Natürlich gesund

Vom Verbeten und Heilen,
von schwarzer und weißer Magie

Thea Merkelbach, Pelm

Spricht man mit alten Leuten über frühere Zeiten und ihre Erlebnisse, kommt irgendwann das Thema ‚Heilen und Verbeten’ auf. Manche berichten, was ihre Eltern und Großeltern ihnen erzählten, andere sprechen von eigenen Erfahrungen. So erzählte mir Heini von der Leinebach aus Gerolstein, wie er sich als junger Mann einmal den Fuß derart verstauchte, dass er nicht mehr gehen konnte. Eine alte Öhm aus dem Nachbarort, die der Familie immer Eier brachte, besah sich den Fuß und mein-te:“ Komm, wir beten zusam-men“. Dabei fuhr sie mit der Hand über den geschwollenen Fuß und murmelte etwas. Einige Tage später konnte Heini mit nach Barweiler wallfahren. Diese Frau wollte ihm später ein Buch übergeben, es handelte sich sicher um eines der Bücher Moses, aber er wollte es nicht haben. Auch Wilhelm Creischer aus der Pintenmühle erzählte mir, dass er zweimal Zeichnung: Kerstin Weinacht, Kerpennach vergeblicher ärztlicher Kunst von einem Warzenverbeter aus Rockeskyll von lästigen Warzen bereit wurde. Frau Mungen aus Pelm berichtete, dass eines Tages eine ihrer Kühe auf drei         .
Beinen humpelte.„Da kam der Köschte Matthes aus Rockeskyll und besprach das Vieh.Die Kuh konnte wieder.normal gehen.‚Da ist euch jemand nicht gut gesinnt´,meinte Matthes.“  

Nach Berichten mehrerer Pelmer gab es früher einige Männer im Ort, die heilen konnten, z.B. Hahne Pitter und der Hausschlächter En-dres. Erich Marshall erzählte: „Wenn eine Kuh dick war, betete Pitter und meinte dann: ‚Jetzt gibt es sich’. Bei einem Pferd, das sich den Fuß verknickt hatte, betete er: Petrus wollte nach Rom reisen Da verknickte sein Pferd einen Fuß.
Und wenn du vom Verknicken bist,
So weit wie du gekommen bist.
Im Namen der Dreifaltigkeit. Bei schwierigen, unruhigen Pferden lautete der Spruch: Max (Name des Pferdes), sei ruhig und geduldig. So ruhig und geduldig wie der Heiland am Kreuz gestorben ist.“
Erich Marschall weiß auch, dass man Warzen mit folgendem Spruch vertreiben konnte:
Man läutet zu einer Leiche, Was ich wasche, das weiche. Dieser Spruch funktionierte nur, wenn jemand beerdigt wurde und man sich die Finger im klaren Bach wusch. Ich selbst hatte eine Schülerin, die so viele Warzen unter den Fußsohlen hatte, dass sie nur schwer laufen konnte. Bei der Planung eines Wandertages wollte ich sie deshalb vom Wandern befreien. Sie meinte aber, das sei nicht nötig, sie könne wieder prima laufen. Auf meine neugierige Frage, wieso, wurde sie rot und verweigerte vor der Klasse die Antwort. Beim Wandertag unterwegs fragte ich sie noch einmal, und sie erzählte mir, dass sie mit ihrer Mutter bei einem Warzenver-beter gewesen sei. Er habe ihr aufgetragen, ein bestimmtes Gebet zu sprechen und Blut von der Monatsblutung auf die Warzen zu streichen. Was die Kunst der Ärzte nicht vermocht hatte, funktionierte beim Warzenverbeter in wenigen Tagen.
In jedem Dorf wird man zahlreiche Geschichten in dieser Art erfahren. Meine Mutter erzählte mir, dass sie mit mir als einem von Milchschorf sehr geplagten Säugling bei einem Pastor in der Nähe von Prüm gewesen war, weil Besuche beim Arzt vergeblich waren. Dieser Pastor hatte mit Gebeten und Ernährungsanweisungen sofort helfen können.
Früher glaubten viele Menschen an die Kunst der Heiler, weil sie ihnen und ihrem Vieh wirklich sofort halfen. Wenige konnten es sich finanziell leisten, einen Arzt in der Stadt oder einen Tierarzt aufzusuchen.


Vom Verprügeln oder Stehenlassen

Man betritt aber eine Grauzone, wenn von ‚nächtlichem Verprügeln’ oder ‚Stehenlas-sen’ die Rede ist. Dabei prügelt jemand auf einen Gegenstand ein und der, den man nicht leiden kann, dem man etwas zufügen will, spürt diese Prügel und bekommt sogar blaue Flecken. Zum Thema ‚Stehenlassen’ habe ich in Pelm mehrere Geschichten gehört. Als einmal der Pastor spät am Abend auf dem Weg von Rockeskyll nach Pelm von einem Räuber überfallen wurde, ließ der Pastor diesen einfach ‚stehen’, d.h. der Räuber konnte sich nicht mehr vom Fleck bewegen. Der Pastor kam unbehelligt zur Pelmer Kirche und schickte dann einen Mann in Richtung Rockeskyll, um den Gebannten zu lösen. Wäre er nicht erlöst worden, wäre der Angreifer bei Tagesanbruch schwarz geworden. Pastoren schrieb man häufig geheime Kräfte zu. Eine andere Geschichte erzählte mir Erich Nöll, die er wiederum von seinem Vater gehört hatte. Damals kamen viele Winzer mit ihren Fuhrwerken von der Mosel, um am großen Pelmer Kalkofen, gebrannte Kalksteine zu laden. Vor der langen Heimfahrt stärkte man sich in der Wirtschaft Weis. Als einer der Fuhrleute mit seinem Pferdefuhrwerk sich auf die Heimfahrt machen wollte, rührten sich die Pferde nicht von der Stelle. Alles Rufen, Schlagen und Peitscheknallen half nichts. Zum Glück beherrschte der Fuhrmann die Kunst der Sprüche. Er sagte seinen Spruch, um den Bann zu lösen, und in der Wirtschaft schrie jemand vor Schmerzen laut auf, kam zur Tür heraus gestürzt und rief: „Wenn ich gewusst hätte, dass du das auch kannst, hätte ich deine Pferde nicht gebannt!“
Ein anderes Mal blieb ein mit Kalksteinen voll beladenes Fuhrwerk mitten auf der Pelmer Eisenbahnbrücke stehen. Man musste jemand aus einem Nachbardorf herbeiholen, der die Pferde wieder lösen konnte.
Als Kinder passten wir beim Glaadter Pastor Helmert immer genau auf, ob dieser zu Beginn der Messe mit der Hand wie zufällig über die Altardecke strich. Von alten Leuten hatten wir gehört, der Pastor wolle fühlen, ob ein beschriebenes Blatt mit Verwünschungen darunter läge. Würde nämlich darauf eine Messe gefeiert, hätten diese Wörter wirkliche Kraft. Manche Sprüche, ob Segenswünsche oder Verwünschungen haben ihren Ursprung sicher noch in der heidnischen Zeit unserer Vorfahren. Sie wurden einfach mit christlichen Attributen versehen.
Diese Bereiche der Grauzone zeigen uns, dass ‚schwarze’ und ‚weiße’ Magie oft eng beieinander liegen. Wer mehr über das ganze Thema lesen möchte, dem sei das Buch „Dörfliche Heiler - Gesundbeten und Laienmedizin in der Eifel“ von Walter Hanf empfohlen. (Greven-Verlag Köln).