Hildegard Dümmer, Hillesheim
Seit ewigen Zeiten sind Menschen unterwegs auf Pilgerreise. Manche mit religiösem Ziel sind auf der Suche nach Gott, andere dagegen wandern aus in ein fremdes Land, wo sie sich bessere Lebensbedingungen erhoffen. Wieder andere sind auf der Flucht aus politischen oder privaten Gründen.
Eine innere Unruhe treibt die Menschen hinaus. Einige aber machen sich auf, um sich selbst zu finden, sich zu prüfen und um ihre Grenzen auszutasten. Das berichten viele Pilger, die den Jakobsweg mit zahlreichen Entbehrungen und Belastungen gegangen und innerlich frei und froh zurückgekehrt sind. Wallfahrten und Pilgerreisen sind den Menschen, gleich welcher Religion, zu allen Zeiten Bedürfnis gewesen.
Für unsere Eltern und Großeltern, insbesondere für die Frauen im ländlichen Raum, war eine Wallfahrt mit Bus oder Bahn nach Maria Mar-tental, nach Kevelaer oder sogar ins Nachbarland Belgien, nach Banneux. Die einzige Möglichkeit, für ein, zwei Tage das dörfliche Einerlei hinter sich zu lassen und etwas von der Welt da draußen zu sehen. Eine reine Urlaubsreise oder ein Ausflug, nur um des Vergnügens willen, wäre Luxus gewesen, und kam daher nicht in Frage.
Aber hatte die Fahrt einen religiösen Hintergrund, selbst wenn dabei das eine oder andere Pfund Kaffee über die Grenze geschmuggelt wurde, brauchte man kein schlechtes Gewissen zu haben, denn das viele Beten und Singen löschte diese „lässliche Sünde" allemal aus. Aber auch den Menschen, denen es nicht möglich war, größere Pilgerreisen zu unternehmen, boten sich viele Möglichkeiten, im nahen Umfeld ihre religiösen Anliegen der Mutter Gottes oder einem bestimmten Heiligen vorzutragen. Zahlreiche kleinere und größere Kapellen und Bildstöcke aus früheren Zeiten laden auch heute noch zum Verweilen und zum Innehalten ein.
So erinnere ich mich gerne an die sonntäglichen Fußwallfahrten in den Monaten Mai und Oktober, die ich als Kind mit meiner Großmutter ins benachbarte Rockeskyll unternahm. Ziel war das am Ortseingang, von Berlingen kommend, unmittelbar hinter der Brücke links gelegene Marienkapellchen, dessen Erbauungsjahr nicht genau datiert werden kann, dessen Existenz aber schon im 17. und 18. Jahrhundert erwähnt ist. (Anm.: Information „Heimatjahrbuch Rockeskyll"/M. Stritzke)
Nachdem wir pflichtgemäß das Rosenkranzgebet vollendeten, Marienlieder gesungen und die mitgebrachten Blumen am Altar untergebracht hatten, beendeten wir unsere kleine Wallfahrt im Gasthaus Linden, mit deren Besitzerin meine Großmutter befreundet war. Ihr statteten wir regelmäßig einen Besuch ab, ihr und mir zur Freude. Die beiden alten Damen tauschten Neuigkeiten aus, und ich bekam ein Glas Limonade. So konnten wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Eine weitere kleine Kapelle befindet sich am Ausgang des Dorfes Berlingen in Richtung Hohenfels auf halbem Wege zum nahe gelegenen Friedhof. Sie wurde in Eigeninitiative von der Familie K.-J. und Hedwig Meinen mit der Bitte an die Gottesmutter, um Hilfe für ihr schwerkrankes Kind Petra, errichtet. Die Gemeinde gab ihre Zustimmung und unter tätiger Mithilfe von Familienangehörigen und Freunden - Großvater Schmitz schnitzte die Madonna - konnte der Bau vollendet werden. Am 1. September 1984 fand die Einweihung statt, an der die kleine Petra, damals gerade fünf Jahre alt. noch teilnehmen konnte. Heute dient sie der Familie als Gedenkstätte.
Jährlich findet dort, meist im September oder Oktober, eine Andacht statt, die vom Pastor des Gerolstei-ner Krankenhauses oder von Laien gestaltet wird. Idyllisch am Waldrand in der Nähe eines kleinen, gemütlichen Rastplatzes gelegen, ist sie sowohl für die Einheimischen wie auch für Fremde zu einer beliebten Anlaufstelle geworden. Sie dient vielen Besuchern als Ruhepunkt, als Ort des Bittens, des Dankes oder der Besinnung. Ein weiterer Bildstock befindet sich etwas unterhalb an der gleichen Straße im Garten der Familie Oehmen. Auch er zeugt vom Glauben und der Frömmigkeit seiner Erbauer.
Erwähnenswert ist auch die Schutzmantelmadonna, die noch unter Anleitung des damaligen Pastors von Kirchweiler, J. Batteux, im Rahmen der Renovierung der Filialkirche Berlingen Anfang der sechziger Jahre aufgestellt wurde. Sie befindet sich geschützt in einer Nische, die durch den Anbau einer Sakristei entstanden ist, etwas zurückgesetzt rechts neben dem Eingansportal. Der Künstler hat die überlebensgroße Statue aus rotem Sandstein gehauen.
Unter ihrem ausgebreiteten Mantel lugen beidseitig je vier Köpfe von Menschen aller Generationen hervor, die sich bei der Mutter Jesu und der Mutter Kirche geborgen wissen. Symbolisch haben sich somit die Ortsbewohner unter den besonderen Schutz der Gottesmutter gestellt. Obwohl heutzutage die Marienverehrung leider etwas in den Hintergrund getreten ist, werden mütterlicher Schutz und Fürsorge immer vonnöten sein. Solche Stätten sind wichtig und werden häufig von Menschen besucht, die abschalten und innere Ruhe suchen wollen.