Eifel-Pilger auf dem Wege

Die Wallfahrt von Hillesheim nach Koblenz-Lützel

Hermann Meyer, Hillesheim

Die Liebe zur Wallfahrt entspricht so ganz dem Bedürfnis des menschlichen Herzens und ist so alt wie die Menschheit. Wir finden sie in Indien, China, bei den Babyloniern den Griechen und Römern. Schon im Alten Testament wallfahrte jeder männliche Israelit, der das 12. Lebensjahr vollendet hatte, an Ostern und Pfingsten nach Jerusalem.

Der Sinn einer religiösen Wallfahrt ist einerseits das Bewusstsein, dass wir als gläubiges Volk Gottes unterwegs sind auf unser Lebensziel: die Ewigkeit; zum zweiten, weil wir die Stätten aufsuchen möchten, an denen der Herr gelebt und gewirkt hat, wie im Heiligen Land, oder die Orte aufsuchen, die durch besonders begnadete Menschen - wie die Heiligen -oder durch besondere Zeichen des Himmels - wie Marienerscheinungen oder Visionen oder Wunder - bekannt wurden.

Diese beliebte Form religiösen Brauchtums ist auch in der Eifel sehr lebendig geblieben, wie die vielen Prozessionen heute noch zeigen. Natürlich auch in Hillesheim, wo bereits im Jahre 1830 bei der halbjährigen Bruderschaftsfeier, am 24. Juni, am Johannestage, eine Prozession zum Stadtbrunnen genannt wird. Bischof Hommer von Trier bemerkte dazu: „Die Prozession zum Stadtbrunnen am Johannestag soll künftig als unschicklich unterlassen wer-den.“ Aus dem Jahre 1862 berichten die Akten über eine Prozession, die von Blanken-heim nach Trier zum Grab des Apostels Matthias führte, an die sich auch Bewohner von Hillesheim anschlossen.

Seit 1844 besteht die Eifel-Wallfahrt von Hillesheim zur „Maria-Hilf Kapelle“ in Ko-blenz-Lützel. Warum nach Koblenz? Eine Sage erzählt: Ein Reisender, wohl ein Bauer aus dem Maifeld, der in Koblenz seine Erzeugnisse verkauft hatte und auf dem Heimweg war, wurde von Wegelagern überfallen. In seiner tiefen Not rief er zu Maria und gelobte, wenn er den Räubern heil entkomme, wolle er ein Bildchen als Dank aufhängen.

Der Bildstock, zunächst wohl nur an einem Baum befestigt, fand Besucher und Freunde und so wurde um 1700 dort ein kleines Kapellchen gebaut. In einem alten Gebetbuch aus dem Jahre 1732 „Maria Andachten“ ist bereits eine Andacht für “Maria Hilf” in Koblenz-Lützel erwähnt. 1808 wurde die Kapelle auf Weisung der französischen Präfektur zerstört aber 1814 wieder aufgebaut und die Wallfahrten gingen weiter und fanden aufgrund von verschiedenen Wunderberichten wachsenden Zuspruch.

Da nun immer mehr Pilger nach Lützel kamen, wurde eine neue, größere Kapelle errichtet und 1907 eingeweiht. Nur das Wallfahrtsbild wurde in die neue Kapelle übertragen. Es war in der großen Notzeit in der Eifel nach der französischen Revolution. Ein zeitgenössischer Schriftsteller schrieb 1840: „Die Not und die Armut, die die Menschen der Eifel niederbeugen, sind beispiellos.“ Hinzu kam die Unzufriedenheit mit der Politik des preußischen Staates,dessen Folge die Revolution von 1848 war.

Wir schreiben das Jahr 1844, als zwei schlichte Männer namens Michael Krämer aus Wiesbaum und Josef Huhl aus Ripsdorf aus einem persönlichen Anliegen heraus den Pilgerstab nahmen und nach Maria-Hilf nach Koblenz in einem mehrtägigen Marsch pilgerten. Sie hatten sich gelobt jedes Jahr zu diesem Marienbild nach Maria-Hilf zu gehen. Und so fanden sich bald jährlich viele Gläubige, Nachbarn und Freunde, die diese Männer begleiteten und den weiten Weg nicht scheuten. Von Jahr zu Jahr wurde diese klein Pilgergruppe immer größer.

Von vielen Nachbardörfern und Orten, die sie durchzogen, schlossen sich fromme Pilger an, und so wuchs die Zahl ständig. Im Jahre 1862 wurden bereits 930 ! Pilger gezählt. So entwickelte sie sich rasch zu der großen Eifel-Prozession, in der heute noch nach 163 Jahren Hunderte von Pilgern von nah und fern ihre Dank- und Bittgebete zum Gnadenbild von Maria-Hilf bringen. Der Antrittstag der 90 km langen Pilgerreise ist ein Montag in der Pfingstzeit. Morgens in aller Herrgottsfrühe gegen 5 Uhr versammeln sich die Pilger in der Pfarrkirche zu Hillesheim, von wo sie dann in Begleitung eines Geistlichen und einer Musikapelle zur großen Prozession aufbrechen.

