Die erlahmte Kuh

Helmut Pauly, Kradenbach

Werden die Menschen heute krank, wird ein Arzt aufgesucht. Die Kosten für die Behandlung sind durch die Krankenversicherung abgedeckt. Man kann sagen, dass heute auch auf dem Lande ein flächendeckender Krankenversicherungsschutz besteht. Das war früher nicht so. Insbesondere für die Bauern und ihre Familien, die ja Selbstständige waren, bestand in der Regel keine Krankenversicherung.

Es wurde daher nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt gelaufen. Vielmehr besannen sich die Leute auf die so genannten „Hausmittelchen“. Führten diese nicht zu dem gewohnten Erfolg, wurde auch mal ein Heilpraktiker oder Gesundbeter aufgesucht. Insbesondere bei Verrenkungen und Auskugelungen von Gelenken wurden die Dienste fachkundiger Helfer in Anspruch genommen. Diese wurden landläufig „Kno-chenflicker“ genannt und konnten so manchem geplagten Patienten gut helfen. In der damals landwirtschaftlich geprägten Eifel kam es häufig vor, dass sich Tiere verletzten. Auch hier war der Knochenflicker gefragt und konnte meist helfen. Oft wurden in der Heilkunst auch Gesundbeter zu Patienten hinzugezogen. Hinter der Hand kommentierten die Leute deren Kunst mit „der kann hexen“. Obwohl den Meisten die Sache nicht ganz geheuer war, wurden die Dienste der Gesundbeter doch in Anspruch genommen; insbesondere bei Hauterkrankungen.

Die Erfolgsquote der Leute war beachtlich, die Kosten gering. Aber auch bei Verletzungen von Tieren waren die Gesundbeter gefragt. Mein Vater erzählte mir eine Episode, die er in seiner Zeit als Knecht bei einem auswärtigen Bauern wie folgt erlebt hatte: Des Abends, während der Fütterung der Tiere, kam der Gesundbeter in den Stall des Bauern. Hier stand eine Kuh, die aufgrund einer Verletzung mit einem Hinterbein nicht mehr auftreten konnte. Als junger Bursche, vorwitzig wie er war, wollte er wissen, was da vorging. Also stellte er sich hinter die Tür zwischen Stall und Scheune und lauschte.

Der Gesundbeter betatschte die kranke Kuh und fing dann an zu beten: „Als Petrus nach Rom reiste, da stieß sein Rind an einen Stein und brach sich dabei das Bein ……. Bis hierher hatte er zugehört. Dann wurde ihm die Sache doch zu unheimlich; mit diesen Sachen wollte er nichts zu tun haben; er ist weggelaufen. Am anderen Tag konnte die Kuh wieder normal auf ihren Beinen stehen; nach einer Woche konnte sie wieder auf die Weide getrieben werden.