Israel - Land der Verheißungen

Eine beeindruckende Bildungsfahrt

Christine Kaula, Wipperfürth

Am 26. Dezember 1995 beteten wir frühmorgens in der Kirche zu Hilgerath aus dem Psalm 21: „Voll Freude war ich, da sie mir sagten: Zum Hause des Herrn wollen wir ziehn.“ – „So sollen denn unsere Füße in deinen Toren stehen, Jerusalem“, hätte man weitersprechen können, denn nach der Pilgermesse brachen wir auf zu einer Reise ins Heilige Land. Die Pfarrei Bodenbach unter Leitung des damaligen Pfarrers Bernhard Eute-neuer hatte zu dieser Reise aufgerufen, und viele Bürger aus Bodenbach und benachbarten Dörfern hatten sich gemeldet.

„Es ist ja warm“, war die erste Empfindung, als wir das Flughafengebäude nach dreistündigem Flug und langwierigen Einreiseformalitäten in Tel Aviv-Jaffa verlassen konnten. Blühende Sträucher und milde Abendluft empfingen uns – eine ganz neue Erfahrung für Menschen, die im Winter selten ihre winterlichdeutschen Gefilde verlassen. Am anderen Morgen wölbte sich ein strahlend blauer Himmel über der Stadt. Das alte Jaffa war seit Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr. ein bedeutender Hafen und urbanes Zentrum. Mit einem Bus fuhren wir Richtung Norden, immer an der Küste des Mittelmeeres entlang, und gelangten nach Cesarea-Maritima.

Weiter ging es durch die fruchtbare Sharonebene, die rechts von bewaldeten Hügelketten begrenzt ist. In der Ebene wachsen wunderschöne Obstgärten, weite Felder dehnen sich aus, künstliche Bewässerung sorgt für das Wachstum, wir sahen große Gärtnereien, Bananenfelder, Fischteiche, Orangenplantagen. Dann kamen wir zum Berg Karmel. Kerem’el heißt „Weinberg Gottes“. Vom Berg kann man weit über den Hafen von Haifa sehen bis zur Grenze zum Libanon. Der Sonnenuntergang am Meer währte eine knappe Viertelstunde, dann war es stockfinster – eine ebenso erstaunlich neue Erfahrung für die Mitteleuropäer unter uns, die noch nie im Orient waren.

Unser Ziel war zunächst Tiberias, das am See Genezareth liegt. Dort verblieben wir einige Tage und konnten den – wie Pastor Euteneuer treffend bemerkte – „Frühling des Chri-stentums“ nachempfinden. Auf einer Fahrt zu den Golan-höhen konnten wir die Kämpfe nachempfinden, die dort stattgefunden hatten. Eingezäunte Gebiete, an denen Warnschilder wegen Minen angebracht waren, ließen uns schaudern. Wir durften den Bus auch nicht verlassen. (Einige Wochen später nach unserer Abreise aus Israel setzten wieder neue Raketenangriffe in dieser Gegend ein.)

Mancher Blick schweifte hinüber zum legendären Berg Hermon, den wir – im Bus – förmlich umrundeten. An den Minenfeldern ging es dann vorbei wieder hinunter ins Tal nach Galiläa zum See Gene-zareth, an dem wir ergreifende Stunden verbrachten. Mein Reisetagebuch enthält folgende Notiz: „Ich sitze am See Genezareth, habe gerade den St.-Peters-Fisch verspeist und schaue den Menschen zu, die im See schwimmen.

Gang hinab vom Berg der Seligpreisungen

Die Sonne brennt ziemlich stark, und die Tatsache, dass es Dezember und kurz vor Neujahr ist, kommt mir ziemlich absurd vor. Der Pastor hat uns eine sehr schöne Messfeier gehalten in der Kirche, die am Ort der Speisung der Viertausend errichtet wurde. Und dennoch, es ist schwierig, sich vorzustellen, dass all diese Dinge tatsächlich hier an diesem Ort geschehen sind. … Jesus wandelte über das Wasser … Sie warfen ihre Netze aus … und er gab ihnen eine reiche Ernte an Fischen … Wie mag es damals wohl ausgesehen haben?