Es sind nicht nur Hillesheimer, sondern Eifeler aus mehr als 40 Dörfern der Kreise Vul-kaneifel, Bitburg-Prüm, Mayen und Koblenz. Um 8 Uhr des ersten Tages ist in der Filialkirche zu Dreis eine Heilige Messe in den Anliegen der Pilger. Im dreitägigen Fußmarsch mit Übernachtungen in Boos und Ochtendung ziehen die Pilger auf einer der bedeutendsten römischen Heerstraßen in Gallien - der bekannten Cäsarenstraße - von Lüttich zum Rhein. Da, wo einst römische Legionäre und Söldner mit Speer und Schwert gegen den Feind zogen, da pilgern heute Jahr für Jahr hunderte schlichter, gläubiger Menschen, den Rosenkranz in ihren Händen, zur Mutter der ganzen Christenheit.

Wer einmal betend diesen Weg mitgegangen ist durch die blühende Eifellandschaft, durch die stillen Täler und Höhen, der begreift etwas von dem Sinn dieser Pilgerreise, der spürt etwas von der Nähe des HERRN, der wie auf dem Wege nach Emmaus die Seinen begleitet und sich mit ihnen unterhält. Schon gleich zu Beginn der Wallfahrt betet man zur Mutter der Barmherzigkeit für die ganze Christenheit. Besonders gedenkt man derjenigen, die nicht an der Wallfahrt teilnehmen können mit dem Zusatz: „Gib o Herr allen deine Gnaden, die sich in unser Gebet empfohlen haben.“

In einem anderen Zusatz erkennt man den Sinn des Rosenkranzgebetes: „Seht die Mutter schön im Glanz durch den heiligen Rosenkranz. Sie ist die Mutter für uns Sünder, da ist Heil und Trost zu fin-den.“ Neben dem Gebet für die Verstorbenen klingt für den Pilger selber eine leise aber eindringliche Mahnung mit: „O Mensch, steh auf vom Sündenschlaf, bedenk, deine letzte Stunde ist nah. Es warten auf mich Tod und Gericht, ich geh der Ewigkeit entgegen, drum halte dich zu jeder Zeit auf einen guten Tod be-reit.“

Selbstverständlich wird auf dem Gang durch die grünenden Felder für das Gedeihen der Feldfrüchte gebetet: „Dass Du uns die Früchte der Erde geben und erhalten wollest. Vor vielen Jahren wurde einst ein Brudermeister hinter Kelberg im Wald von einem Pferd erschlagen. Zur Erinnerung setzte man an dieser Stelle ein schlichtes Holzkreuz, vor dem dann in jedem Jahr die Prozession innehält und drei Vaterunser für den Verstorbenen betet.“ An eine biblische Szene erinnert es einen, wenn gegen Mittag des ersten Tages in einem Waldstück das ganze Volk sich lagert und den Worten des Priesters zuhört, der hier eine Predigt zu Ehren der Gottesmutter an die Pilger hält.

Aus den Statuten für die Prozession nach Koblenz, die anfänglich auch auf den Arenberg bei Koblenz ging, spricht etwas von der gesunden, echten Frömmigkeit, aus der die Wallfahrt lebt. Das ist kein Ausflug, keine Vergnügungsfahrt, bei der auch ein religiöses Heiligtum besucht wird, nein, hier ist gläubiges Volk auf dem Wege zur Mutter, die ihm helfen muss und der es danken will. So wird in den Statuten als Zweck der Prozession angegeben. „Sie soll Anleitung sein zu einem religiös-sittlichen Leben unter Betrachtung der Ölbergstatio-nen und die Andacht zur al-lerseligsten Jungfrau Maria fördern. Die Pilger der Prozession gelten alle als Brüder und Schwestern in Christo und es gilt kein Ansehen der Person.“

Die Prozession geht nun ununterbrochen seit 163 Jahren. Die Teilnehmerzahlen schwanken, die Tendenz in den letzten Jahren ist wieder steigend. Während des Krieges war zwar der Gang in Prozessionsordnung verboten. Man ging deshalb getrennt in kleineren Gruppen ohne Kreuzträger. Früher gingen die Pilger auch wieder zu Fuß zurück oder später mit der Eisenbahn. Nachdem die Bahnstrecken dann stillgelegt wurden, setzte die Leitung Busse ein, die die Pilger in Koblenz abholten, so auch heute noch. In Hillesheim angekommen, vergisst man nicht in einer kurzen Andacht Gott und Maria zu danken für alle Gnaden, die wir auf dieser Pilgerreise empfangen haben.