Erinnerungen eines Barweiler Pilgers

Alois Bramer, Kirchweiler

Mir persönlich werden auch heute noch mit 84 Jahren die Augen feucht, wenn ich am Wegesrand stehe und die Prozession sich wie in jedem Jahr auf den Weg nach Barweiler macht. Darum schreibe ich diese Zeilen.

Im Herbst, das heißt am zweiten Wochenende im September, wenn die Feldarbeit fast getan war, pilgerte man in Prozessionen nach Barweiler, zur Heiligen Muttergottes mit der Lilie. Ich weiß noch, dass vor den 30er Jahren aus Kirchweiler und Gerolstein die Pilger zusammen ihre Prozession abhielten. Dabei beträgt die Entfernung von Gerolstein nach Barweiler 32 Kilometer und von Kirchweiler 25 Kilometer durch Felder, Wiesen, Wald-und Feldwege. Man pilgert zur Muttergottes mit der Lilie, der Friedenskönigin, und dankt für alles, was gut war im vergangenen Jahr.

Aber man erbat auch Hilfe in der Not, bei Krankenheiten, für das Haus und den Stall. Junge Mädchen, so sagte man, half die Muttergottes auch bei der Suche nach einem guten Mann oder bei der Geburt des ersten Kindes bei jungen Ehen. Ab dem Jahre 1930 ging dann erstmals eine eigenständige Prozession von Kirchweiler, zu der sich auch Angehörige aus den damaligen Pfarrei Berlingen, Hohenfels und Hinterweiler gesellten. Diese erste Prozession wurden von Herrn Peter Kees und meinem Vater Martin Bramer organisiert.

Streng in Reihe hintereinander, getrennt zwischen Frauen und Männern, nahm man den Weg, in Begleitung der Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr Kirchweiler auf sich. Mit 10 Jahren ging ich zum ersten mal mit und dann jedes Jahr bis zum Jahre 1941. Zum Stakkato der Schritte oder der Musik wurden die vorgegebenen Gebete des Rosenkranzes gebetet, oder Marienlieder gesungen.

Begleitet durch Blicke aus dem Fenster oder durch einen kurzen Gruß von den Daheimgebliebenen ging man bis nach Brück. Dort war dann die erste Rast, um dann nach einer Stunde in Bongard angekommen, die Mittagspause zu halten. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass mein Vater Martin den geschmuggelten Bohnenkaffee mitgenommen hatte, der dann in Bongard aufgebrüht wurde. Dazu wurden selbstgebackene Waffeln (Wäißmählswaffele) gegessen. Von Bongard ging man dann bis nach Barweiler. Auf halben Wege wurde an einer Brücke noch ein „Weg-zoll“ oder „Opfergeld“ erhoben, das für die Kirche und den Segen in Barweiler erhoben wurde.

Dort angekommen kehrte man körperlich müde und doch mit einer innerlichen Ruhe in die Kirche ein. Der Besuch der Pilgermesse, die Möglichkeit, zur Beichte zu gehen, und die innerliche Einkehr bei der Gnadenmutter wurden lediglich unterbrochen durch neuerliche Prozessionen, die aus den unterschiedlichsten Regionen der Eifel und aus NordrheinWestfalen dort eintrafen. Nach der Messe musste man sich um eine Schlafgelegenheit bemühen. Dabei wurde teilweise auf Stroh in der Scheune oder im Hause selbst übernachtet. Durch diese Unterkünfte haben sich Bekanntschaften und Freundschaften herausgebildet, die auch über die eigentliche Prozession sich gehalten haben.

Diese Pilgerprozession wurde auch im Dritten Reich abgehalten, jedoch mit weitaus weniger Pilgern, denn diese wurden verspottet und verlacht. In den Kriegsjahren selbst und in der Nachkriegszeit stieg die Zahl der Pilger wieder an und der Satz „Not lehrt beten!“ hatte auf einmal wieder seine Gültigkeit. Bei der Barweiler-Bruderschaft, wie sie sich heute nennt, ist festzustellen, dass auch immer mehr Jugendliche daran teilnehmen und mehr oder weniger für sich persönlich etwas Positives aus dieser Tradition mitnehmen. So gehen fast immer über 100 Leute mit.

Dies kann man insbesondere auch daran ablesen, dass ehemalige Bewohner der Orte Kirchweiler und Hinterweiler, auch wenn sie beruflich in ganz Deutschland verstreut wohnen, immer wieder gerne an dieser Wallfahrt teilnehmen. Dabei bringen sie auch ihre Kinder schon mit, um auch ihnen auf diesem Wege einen Teil ihrer eigenen Kindheit vor Augen zu führen. Mir persönlich hat der Glaube und die Hoffnung an die Gottesmutter von Barweiler auch in der dreijährigen Kriegsgefangenschaft über schwere Zeiten geholfen.

Mit Wehmut dachte ich daran zurück, wenn immer im September durch Briefe meiner Mutter in das Gefangenenlager darauf verwiesen wurde, dass die Pilger sich wieder auf den Weg gemacht hatten. Als Dank für meine gesunde Heimkehr ging ich noch mehrere Jahre mit, bis Alter und Krankheit es mir unmöglich machten.