Wie es früher war in der Eifel

Freiwillige Landversteigerung

Gustav Winter, Daun

Noch in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts waren unsere Dörfer in der Eifel landwirtschaftlich geprägt. Aber die Betriebe waren relativ klein, oft höchstens acht ha groß und zudem bestehend aus einer Vielzahl von kleinen und kleinsten Parzellen. Es wurden zwar staatlicher-seits Flurbereinigungsverfahren, Feldwegebau, Windschutzhecken und Entwässerungen durchgeführt, doch diese relativ kleinen Betriebe in der Eifel waren nicht mehr rentabel und es wurden immer mehr Betriebe aufgegeben. Als dann später Aussiedlungen in die freie Flur errichtet und diese Betriebe auf eine angemessene Größe aufgestockt wurden, ging die Anzahl der übrigen landwirtschaftlichen Kleinbetriebe stetig zurück. Wiesen und Felder in schlechter Lage oder mit minderer Bodenqualität blieben Brache oder wurden aufgeforstet.

Staatliche Maßnahmen (Milchquoten usw.) und Öffnung des Agrarmark-tes innerhalb der EG haben diese Entwicklung beschleunigt. Aber, gehen wir zurück in die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Betriebsaufgabe, Fehlen eines Hoferben, Erbteilung oder Überschuldung zwangen manche Kleinbetriebe, alle Ländereien und manchmal sogar auch die Hofstelle zu veräußern. Dies geschah im Wege der freiwilligen Landversteigerung, einer öffentlichen Versteigerung der einzelnen Parzellen gegen Meistgebot. Als Vertreter der Kreissparkasse Daun, ausgestattet mit notwendigen Befugnissen, habe ich an solchen Versteigerungen teilgenommen.

Von einer Versteigerung, die in unserem Kreisgebiet durchgeführt wurde, will ich nachstehend berichten: Ein mittlerer landwirtschaftlicher Betrieb mit einer Größe von etwa 8 ha (= 32 Morgen), bestehend aus Wiesen, Feldern und einer Waldparzelle, jedoch ohne Hofstelle, stand zur öffentlichen Versteigerung an. Termin, Versteigerungslokal und Versteiglasser1 waren rechtzeitig mit Ortsaushang und in der Tagespresse bekannt gemacht worden. Der Notar hatte das Grundbuch eingesehen und entsprechende Auszüge vorbereitet, der Besitz war lastenfrei. Die Sparkasse war bereit, die Zession2 zu übernehmen. Der Ausrufer (Ausklöp-per)3 hatte sich mit den Einzelheiten wie, Lage der Grundstücke, Größe, Zufahrtswege und Beschaffenheit der Parzellen vertraut gemacht. Auch war er mit einer ausreichenden Menge an „Bietungs-Zigarren“ ausgestattet.

Das Versteigerungslokal war der Tanzsaal der Dorfschänke und dieser Saal war bei Versteigerungsbeginn bis auf den letzten Platz besetzt. Aber nicht nur Männer, sondern auch die Frauen des Dorfes ließen sich dieses Ereignis nicht entgehen. Der Wirt kam mit dem Bierzapfen kaum nach und die allgemeine Stimmung war bestens. Der Notar eröffnete das Versteigerungsverfahren und gab die allgemeinen Bedingungen bekannt. Hierbei wies er ausdrücklich daraufhin, dass mit dem jeweiligen Einzelzuschlag und Unterschrift der Vertrag rechtswirksam sei. Die Sparkasse erläuterte dann die mit dem Versteiglasser ausgehandelten Einzelheiten. Zum jeweiligen Einzelgebot kommen noch 12 % Aufgeld (Agio) hinzu. Aus diesem Aufgeld werden alle Kosten wie Grunderwerbsteuer, Gebühren Sparkasse, Notar, Amtsgericht, Ausrufer, Bietungszigarren und Veröffentlichungen bezahlt.

