pfälzer Großmutter den mir damals unverständlichen Satz „... des Lewe, was iss es? Des Lewe iss kein Danzlokal, des Lewe iss sehr ernscht.“ Nein, das nahm ich nicht ernst, ich war jung, wollte heiraten - mir war eher nach Tanzlokal und das ging eine Weile recht gut. Irgendwann denkt Mensch nach, es kamen Kinder, Probleme, Schwierigkeiten und mir fiel ein (oder auf), dass das Leben auch einem Lied ähnelt, viele, ganz unterschiedliche Strophen hat - freundliche, heitere, traurige, die von Entsagung und Abschied sprechen!

Oft ist die letzte Strophe die düstere, doch das muss nicht sein, da denk ich an ein wunderschönes Lied, das mit herbstlichen Gedanken beginnt: „Nun wird so braun und falbe das schöne Sommerlaub, schon rauscht es in den Bäumen und ist der Winde Raub.“ Stimmt – aber der letzte Vers heißt: „Lass rauschen immer rauschen, die Hoffnung bleibt bestehen, die Hoffnung auf den Frühling, die kann kein Wind verwehn.“ Die letzte Strophe im Leben ist wie eine Medaille und sie hat - wie alles - zwei Seiten. Eine spricht von Entbehrungen, vom Abschiednehmen, von Krankheit und dem Gefühl, verlassen zu sein. Einsamkeit wird zum täglichen Begleiter, Mensch zieht sich zurück, und das hat Vor- und Nachteile.

Sich vom Tagesgeschehen abschotten ist nicht unbedingt vorteilhaft, schließlich sollte man wissen, was so rundum und in der Welt geschieht, das hält den Geist in Bewegung. Andererseits - die letzte Strophe im Sein hat gewiss ihren Sinn, denn nun hat man Zeit, über viele Jahrzehnte nachzudenken, eine Art Bilanz zu ziehen. Was habe ich getan? Was hätte ich unterlassen sollen? Vielleicht war ich nicht aufmerksam genug oder auf meinen persönlichen Erfolg bedacht? Ändern kann man nichts, aber tief durchatmen und sich bewusst sein, ich hab das Gute, ja das Beste gewollt. Nun steht das Ganze eines Lebens im Raum, die zweite Seite der Medaille, sie ist ein wenig dünner, feiner geprägt.

Das Schöne am Tag sollte mir nun wichtig sein, kleine liebe Dinge, eine Blume am Weg, Gespräche, Begegnungen mit Nachbarn und Freunden - sie tun wohl. Die letzte Strophe -gut soll sie sein, leise, ob in Dur oder Moll, aber Freude am Tag mag sie rüberbringen!