Wie kommt der Bacchus in die Eifel?

Der lange Weg eines antiken Weingottes nach Daun

Erwin Holzer, Feusdorf

Bacchus in Daun, jeder der schon einmal in der Kreisstadt war, kennt ihn. Wohlbeleibt, (ziemlich) unbekleidet, offenkundig bereits recht angeheitert und (deshalb?) gutgelaunt auf seinem Fass sitzend, fordert er mit erhobenem Becher alle Passanten auf, es ihm gleichzutun und fröhlich mit dem Rebensaft zu feiern.

Wie ist der für unser Wetter so unpassend gekleidete griechisch-römische Weingott nur aus seinen sonnigen Südlanden in das klimatisch mitunter doch eher herbe Eifel-städtchen gekommen? Mit den Legenden um einen angeblichen römischen Ursprung des Bacchus hat bereits vor einigen Jahren Alois Mayer mit einem lesenswerten Artikel, veröffentlicht im Jahrbuch 1990, aufgeräumt: Zwar stammt die Basis, auf der unser Bacchus thront, aus der Römerzeit (wahrscheinlich ein Bruchstück eines Grabmals aus dem Kastell Icorigium), nicht aber die breitbeinig darauf sitzende Statue selbst.

Dies ist schon aus technischen Gründen ausgeschlossen: die Römer konnten zwar monumentale Statuen aus Stein schlagen, wie die Konstantin-Schau in Trier anschaulich mit Kopf und Fuß des großen Herrschers zeigt, oder auch aus Bronze gießen, nicht aber aus Eisen; ihre Schmelzöfen konnten die hierfür notwendige Temperatur bei weitem nicht erreichen. Unser Bacchus ist damit zwar kein Römer, aber doch wertvoll: Er ist das Zeugnis eines wichtigen Technologiesprungs an der Schwelle zur modernen Industriegesellschaft. Und nach Daun hat es ihn erst nach einer langen Odyssee verschlagen, während der er zeitweise doch recht lieblos behandelt wurde.

Die Eifel war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ein wichtiges Zentrum der europäischen Eisenindustrie; hier gab es dutzende von Eisenhütten, die in regem Austausch mit ihren nahen und fernen Kollegen in der Wallo-nie, dem Siegerland und Lothringen standen und ihre Produkte nach Köln und Trier, aber auch an viele andere Orte lieferten. Manche noch heute berühmte Ruhrgebietsdynastie wie die Hoeschs und die Mannesmanns hat ihre Wurzeln in einer Hütte am Ufer eines Eifelflüsschens. Auch in Jünkerath, am Ort des römischen Icorigiums, in dessen Ruinen man bei den Ausgrabungen des 19. Jahrhunderts uralte Reste römischer Eisengewinnung fand, wurde 1687 die uralte Tradition wiederbelebt: Johann de L'Eau erhielt vom Grafen Ernst Salentin von Mander-scheid-Blankenheim die Erlaubnis zur Errichtung einer Eisenhütte, natürlich gegen Zahlung einer angemessenen Pacht.

Die gräfliche Familie profitierte von der neuen Hütte aber nicht nur finanziell, sondern auch deren Produkte fanden ihren Weg in die gräflichen Schlösser und Residenzen. Als Graf Franz Georg, ein Nachfolger Ernst Salentins, sich um 1730 entschloss, in Glaadt ein neues Schloss errichten zu lassen, leistete auch die nahe Jünkerather Hütte ihren Beitrag. Sie lieferte u.a. einen aus fünf eisernen Platten zusammengesetzten Kastenofen, der mit biblischen Motiven der Heldentaten des Samson geschmückt war. Reste dieses Ofens wurden 1984 bei der Restaurierung der Schlossruine wiedergefunden.

Sie sind im Eisenmuseum Jünkerath ausgestellt. Solche Öfen bildeten eine Spezialität der Eifeler Hütten und wurden weithin geschätzt. Kunstvoll verziert waren sie mit Geschichten aus der Bibel, der christlichen Heiligenlegende, aber auch mit mythologischen Motiven aus der Antike, je nachdem ob sie den Betrachter zum wahren Glauben bekehren, ihn unterhalten oder zu sinnlichem Genuss anreizen sollten. Für das Glaadter Schloss sollte auch ein besonderes Prunkstück gefertigt werden, ein neuartiger Rund- und Figurenofen.

Solche Öfen waren technisch anspruchsvoller in der Fertigung, heizten aber besser als die alten Kastenöfen. Sie erforderten neue, fortschrittliche Gieß- und Formtechniken. Das notwendige Wissen zur Fertigung solcher Öfen hatte der neue Reitmeister der Jünkerather Hütte Heinrich Müncker bereits vor einiger Zeit aus seiner Siegerländer Heimat mit in die Eifel gebracht. Auch ein für den der Antike und sinnlichen Genüssen stets aufgeschlossenen Lehnsherrn geeignetes Motiv war schnell gefunden, es stammt von einer Siegerländer Kaminplatte: ein Bacchus auf dem Weinfass mit einem Weinpokal in der erhobenen Hand.

Der Ofen wurde in mehreren Teilen gegossen, dann zusammengesetzt: Der Weinpokal wurde dabei an die Bacchusfigur angegossen, diese mit dem Fass, auf dem der Gott thront, verschraubt. Das Fass blieb hinten offen, damit es befeuert werden konnte (wie die älteren Kastenöfen wurden auch die neuen Modelle von einem Nebenraum aus beheizt). Leider konnte sich der gräfliche Besteller an dem repräsentativen Ofen aber nicht mehr erfreuen, da noch vor der Lieferung sein schönes neues Schloss abbrannte! Der fertige, aber nicht mehr benötigte Ofen wurde zur Seite gestellt, irgendwo, vielleicht in einem der anderen Schlösser der Manderscheid-Blankenheimer oder auf dem Gelände der Jünkerather Hütte.

Bei einer Restaurierung im Jahre 1988 zeigte sich, dass er wahrscheinlich nie befeuert wurde. Für eine Nutzung in einem bürgerlichen Haushalt war er von Größe und Motiv her nicht recht geeignet. Bald war der Ofen auch aufgrund des immer schnelleren technischen Fortschritts schon wieder überholt. Neue effektivere, völlig freistehende Öfen mit Feuerrost und Aschekasten lösten die alten Modelle ab.

Als die Herrschaft der Man-derscheider Grafen in der napoleonischen Zeit endete, gelangte der Ofen mit der ganzen Jünkerather Hütte und den Resten des Glaadter Schlosses an die Reitmeister der Eisenhütte, die das bis dahin nur gepachtete Werk von der französischen Besatzungsmacht nun als Eigentum erwarben. 1821 schenkte der damalige Hüttenbesitzer Ferdinand Pönsgen dann den als Ofen nicht mehr benötigten Bacchus dem in Daun residierenden Landrat von Ehrenberg. Vielleicht hat der findige Eifeler Eisenindustrielle dem sicherlich klassisch gebildeten preußischen Landrat damals zu der Figur des antiken Gottes auch gleich die oben erzählte Geschichte von einem römischen Ursprung mitgeliefert. Herr von Ehrenberg hätte es -anders als Alois Mayer- vielleicht sogar gerne geglaubt!

Die Dauner haben ihren Bacchus jedenfalls seitdem in Ehren gehalten und werden dies, ob er nun ein alter Römer ist oder ein waschechter Eifeler aus dem 18. Jahrhundert, sicherlich auch weiterhin tun!

Lit.:
Mayer Alois, Was ist bloß mit dem
Dauner Bacchus los?, in Jb Kreis Daun
1990