Die Sparkasse erläuterte dann noch den Zinssatz und die Rückzahlungsmodalitäten für das jeweilige Darlehen. Allgemein üblich war: Aufgeld zahlbar am kommenden 15. November, Steigpreis in vier gleichen Jahresraten jeweils am 15. November ab dem folgenden Jahr. Nach Festlegung des Mindestgebotes (meist DM 10,00) wurde nun vom Ausbieter die erste Parzelle unter Angabe der Parzellen-Nummer, Flurbezeichnung, Größe, Benutzungsart und Nebenlie-ger angeboten. Dieser Ausbieter, er stammte aus dem südlichen Kreisgebiet, war ein Genie, ein Könner seines Fachs. Mancher Marktschreier wäre vor Neid erblasst. Für ein gutes Gebot gab es eine Zigarre. Mancher, der nur zum Anheizen des Preises ein Gebot abgegeben hatte, ging später mit einer Menge Zigarren nach Haus ohne überhaupt eine Parzelle angesteigert zu haben. Der Ausbieter hatte ein Repertoire an markigen Sprüchen, die allein schon zum Mitbieten animierten. Hier eine kleine Auswahl im Eifeler Dialekt:

He Pitter, don de Mond ob und bieet, do hem häste jo nix zu son.
Hür es Kätt, heei hä-ste en Zigarr, do kannste Klos jot fürqualmen.
Jusep, wenn dau noch honnert Mark bieets, kreste de Rest Zigarren os der Kest.

Wenn das Bietungsklima für den Versteiglasser günstig war, gab er auch schon mal eine Saalrunde. Nach jedem Zuschlag einer Parzelle mußte zunächst der Versteiglasser seine Zustimmung geben. Sofern der Steigpreis nicht sofort bar entrichtet wurde, was selten vorkam, musste die Sparkasse an Ort und Stelle entscheiden, ob sie zur Kreditgewährung bereit sei. Je nach Höhe des Steigpreises musste die Sparkasse Sicherheiten verlangen. Übliche Sicherheiten waren selbstschuldnerische Bürgschaften oder in einzelnen Fällen auch Restkaufpreis-Sicherungshypotheken. Es wurde also öffentlich über Kreditwürdigkeit des Bieters und gegebenenfalls der von ihm genannten Bürgen gesprochen.

Dabei war durchaus möglich, dass ein Bieter oder der ein oder andere Bürge abgelehnt wurde. Die Sparkasse musste jedenfalls sofort entscheiden, sonst wurde der Zuschlag zurückgewiesen und die Parzelle erneut angeboten. Es gab durchaus schon mal peinliche Situationen. Ein Beispielfall: Die Sparkasse verlangte zwei Bürgen: Mattes, jist dau für mech Bürge, nee, ech denke net drann, dau häst mir die Koh noch net bezahlt.

Hanni, jist dau dann Bürge, jo, awer dann moßt dau och für mech bürgen. Heute wäre ein solches Verfahren nicht mehr denkbar. Nachdem alle Parzellen zum Verkauf angeboten worden waren, bendete der Notar die Versteigerung und die offiziellen Vertreter zogen sich zurück. In der Gastwirtschaft ging es jedoch mitunter noch lebhaft weiter. Das Versteigerungsprotokoll wurde vom Notar beim Grundbuchamt des Amtsgerichtes eingereicht und, sobald die Umschreibung auf die neuen Eigentümer erfolgt war, konnte die Sparkasse den Versteigerungserlös mit dem Versteiglasser abrechnen.

Diese Art der Landveräußerung mag heute etwas befremden, doch war es zur damaligen Zeit die beste Lösung, um Landveräußerer und Interessenten zufrieden zu stellen.

Anmerkungen:

1 Versteiglasser ist der bisherige Eigentümer, also der Grundstücksverkäufer,

2 Zession, die Sparkasse lässt sich die einzelnen Steigpreisforderungen abtreten, gewährt Einzeldarlehen und rechnet die Erlöse mit dem Ver-steiglasser ab,

3 derjenige, der im Auftrage des Versteiglassers die einzelnen Grundstücke zum Verkauf anbietet.