Das andere Ufer des Sees liegt hinter einem leichten Nebelschleier verborgen, es ist nur zu ahnen, nicht zu sehen. Und irgendwie erfasst mich eine Sehnsucht, plötzlich und intensiv, irgendetwas zu verändern, anders zu machen als bisher. Sich nicht mehr so hektisch dem Alltag hinzugeben, und nicht mehr vom täglichen Einerlei vereinnahmen zu lassen. Eine Hoffnung, die jäh und heftig das Herz ergreift, es müsste doch möglich sein, alle Zweifel zu beseitigen und ohne Vorbehalt all das anzunehmen, was als gut und richtig geschrieben steht. (…)

Auf einem der nachgebauten antiken Schiffe sind wir auf den See hinausgefahren. Mitten auf dem See hielt das Boot ein und einer der Matrosen in einem weißen Gewand warf ein Netz gerade so, wie es die Fischer damals wohl getan hatten. Ein irrealer, bilderreicher Moment, mitreißend und unerhört zugleich. Für einen Moment war mir so, als ob ich davonlaufen müsste vor etwas, das mich am Ende unwiderruflich einholen könnte. Ich hatte Angst, mich in oder an etwas unbestimmtes, unwirkliches Etwas zu verlieren.“

Auf der Fahrt von Galiläa nach Jerusalem verweilten wir noch an vielen biblischen und historischen Stätten. Wir fuhren durch Kanaan, wo das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein geschah. Das Jezreel-Tal ist nach der Bibel der Ort des letzten Kampfes, danach werden die Gerechten siegen und in das Paradies eingehen. Auf dem Berg Ta-bor, den wir auf dieser Fahrt besuchten, steht die wunderbare Verklärungskirche. Der Blick schweifte weit über das fruchtbare Tal, „wo Milch und Honig fließt“. In einiger Entfernung vom Berg Tabor liegt Nazareth – ein authentischer Ort, wie uns erklärt wurde.

Deutlich in Erinnerung ist mir vor allem der „Berg der Selig-preisungen“ geblieben, den wir bestiegen, und auf dem wir die Bergpredigt hörten. Still und gesammelt wanderte die Gesellschaft danach den Berg hinunter, und noch lange blieben die Mitreisenden ziemlich verhalten und leise. In Tabgha, das am Fuß des Berges liegt, befindet sich die Stelle, an der Jesus Petrus aufforderte: „Weide meine Lämmer, weide meine Scha-fe!“ Dort soll auch der Tisch stehen, an dem Jesus mit seinen Jüngern das letzte Mal speiste. Ein Felsblock in der dortigen Kapelle stellt diesen Tisch dar.

Wir sahen Gruppen, die nach einem kurzen Gebet zu dieser Stelle gingen und den Stein mit der Hand berührten. Diese Geste rührte mich eigentümlich an. Neben der Kapelle befinden sich zwei gemeißelte Steinfiguren. Petrus kniet vor Jesus, der hoch über ihm aufragt und mit seiner Hand den Hirtenstab Petrus’ berührt. Eine sehr anschauliche, beeindruckende Darstellung, die im Dämmerlicht des Spätnachmittags als dunkle Silhouette noch kraftvoller wirkte.

Am nächsten Tag nahmen wir Abschied von Tiberias und fuhren durch das fruchtbare Jordantal. Nach einem kurzen Halt an einem Denkmal für die Gefallenen des Sechs-Tage-Krieges konnten wir noch einen letzten Blick auf das Jordantal werfen, fuhren vorbei an Dattelpalmen, Wein-und Bananenfeldern Richtung Jericho. Jericho ist die am tiefsten gelegene Stelle der Erde und die schönste und fruchtbarste Oase des Vorderen Orients zugleich.

Bereits in der Mittelsteinzeit war Jericho besiedelt. Eine leichte Gänsehaut überlief uns, als wir Ausgrabungen sahen, die wohl zehntausend Jahre alt sind. Waren es die sogenannten „Mauern von Jericho“? Wer weiß es! Mitten durch die Berge ging es immer weiter hinauf in Richtung Jerusalem. Endlich erblickten wir drei Türme am Horizont, und uns wurde erklärt, nun wären wir bald am Ziel. Auf den Hängen weideten Herden mit ihren Hirten, und wir fühlten uns in die biblische Zeit zurückversetzt.

Die Vegetation wurde wieder etwas üppiger, und dann endlich erblickten wir sehr ergriffen die heilige Stadt Jerusalem, die bekannte Kulisse mit dem Felsendom und dem Goldenen Tor. Die nächsten Tage lehrten uns vieles über das alte und das neue Jerusalem, wir schritten über die Via Dolorosa und sahen die Grabeskirche, die sich sechs Religionsgemeinschaften teilen, besuchten den Öl-berg mit seinen vielen Kirchen, betraten aber auch barfuß und mit Respekt den Felsendom, staunten über die Weitläufigkeit des muslimischen Heiligtums und betrachteten nachdenklich den steinernen Fußabdruck, den der Prophet hinterlassen haben soll, als er gen Himmel ging.

Es waren gefüllte Tage voller Schönheit und Leuchtkraft, die mancher wohl bis heute nicht vergessen hat. Die Erlebnisse dieser Israelfahrt gingen an uns nicht spurlos vorüber, vor allen Dingen auch deshalb nicht, da der damalige Pfarrer von Bodenbach es verstand, uns zu fesseln und uns die Dinge auf unnachahmliche Weise nahezubringen.

Jerusalem: im Vordergrund ein jüdischer Friedhof