Volksschule - So wie es früher war

Florian Schulten, Gerolstein

Es war eine schlimme und sehr arme Zeit, als ich am 1. Oktober 1945 in Berndorf eingeschult wurde. Unser Lehrer, der aus Düsseldorf stammende Franz Kersting, hatte in der einklassigen Volksschule 90, zeitweilig über 100 Kinder zu unterrichten. Kersting, der Selbstversorger war, so war damals die Bezeichnung für die Familien, welche keine Landwirtschaft betrieben, hatte seine liebe Not, von seinem mageren Lehrergehalt seine sechsköpfige Familie zu ernähren. Es waren kaum die notwendigsten Grundnahrungsmittel, auch nicht auf Lebensmittelkarten, zu erhalten.

Es war also sehr lebenswichtig, gute Beziehungen zum Bauernstand zu haben. So hieß es zur Erntezeit, wenn das Getreide reif war: „Heute gehen wir Ähren sammeln!“ Bestückt mit Säcken und Eimern führte uns der Lehrer auf Felder, die gutgesinnte Landwirte ihm angezeigt hatten, wo wir die übrig gebliebenen Ähren sammelten. Am Nachmittag, als die Schule aus war, gingen wir Kinder mit unserer Mutter und der Oma ebenfalls zum Ähren suchen. Auch wir hatten keine Landwirtschaft, aber eben auch nette Leute, die uns ihre nicht abgeschorenen Felder zur Verfügung stellten.

Mein Opa hat diese Ähren in der Garage mit dem Flegel ausgedroschen. Mit je einem etwa 10-12 Pfund schweren Körnersack auf dem Fahrradgepäckträger, fuhren mein Opa und ich nach Oberbettingen zur Ballmannsmühle, wo wir für den Gegenwert Mehl erhielten. In dieser Zeit gab es Vorschriften seitens des Landratsamtes, dass durch die Schulen Heilkräuter gesammelt werden mussten, zur Herstellung von Medikamenten für die Gefangenenlager. Auch wir haben gesammelt: z. B. Spitz- und Breitwegerich, Schafgarbe, Ackerschachtelhalm, Johanniskraut, Huflattich und vieles mehr.

Foto: Schulbild Volksschule Berndorf 1949 mit Lehrer Kersting

Auf dem großen Schulspeicher wurden diese Kräuter zum Trocknen gelagert und irgendwann von der zentralen Sammelstelle abgeholt. Auch oblag es den Volksschulen, auf den Feldern die Kartoffelkäfer und -larven einzusammeln. Oft führten die Wege weit in die Berndor-fer Gemarkung, wo die Plage besonders arg war und es wurde ein ganzer Vormittag anstatt Schulunterricht die Vermehrung des Kartoffelkäfers bekämpft.

Uns Kindern hat es immer viel Spaß gemacht, wenn solche Aktivitäten anstanden. Es waren stets willkommene Abwechslungen im alltäglichen Schulalltag. Ich erinnere mich noch gerne, als in der „Böl“ (Ortstraße in Berndorf) ein großes landwirtschaftliches Gebäude errichtet wurde. Als die Dacheindeckung anstand, fragte der Bauherr beim Lehrer an und bat um einige kräftige Schüler zur Mithilfe. Die Jungens aus dem letzten Schuljahr, darunter auch ich, wurden abgestellt. An drei Vormittagen durften wir in langer Reihe die Dachpfannen anreichen.

Wenn ich heute in Berndorf die Böl herunter gehe, denke ich immer noch, hier hast du auch dein Teil dazu getan. Dass es nach getaner Arbeit immer ein kräftiges Essen und ein Trinkgeld gab, war für Frau Leyendecker Ehrensache. Aus diesen hier geschilderten Begebenheiten, die sich noch um einige Seiten fortsetzen ließen, ist zu erkennen, dass in der schlechten Zeit die Nachbarschaftshilfe selbstverständlich war, resultierte dann auch stets eine intakte Dorfgemeinschaft. Übrigens, haben wir auch noch etwas gelernt in der Schule, auch das musste sein.