Das gesegnete Fußballbild

140 Jahre Klausenwallfahrt in Birresborn

Maria Schüßler, Birresborn

Seit 1863 pilgern Birresborner zur Schmerzhaften Muttergottes nach Klausen, nur unterbrochen durch die beiden Weltkriege. Für die Fußpilger sind das gut 70 Kilometer, die für Hin- und Rückweg zu bewältigen sind. Ich selbst erinnere mich besonders an meine erste Klausenwallfahrt nach dem Krieg am 17./18.09.1947 (laut Eintrag im Kirchenarchiv). Unser Pastor gab bekannt, dass die Densborner beschlossen hatten, wieder eine Klausenwallfahrt zu machen. Wer von Birresborn mitgehen wollte, soll sich melden. Es meldeten sich viele, auch ältere; für diese Strapaze eigentlich schon zu alten Leute.

Doch die Angst und Ungewissheit über das Schicksal vieler Angehöriger hatte sie zu diesem Schritt bewogen. Nun war ja so kurz nach dem Krieg eine denkbar schlechte Zeit, was Schuhe, Kleidung, Verpflegung usw. anbelangte. Jeder musste sein Essen und Trinken mitnehmen, denn unterwegs kaufen konnte man nichts. Also waren alle beladen wie die Packesel, was am Anfang noch keine Schwierigkeiten machte, sich aber bald als überaus mühsam bemerkbar machte. Auch damals wurde in Bruch Mittagsrast gehalten. Meine vierzehnjährige Schwester zog die Schuhe aus.

An vielen Stellen bluteten die Füße, was bei vielen anderen wohl auch der Fall war, und Klausen war noch weit. Mancher suchte sich am Wege einen Knüppel, an dem er sich oft mit beiden Händen festhielt. Aber es ist wohl bei keiner Wallfahrt mit so viel Inbrunst und Andacht gerufen worden: „Maria zu Dir kommen wir, Deine Hilfe erflehen wir.“ Es war für viele, besonders die Älteren, ein Kreuzweg. Nach dem Besuch in der Kirche beim Gnadenbild der Schmerzhaften Muttergottes bekamen wir in einer Gastwirtschaft eine warme Suppe.

Eine Treppe höher war der Tanzsaal, der mit Stroh ausgelegt und unser Schlafquartier war. Natürlich schliefen wir in den Kleidern. Viele von den Älteren lehnten sich mit dem Rücken an die Wand und verbrachten so die Nacht. Sie fürchteten, nicht mehr aufstehen zu können, wenn sie sich hinlegten. Am Morgen gab es nur zum Waschen eine kleine Schüssel mit Wasser. Durch Kriegseinwirkung hatte Klausen kein Wasser. Es liegt ja hoch auf dem Berg. Also Not überall, sogar mit dem Wasser. Nach einem kargen Frühstück ging es zum Bahnhof Salmtal, von wo wir mit der Eisenbahn nach Hause fuhren.

Als Johann Müller (Müller Hannes) aus dem Krieg heimkehrte, übernahm er die Führung der Fußpilger, bis das Alter ihn zwang aufzuhören. Die Birresborner Pilger werden seiner immer in Dankbarkeit aber auch in froher Erinnerung gedenken,denn sein Humor überbrückte manche kritische Situation. Am 8. 9. 1952 (laut Pfarrarchiv) war die erste Fußwallfahrt von Birresborn nach Klausen mit 45 Teilnehmern. Frau Olker (im ganzen Dorf als Olker Billa bekannt) sagte, sie sei in einem Dorf in der Nähe von Klausen, in Sehlem, geboren und sie kenne jeden Weg und jeden Pfad von hier nach Klausen. Sie wolle gerne mitgehen und so könnte man manchen Kilometer sparen und Umwege vermeiden.

Das hörte sich gut an. Ein Kilometer ist viel, wenn man am Ende seiner Kräfte ist. Also wurde Billa zur Pilger-führerin erkoren. Es lief gut. Billa vornweg, ihr Sohn Toni als Kreuzträger daneben. Durch Wald und Feld bergab und bergauf. Doch plötzlich war da etwas, was Billa unbekannt war. Da tauchte mitten im Gelände der Flugplatz Spangdahlem auf, der damals noch zum größten Teil eine Baustelle, aber schon gesperrt war. Man sah auch schon amerikanisches Militär. Aber Billa stutzte nur kurz. Ihr innerer Kompass zeigte geradeaus. Also ging sie stramm, laut vorbetend neben dem Kreuzträger mitten über den Flugplatz, wir geschlossen hinterher. Die Amis, noch nicht vertraut mit den Sitten und Gebräuchen der Eifel, schauten verdutzt hinterher. „Was ist das denn für eine Heerschar? Flottes Kommando, schweres Gepäck, Spezialeinheit, offensichtlich Infan-terie.“

Wir kamen ohne Aufenthalt und unbeschadet, aber sehr bestaunt, wieder von dieser Baustelle herunter. Jeder, der dabei war, wird sich mit Lachen daran erinnern, als wir wallfahrend und laut betend den Flugplatz überquerten. Welcher Flugplatz wird auch schon vor seiner Fertigstellung von einer betenden Pilgerschar eingeweiht? Nun gehe ich schon lange nicht mehr mit nach Klausen, aber Kinder und Enkel erzählen oft von Ereignissen, über die man sich köstlich amüsierte. Noch immer ist die Mittagspause in Bruch und immer in der Gastwirtschaft, in der Mary das Regiment führt.

Mary weiß Tag und Stunde, wann die Birresbor-ner kommen und kocht zu deren Empfang eine gute Eintopfsuppe, die den müden Pilgern wieder auf die Beine hilft. Nun ist Mary’s Kneipe auch das Stammlokal des Brucher Fußballvereins, was man an den vielen Bildern, die die Wände schmücken, sehen kann. An diesem Samstag hatte Mary Sorgen. Das am morgigen Sonntag stattfindende Fußballspiel war enorm wichtig, es entschied über Aboder Aufstieg der Mannschaft.Und da Not erfinderisch macht, kam Mary auf eine Idee. Sie nahm das Bild der Fußballmannschaft vom Regal und bat die Birresborner Pilger, das Bild mitzunehmen nach Klausen und es segnen zu lassen.

Wenn‘s nichts nutzt, schaden kann’s auch nicht. Schon allein wegen der Suppe musste man ihr den Gefallen tun. Hans steckte das Bild in die Innentasche seiner Jacke. Und so wie Gottes Sonne scheint über Gerechte und Ungerechte, ging des Pfarrers Segen in der Kirche in Klausen über die müden Pilger und über das Bild der Brucher Fußballmannschaft. Tagsdrauf traf man wieder in Mary’s Kneipe ein, gab das Bild wieder ab und drückte die Daumen für das Spiel am Nachmittag. Für den weiteren Weg spendierte Mary eine Flasche Schnaps, von der unterwegs jeder einen Schluck bekam. Abends in Philippsheim gab Mary jubelnd telefonisch durch - die Brucher hatten gewonnen. Und so passiert zwischen Beten und Singen manches, über das man herzhaft lachen kann.